Nach einer umstrittenen Äußerung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Bundesregierung betont, dass Deutschland im Ukraine-Krieg keine Kriegspartei ist. "Die Nato und Deutschland sind in diesem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht Kriegspartei", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Freitag in Berlin. "Wir unterstützen die Ukraine, aber wir sind nicht Kriegspartei."
"Gegen Russland und nicht gegeneinander"
Baerbock hatte am Dienstag beim Europarat in Straßburg mit folgenden Worten zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander." In der längeren Diskussion, in der die Aussage fiel, sei es darum gegangen zu unterstreichen, dass die EU, die G7-Staaten und die Nato geeint gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stünden, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin.
"Die russische Propaganda nimmt immer wieder Äußerungen, Sätze, Haltungen, Positionen der Bundesregierung, unserer Partner, und dreht sie so, dass es ihrem Ziel dient. Darauf jetzt hier einzugehen, ist meines Erachtens nicht sinnvoll", sagte der Sprecher. "Wer hier eskaliert, ist Russland." Im völkerrechtlichen Sinne sei Deutschland keine Konfliktpartei. "In diesem Kontext muss die Außenministerin verstanden werden", sagte der Sprecher.
Auch die deutsche Botschaft in Moskau stützte sich auf diese Position: "Die Ukraine dabei mit Material zu unterstützen, ihr in der UNO-Charta verbrieftes individuelles Selbstverteidigungsrecht gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auszuüben, macht Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei."
Karte: Die militärische Lage in der Ukraine
Moskau: "Verstehen sie selbst, wovon sie da reden?"
Die russischen Staatsmedien griffen Baerbocks Aussage dankbar als zentralen Schlüsselsatz für Kriegspropaganda auf - als Beleg dafür, dass Deutschland und die anderen EU-Länder direkte Konfliktpartei in der Ukraine seien und gegen Russland kämpften. Laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, Baerbock habe im Europarat "die Dinge beim Namen" genannt. Die Bürger der Nato-Staaten sollten wissen, dass das Militärbündnis "vollständig in die Konfrontation mit unserem Land verwickelt ist und diese Konfrontation wächst".
Sacharowa hatte am Freitag außerdem eine Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau zu "widersprüchlichen" Aussagen aus Berlin gefordert. Deutschland erkläre einerseits, in der Ukraine keine Konfliktpartei zu sein. Andererseits sage Baerbock, dass sich die Länder Europas im Krieg gegen Russland befänden. "Verstehen sie selbst, wovon sie da reden?", schrieb Sacharowa im Nachrichtenkanal Telegram.
CSU nennt Baerbock "Sicherheitsrisiko"
CSU-Generalsekretär Martin Huber meinte: "Annalena Baerbock ist ein massives Sicherheitsrisiko für unser Land." Wer von einer deutschen Kriegsbeteiligung rede, rede Deutschland in einen Krieg hinein. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach gegenüber der "Welt am Sonntag" von einer "beachtlichen Fehleinschätzung" für eine Außenministerin.
AfD-Co-Chef Tino Chrupalla forderte die Entlassung Baerbocks. "Die Bundesaußenministerin setzt mit ihrem unprofessionellen und vorlauten Verhalten Deutschlands Existenz aufs Spiel", sagte er laut einer Mitteilung. Auch in den sozialen Netzwerken gab es harsche Kritik an Baerbock und ihren Äußerungen.
Unterstützung aus CDU und SPD
Unterstützung kam dagegen vom Koalitionspartner und sogar aus Reihen der Union. "Ich habe die Aussage der Außenministerin als Plädoyer für fortgesetzte Geschlossenheit der Verbündeten gegenüber Putin verstanden", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Den größten Gefallen, den wir (dem russischen Präsidenten) Wladimir Putin tun können, ist, dass wir uns im westlichen Bündnis, in der deutschen Politik auseinanderdividieren lassen."
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte dem RND, Baerbock hier eine "böse Absicht" zu unterstellen, "halte ich für falsch und nährt nur das russische Narrativ und die russische Desinformationskampagne". Es sei richtig, dass "wir gemeinsam gegen dieses völkerrechtswidrige, brutale Vorgehen angehen oder eben 'kämpfen'", sagte Kiesewetter. "Nicht anders war die Intention der Außenministerin, und sie ist auch nicht anders zu verstehen."
Scholz mit klarem "Nein"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwochabend im ZDF auf die Frage, ob sich Deutschland und seine Verbündeten mit den jetzt beschlossenen Panzerlieferungen nicht am Krieg beteiligten, geantwortet: "Nein, auf keinen Fall". Er fügte hinzu: "Es darf keinen Krieg zwischen Russland und der Nato geben."
Baerbock-Vorschlag für Ukraine-Tribunal stößt in EU auf Ablehnung
Indes wurde am Freitag bekannt, dass die Außenministerin mit einem Vorschlag wohl keinen Erfolg hat. Baerbock hatte Mitte Januar gefordert, mit einem Sondertribunal die russische "Aggression", also den Angriffskrieg in der Ukraine, zu ahnden. Sie will das Gericht nach ukrainischem Recht einrichten, weil sie fürchtet, bei den Vereinten Nationen die nötigen Mehrheiten für ein internationales Tribunal zu verfehlen.
Allerdings: Beim Treffen der EU-Justizminister in Stockholm unterstützte am Freitag kein Land explizit den Vorstoß der Grünen-Politikerin. Die Baerbock-Kritiker befürchten, dass Russlands Präsident Wladimir Putin und sein engstes Umfeld so nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten. EU-Justizkommissar Didier Reynders verwies auf laufende Ermittlungen in der Ukraine, bei denen schon zehntausende Hinweise auf Kriegsverbrechen zusammengekommen seien.
Mit Informationen von dpa und AFP

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen).
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