Schadstofffreie und wiederverwertbare Boxen als Teil des Mehrweg-Pfandsystems reCIRCLE
Bildrechte: picture alliance / Franziska Kraufmann/dpa | Franziska Kraufmann

Schadstofffreie und wiederverwertbare Boxen als Teil des Mehrweg-Pfandsystems reCIRCLE

  • Artikel mit Audio-Inhalten

Mehrweg bei "To-Go": Kunden können sich entscheiden

Ab Januar müssen Cafés, Restaurants und Bistros auch Mehrweg-Verpackungen für den Außer-Haus-Verkauf anbieten. Kunden haben damit eine Alternative zu Einweg-Plastik. Allerdings gibt es Ausnahmen.

Mittagszeit im Gasthaus Huberwirt in Wiedenzhausen, einem Ortsteil von Sulzemoos im Landkreis Dachau – das Geschäft brummt. Sowohl im Wirtshaus als auch in der Metzgerei nebenan. Das Angebot ist über den Landkreis hinaus bekannt und beliebt. Viele nehmen ihren Salat oder den Schweinebraten auch mit. In Mehrwegbehältern, die Gastwirt und Metzger Werner Braun bereits seit einiger Zeit anbietet: "Ja, es wird gut angenommen. Also die Kunden, würde ich sagen, haben auf eine Lösung gewartet."

Mehrweg keine Pflicht für Kunden, sondern ein Angebot

Die Lösung für zu viel Einweg-Verpackungsmüll in den Innenstädten? Für überquellende Mülleimer und Plastikbehälter in der Umwelt? Dass die Gastronomie beim Verkauf außer Haus ab 1. Januar 2023 auch Mehrwegbehältnisse und -becher anbieten muss, ist ein erster Schritt. "Es ist ja keine Mehrwegpflicht, es ist eine Mehrweg-Angebotspflicht, also man muss einfach eine Mehrweg-Alternative anbieten", betont Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Bayern den feinen Unterschied, "und von daher braucht man auch keine Panik zu machen, sondern kann das relativ gelassen, gut aufgestellt mit den richtigen Partnern umsetzen".

  • Zum Artikel: Viel Neues aus der EU: Das ändert sich 2023 für Verbraucher

Gemeinsame Suche nach dem passenden Mehrweg-System

Die Kommunen und Landkreise hatten – gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden, den Innungen und der Gastronomie – gut eineinhalb Jahre Zeit, sich auf die Angebotspflicht vorzubereiten. So wie im Dachauer Land hat man auch in vielen anderen bayerischen Regionen Arbeitskreise gebildet. Schließlich sollte es am Ende nicht zu viele unterschiedliche Systeme geben. "Wir haben eine Umfrage gemacht, bei den Unternehmen hier im Landkreis, welche Art System sie bevorzugen würden", sagt Johann Liebl von der Wirtschaftsförderung des Landratsamts Dachau, "und sie haben sich damals entschieden, dass sie eine Art Pfandsystem wollen. Und entsprechend haben wir dann eine Marktsondierung vorgenommen."

Nicht alles, was derzeit auf dem Mehrwegmarkt zu haben ist, erfüllt auch die Bedürfnisse der unterschiedlichen Betriebe. Gastwirt Werner Braun, der für die Metzgerinnung mit im Dachauer Arbeitskreis saß, bringt die Resultate auf den ganz praktischen Punkt: "Wir haben uns für das System 'Vytal' entschieden, weil es die einzige Firma war, die eine geteilte Box gehabt hat. Weil bei uns natürlich die Essen abgeholt werden und eine Beilage dabei ist. Das war für uns das schlüssigste Konzept. Unsere Landkreis-Bäcker haben sich für 'Recup' entschieden, weil es denen hauptsächlich um den Tauschbecher bei Coffee-To-Go geht. Das hat bei uns im Gasthaus keine große Rolle gespielt."

Auswahl an Mehrweg-Konzepten

In den letzten Jahren sind in Deutschland viele junge Unternehmen mit Mehrwegkonzepten an den Start gegangen. "Recircl" in Stuttgart, "Vytal" in Köln, "Relevo" im oberbayerischen Gröbenzell oder auch "Recup/Rewbowl", ein Start-up aus München. Auch wenn es im Detail und im Angebot Unterschiede gibt, funktionieren die Systeme ähnlich. Die Mehrwegverpackungen werden der Gastronomie sozusagen zur Verfügung gestellt, gegen eine Gebühr.

Die Mehrwegschalen, -schüsseln oder -becher können dann – üblicherweise – bei einem anderen teilnehmenden Partner auch wieder zurückgegeben werden. Entweder zahlen die Kunden das Pfand für die Mehrwegverpackung beim Kauf ihres Essens, oder sie "leihen" die Schüssel über eine App aus und müssen gar nichts zahlen, wenn sie sie innerhalb einer bestimmten Frist wieder zurückgeben.

Schub für viele Start-ups

Die Angebotspflicht wirkte in den letzten zwölf Monaten wie ein Katalysator in der Branche. Bei Platzhirsch "Recup/Rewbowl" aus München sind mittlerweile auch Konzerne wie der Möbelgigant Ikea oder die Fastfoodkette Burger King Partner. "Wir merken auf jeden Fall einen starken Zuwachs. Seit Oktober zieht der Markt ordentlich an. Immer mehr Betriebe entscheiden sich für uns und Oktober/November waren mit die stärksten Monate, seitdem wir gestartet sind", sagt Simona Dunsche von "Recup".

