Nicht jedes Kind kommt auf die Eltern zu, um über schwierige Themen zu reden.
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Nicht jedes Kind kommt auf die Eltern zu, um über schwierige Themen zu reden.

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Mit Kindern über Krieg sprechen

Seit über einem Jahr dauert der Krieg in der Ukraine nun an. Viele der Nachrichten erreichen auch Kinder und Jugendliche. Das stellt Eltern vor die Frage: Wie spreche ich mit meinem Kind über Krieg?

Die Ansätze von Eltern sind unterschiedlich. Manche wollen alles direkt und offen mit den Kindern klären, auch schwierige Themen wie den Krieg in der Ukraine grundsätzlich besprechen und nicht unnötig alles beschönigen. Andere wiederum vermeiden im eigenen Zuhause Nachrichtensendungen als auch das Sprechen über Krieg generell. Gibt es also überhaupt eine genaue Richtschnur oder einen Königsweg, um mit Kindern über Krieg zu sprechen?

Kinder unter 10 Jahren brauchen Zuversicht

Inke Hummel ist Erziehungsberaterin und Autorin und sagt im Interview mit Bayern 2, es sei besonders dann wichtig über Krieg zu sprechen, sobald Kinder aktiv selbst danach fragen. Dann liege es an den Eltern, das Thema möglichst heruntergebrochen und altersgemäß zu bearbeiten. Mit Kindern unter 10 sollte man eher zuversichtlich sprechen, positive Dinge hervorheben und die eigenen Ängste als Eltern so gut es geht nicht einbringen.

Nicht jedes Kind kommt auf die Eltern zu

Dass Kinder Fragen haben ist allerdings nicht der einzige Fall, der dazu führen sollte über Bilder und Nachrichten aus dem Kriegsgebiet zu reden. Gerade ältere Kinder sprechen auch in der Schule über solche Themen oder tauschen sich mit Gleichaltrigen darüber aus.

Auch die Nutzung von Sozialen Medien führt Kinder nicht selten zu Konfrontation mit derartig komplizierten Themen. Womöglich fragen sie nicht direkt danach, sind aber trotzdem belastet oder das Thema beschäftigt sie.

Wie erkennen, ob Kinder vom Thema Krieg belastet sind?

Inke Hummel rät Eltern besonders gut zu beobachten und auf Zeichen und Veränderungen im Verhalten zu achten. Falls Kinder sich auffällig häufig, oder über einen längeren Zeitraum hinweg zurückziehen, oder auch viel über Klassenkameraden aus Kriegsgebieten sprechen, dann könnte eine verstärkte Belastung vorliegen.

Eltern von Kindern mit solchen Wesensveränderungen rät Erziehungsexpertin Hummel, sich verstärkt um die Kinder zu kümmern: "Es gibt zwei Schienen, die man beachten sollte. Das eine ist, mit den Kindern reden und zu horchen, was da los ist, sie zu beruhigen und zu klären, ob es überhaupt wahrscheinlich ist, dass der Krieg zu uns kommt. Kinder sollten sich nicht ohnmächtig diesen Ängsten ausgeliefert fühlen."

Aktiv werden als Rezept gegen die Angst

Auf der anderen Seite sollten Eltern darauf achten, was man gemeinsam aktiv tun könne: Gibt es eine Friedensdemonstration, auf die man gemeinsam mit dem Kind gehen kann? Kann man bei einer Spendenaktion mitmachen? Kann man einen Brief etwa an einen politischen Vertreter schreiben und so aktiv werden?

Ansonsten helfe es auch, sich mit guten Nachrichten zu beschäftigen. "Auf der Welt passieren auch viele gute Dinge und auch das kann man mit Kindern besprechen, anschauen, anhören", so Hummel.

Jugendliche und Soziale Medien

Jugendliche bewegen sich viel auf Social Media und Eltern wissen oft nicht, mit was sich die Kinder eigentlich beschäftigen. Imke Hummel rät hier: Genau nachfragen, was geschaut und gesehen wurde und Kindern beibringen, wie man die Seriosität einer Quelle beurteilt. Teenager sollen selbst lernen einzuschätzen, was ihnen in ihre Timelines und Handys gespült wird.

Kindern Empathie beibringen

Um ins Gespräch zu kommen empfiehlt Inke Hummel auch Hilfsmittel wie Kinderbücher zu nutzen. Mit diesen könne man Rollenwechsel üben und auch darüber sprechen, wie sich wohl die Mitschüler aus der Ukraine, die Sitznachbarn in der Klasse oder die Kinder auf dem Spielplatz fühlen könnten, die ihre Heimat verlassen mussten und zu uns gekommen sind. Das aktive Üben, wie sich wohl andere fühlen, sei wichtig für Kinder, damit sie lernen, geflüchtete Kinder in ihrer Mitte aufzunehmen und das Miteinander zu begrüßen.

Wann professionelle Hilfe suchen?

Falls Kinder Ängste entwickeln, die sich generalisieren und sich über Kriegsthemen hinaus auch bei anderen Themen zeigen oder Kinder sich für einen längeren Zeitraum hinweg zurückziehen, nicht mehr raus wollen aufgrund von Ängsten und zwanghaftes Verhalten zeigen, dann sollten Eltern sich an den Kinderarzt wenden und eine professionelle Beratung in Erwägung ziehen, so Hummel.

Inke Hummel war auch schon mehrmals zu Gast im Bayern 2 Podcast Eltern ohne Filter, in dem die Hosts mit ihren Gästen ehrlich und filterlos über Elternthemen sprechen.

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