Betroffene von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche können nun ab 1. März Widerspruch gegen die Entscheidung über die Höhe von Anerkennungsleistungen einlegen. Das schreibt die Deutsche Bischofskonferenz am Dienstag in einer Pressemitteilung. Eine Unabhängige Kommission legt die Summe für Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Kirche zunächst fest.
Immer wieder gab es Kritik, weil Betroffene bisher die Leistungshöhe lediglich akzeptieren konnten, es aber kein Widerspruchsrecht gab. Betroffene prangerten immer wieder an, dass die Festsetzung der Leistungshöhe intransparent und wenig nachvollziehbar sei. Die Bescheide würden viele Betroffene ein weiteres mal retraumatisieren und die Kosten für eine psychologische Therapie würden die Höhe der Anerkennungsleistungen meist vielfach übersteigen.
Widerspruchsrecht und Akteneinsicht nun möglich
Wie es nun in der Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz heißt, haben sich jetzt der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz, die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen, die Deutsche Ordensobernkonferenz und die Bischofskonferenz einvernehmlich auf eine Ergänzung der Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids geeinigt.
Demnach können Betroffene in Zukunft "ihren einmaligen Widerspruch formlos über die unabhängigen Ansprechpersonen oder die für sie zuständige kirchliche Institution einlegen". Der Betroffene muss für seinen Widerspruch keine Begründung angeben. Auf Antrag erhalten die Betroffenen außerdem das Recht, auf Einsicht in ihre Verfahrensakten bei der Unabhängigen Kommission.
Akteneinsicht war zentrale Forderung des Betroffenenbeirats
Betroffene von sexualisierter Gewalt, deren Anträge bereits entschieden sind, können bis zum 31. März 2024 Widerspruch einlegen. Wenn ein Antrag erst nach dem 1. März entschieden wird, können Betroffene ihren Widerspruch innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Leistungsentscheidung durch die Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission geltend machen, schreibt die Deutsche Bischofskonferenz.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser, er ist Vorsitzender der bischöflichen Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen, würdigte die konstruktive Mitarbeit des Betroffenenbeirats bei dieser wichtigen Verfahrensänderung. "Die Betroffenen haben jetzt die Gelegenheit, ihre Unterlagen bei der Unabhängigen Kommission zu prüfen. Diese Akteneinsicht war eine zentrale Forderung des Betroffenenbeirats an die deutschen Bischöfe", sagt Bischof Helmut Dieser. Laut Pressemitteilung geht der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz davon aus, dass mit der Einführung des einmaligen Widerspruchs zahlreiche Betroffene eine Überprüfung der Leistungsbescheide beantragen werden.
Anerkennungsleistung maximal 50.0000 Euro
Seit dem 1. Januar 2021 können Betroffene von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche höhere Anerkennungsleistungen ihres Leids beantragen als zuvor. Dies war laut Bischofskonferenz "bewusst in Ergänzung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten" eingeführt worden. Viele Fälle von sexuellem Missbrauch waren zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt und konnten gerichtlich nicht mehr eingeklagt werden.
"Anders als vor staatlichen Gerichten müssen Betroffene keinerlei Beweise, weder für den sexuellen Missbrauch noch für seine Folgen, erbringen. Es genügt, dass die Schilderung der Betroffenen plausibel ist", schreibt die Deutsche Bischofskonferenz. Maximal 50.000 Euro zahlt die katholische Kirche im Regelfall an Missbrauchsopfer. Der Mindestbetrag liegt bei 1.000 Euro.
Anerkennungsleistung liegt im Schnitt bei 5.000 Euro
Die letzten aktuellen Zahlen, wie viel die bayerischen Bistümern bereits an Anerkennungsleistungen gezahlt haben, stammen aus dem Sommer 2022. Demnach haben die bayerischen Bistümer seit 2010 knapp 16 Millionen Euro an Opfer von körperlichem und sexuellen Missbrauch gezahlt. Besonders hoch ist die Summe der Anerkennungsleistungen im Bistum Regensburg mit über 10 Millionen Euro. Eine Mehrheit der Betroffenen dort sind ehemalige Domspatzen.
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