Im Streit um Europas Flüchtlingspolitik hat Bundeskanzlerin Merkel ihrem österreichischen Kollegen Kurz widersprochen. Kurz hatte im Beisein des deutschen Innenministers Seehofer eine "Achse der Willigen" gefordert und meinte damit eine enge Zusammenarbeit von Österreich, Italien und Deutschland im Kampf gegen illegale Einwanderung.
Merkel: "Achse der Willigen" reicht nicht
Beim zehnten Integrationsgipfel im Kanzleramt betonte Merkel dagegen, ihr gehe es "um eine gesamteuropäische Lösung": Notwendig seien dafür viel mehr solcher Kooperationen, "wenn wir zu einer gemeinsamen europäischen Antwort auf die Fragen der illegalen Migration, aber auch Fragen der legalen Migration kommen wollen". Es müssten Formen der Zusammenarbeit mit den Ländern gefunden werden, in denen besonders viele Flüchtlinge ankämen. Als Beispiele nannte Merkel Italien, Griechenland und Spanien.
Den Begriff "Heimat" will die Kanzlerin nicht als ausgrenzend verstanden wissen. Merkel sagte, sie wolle widersprechen, wenn der Eindruck erweckt werde, dass Heimat ein Ausgrenzungsinstrument sei. "Das ist es ausdrücklich nicht." So habe das von Horst Seehofer (CSU) geführte Heimatministerium auch die Aufgabe, sich nicht nur mit "starren Dingen" wie dem Bauen oder der Zahl der Wohnungen zu befassen, sondern auch mit der Frage: "Was hält uns zusammen?"
Heimatminister Seehofer nahm nicht am Integrationsgipfel teil
Horst Seehofer hatte seine Teilnahme abgesagt. Als Grund nannte er die Teilnahme der türkischstämmigen Journalistin Ferda Ataman, die in einem Zeitungsartikel geschrieben hatte, "Politiker, die derzeit über Heimat reden, suchen in der Regel eine Antwort auf die grassierende 'Fremdenangst'." Das sei brandgefährlich, heißt es in dem Text weiter. "Denn in diesem Kontext kann Heimat nur bedeuten, dass es um Blut und Boden geht."
Seehofer als Minister für Inneres und Heimat fühlte seine Politik dadurch mit dem Heimatbegriff der Nationalsozialisten in Verbindung gebracht, wie er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte. Er wolle aber noch in dieser Woche mit Angela Merkel sprechen und sich gemeinsam "intensiv bemühen", zu einer guten Lösung für alle zu kommen, erklärte er.
"Aktionsplan Integration"
Kurz vor Beginn des Integrationsgipfels hatte Merkel die "Grundlagen des Zusammenlebens" in Deutschland betont. Dazu gehöre an zentrale Stelle der in Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschriebene Grundsatz "Die Würde des Menschen ist unantastbar", sagte Merkel. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus dürften in der deutschen Gesellschaft keinen Platz haben. "Leider sind sie Realität", fügte Merkel hinzu. "Damit müssen wir uns gemeinsam auseinandersetzen." Die Kanzlerin nannte zudem die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie die gleichen Chancen bei Bildung und sozialem Aufstieg als Grundlagen des Zusammenlebens.
Ein "Aktionsplan Integration" soll künftig bei der Eingliederung helfen. Es gehe dabei nicht nur um die Integration von Geflüchteten, sondern um das Zusammenleben aller Menschen im Land. Der Vorgängerplan stammt aus dem Jahr 2012 und soll nun aktualisiert werden.
"Wir wollen ein weltoffenes und ein vielfältiges Deutschland sein." Angela Merkel
Krisentreffen noch am Abend
Ihre Differenzen zur Flüchtlingspolitik, speziell zur Zurückweisung von bereits in einem anderen Land registrierten Flüchtlingen an der Grenze, wollen CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer noch am Mittwochabend bei einem Krisentreffen beizulegen versuchen. An dem Treffen würden auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) teilnehmen, war aus Unionskreisen zu vernehmen.