"Kitas sind gut für Kinder, wenn die Kitas gut sind", sagt Bianka Pergande, Geschäftsführerin der Deutschen Liga für das Kind. Die Wissenschaftlerin hat selbst in Kitas geforscht. Ihr Fazit: "Wir wissen, dass Grenzüberschreitungen zum alltäglichen Kitaleben von Kindern gehören." Das zeigten auch BR-Recherchen. Die Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks und die so ausgelöste öffentliche Aufmerksamkeit wollen Fachleute aus Praxis und Wissenschaft nutzen, um für den Schutz der Rechte von Kindern einzutreten und pädagogische Fachkräfte zu stärken.
Mehr als 150 Unterzeichner - Verbände, Kinderrechtler, Experten und Wissenschaftler - haben den Aufruf unterschrieben, den die Deutsche Liga für das Kind initiiert hat. Darunter sind neben vielen Kitafachkräfte-Verbänden unter anderem auch das Deutsche Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund, aber auch die Gewerkschaften GEW und Verdi.
BR-Recherchen: Mehr Verdachtsfälle in Kitas
Der BR hatte Mitte Dezember über Aufsichtspflichtverletzungen, Übergriffe und Gewalt in Kitas berichtet: Von 61 pädagogischen Fachkräften, mit denen BR-Reporterinnen sprachen, erklärten nur zwei, sie hätten noch nie seelische oder körperliche Gewalt gegen Kinder erlebt. Trotzdem gaben nur wenige Erzieherinnen an, diese Vorfälle auch gemeldet zu haben.
BR Recherche führte daraufhin eine Umfrage unter 76 Kita-Aufsichtsbehörden durch, 59 antworteten: Demnach stieg die Zahl der Meldungen vom vergangenen Jahr bis Anfang Dezember 2022 um rund hundert Fälle. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass die Aufsichtsbehörden sehr unterschiedlich mit Meldungen umgehen, manche erfassen sie gar nicht.
Bereits am Tag nach der ersten Berichterstattung hat der Bayerische Landtag die BR-Recherchen im Plenum debattiert . Viele Medien griffen die BR-Berichterstattung auf, darunter etwa Spiegel Online, Welt, Focus und Berliner Zeitung.
Konkrete Forderungen an die Politik
Gewalt dürfe im Alltag von Kitas nicht vorkommen, heißt es in dem Aufruf der Fachleute aus Praxis und Wissenschaft, und Fehlverhalten müsse klarer definiert werden. Sie fordern, die Kinderrechte in den Fokus zu rücken und daran Aus- und Fortbildung auszurichten.
Geht es nach den Unterzeichnern, ist nicht nur der Betreuungsschlüssel zu erhöhen, Fachkräfte bräuchten auch mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung, Teamsitzungen und Weiterbildung. Kritik üben die Experten auch am teils nicht vorhandenen oder mangelhaften Beschwerdemanagement in Kitas.
Dieses sei gesetzlich verankert, mahnen die Fachleute. Vor allem aber müsse man mehr über die tatsächlichen Beteiligungs- und Schutzrechte von Kindern in Kitas wissen, nur so könne man eingreifen oder Übergriffen und Gewalt vorbeugen. Dafür brauche es mehr Monitoring und mehr Forschung.
Expertin: Kitas in der Krise
"Nicht nur die Kinderkliniken sind jetzt, kurz vor Weihnachten, in der Krise, auch die Kitas. Und das schon lange", so Kinderrechtlerin Bianka Pergande. Wie drängend die Lage in den Kindertagesstätten ist, macht sie auch an der breiten Unterstützung des Aufrufs fest, obwohl Übergriffe und Gewalt in Kitas Tabuthemen seien. Bianka Pergande bewertet die Resonanz auf den Aufruf deshalb als ermutigend: "Die Auseinandersetzung zum Thema Kinderrechte nimmt gerade erst Fahrt auf."
BR setzt Kita-Recherchen fort
Nach wie vor gehen via Mail, Telefon und soziale Medien weitere Hinweise zu Übergriffen und Gewalt, aber auch anderen Problemen in Kitas bei BR Recherche ein. Im Neuen Jahr werden die Reporterinnen des Investigativteams des Bayerischen Rundfunks diesen neuen Hinweisen nachgehen.
Wenn Sie Missstände melden wollen, können Sie sich per Mail an das Investigativteam des Bayerischen Rundfunks wenden: brrecherche@br.de
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