Jetzt geht es für viele Mehrweganbieter vor allem darum, das Angebot zu erweitern, zugeschnitten auf die jeweiligen Bedürfnisse der Kunden. "Für manche Produkte, wie zum Beispiel Kuchen, Torten etc., da bedarf es einfach noch der Entwicklung von Behältnissen, die unseren Ansprüchen genügen würden", sagt beispielsweise Claudia Krüger-Köck, Geschäftsführerin der Bäckerinnung München und Landsberg.

Problematisch: Es gibt Ausnahmen

Zwei Punkte sind bei der Angebotspflicht wichtig: Wiederverwendbare Verpackungen dürfen nicht teurer sein, und es muss immer dann eine Alternative zu Einweg angeboten werden, wenn Plastik im Spiel ist. Heißt: Sie gilt auch für Papierverpackung mit einer dünnen Kunststoffbeschichtung. Aber eben nicht für Pizzakartons. Ein wesentlich problematischerer Punkt ist die Regelung, dass zugelieferte Produkte – wie beispielsweise ein Obstsalat im Plastikbecher – von der Angebotspflicht ausgenommen sind. Nur für Produkte, die in den Cafés, Bistros oder Bäckereien selbst abgefüllt werden, muss auch eine Mehrwegalternative angeboten werden.

Um kleine Betriebe mit weniger als 80 Quadratmetern Verkaufsfläche und nicht mehr als fünf Angestellten zu entlasten, sind diese bei der Novellierung des Verpackungsgesetzes im Mai 2021 ausgenommen worden. Sie müssen es den Kunden aber ermöglichen, mitgebrachte Behältnisse befüllen zu lassen. "Das ist so eine Zweiklassengesellschaft", schimpft Metzgermeister Werner Braun, "der eine muss es machen, der andere nicht, nur weil er einen Quadratmeter weniger hat."

Kosten für Verpackungen sinken

Für den Verbraucher ist im Alltag nur schwer zu durchschauen, wer jetzt Mehrweg anbieten muss, und wer nicht. Denn für kleine Filialen von Ketten, etwa bei Bäckereien, gelten die Ausnahmen nicht. Außerdem, sagt Thomas Geppert vom Dehoga Bayern, "wissen wir alle, dass ja gerade die kleinen Imbisse und viele kleinere Betriebe am meisten To-Go haben und produzieren. Wir hätten da gar keine Ausnahme gemacht."

Natürlich müssen die Gastronomiebetriebe die Mehrwegverpackungen auch lagern und die Organisation stemmen. Allerdings, sagt Gastwirt Werner Braun, ist es unterm Strich sogar günstiger: "Mein Hauptbeweggrund war ja auch, dass ich dann kein Verpackungsmaterial mehr kaufen muss. Also das ist ein wirtschaftlicher Faktor. Ich habe mir das durchgerechnet und du kommst eigentlich kostenneutral raus."

Supermärkte mit einbeziehen?

Es ist zwar wichtig, auch Fast-Food-Ketten und Veranstalter zur Abgabe von Mehrwegverpackungen zu verpflichten, allerdings dürfte das kaum reichen, um die Flut von Verpackungsmüll, gerade in den Innenstädten, einigermaßen einzudämmen. Im Bundesumweltministerium (BMUV) gibt es aber bereits Überlegungen, die Angebotspflicht in einem zweiten Schritt auch auszuweiten, oder eine Mindestquote für Getränke in Mehrwegflaschen in Supermärkten einzuführen.

Hier sieht auch Thomas Geppert vom Dehoga Bayern noch Potenzial, nämlich zentrale Abgabestationen für etablierte Mehrwegsysteme: "Jeder muss mal tanken, jeder muss mal einkaufen. Und wenn er dann praktisch sein Mehrweggeschirr nehmen und beim nächsten Einkauf mit abgeben könnte, ich glaube, dann hätten wir wirklich diesen Kreislauf, der funktioniert."

Abgabe soll Einwegplastik künftig unattraktiver machen

Von einer Einwegsteuer keim Kauf, wie von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gefordert, hält man im Bundesumweltministerium nicht viel. Besser sollten doch gleich die Hersteller solcher Einwegverpackungen zur Kasse gebeten werden: "Die Abgabe, die wir planen, macht die Herstellung von Einwegplastik teurer und damit unattraktiv für gewinnorientierte Unternehmen", sagt Christopher Stolzenberg, Sprecher des BMUV in Berlin, "was nicht oder zumindest wesentlich weniger auf den Markt kommt, kann in der Konsequenz von Verbrauchern auch nicht achtlos in die Umwelt geworfen werden".

Der Ball liegt beim Kunden

Die Kommunen haben zwar angekündigt, zu kontrollieren, ob die Angebotspflicht auch umgesetzt wird, eine "Mehrwegpolizei" soll es aber nicht geben. Besonders innovativ ist der Landkreis Dachau. Hier gibt es eine Mehrweg-Landkarte, erklärt Johann Liebl von der Wirtschaftsförderung, "um einerseits den anderen Betrieben zu zeigen, 'Hallo, hier machen schon welche mit', aber auch, um den Kunden der Gastronomie zu zeigen, 'Hier hast du die Möglichkeit, das System anzunehmen', um Transparenz im Landkreis zu schaffen".

Am Ende sollen sich also die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Theke und am Verkaufstresen für Mehrweg entscheiden. "Wir haben Rückmeldungen, dass ungefähr 25 bis 30 Prozent der Kunden direkt auf das Mehrwegangebot zugehen würden", sagt Thomas Geppert vom Dehoga Bayern. Viele Kunden dürften gar nicht wissen, dass sich zum 1. Januar 2023 etwas ändert. "Also wir empfehlen natürlich die Plakatierung. Die ist ja auch gesetzlich vorgeschrieben", sagt Claudia Krüger-Köck von der Bäckerinnung München und Landsberg. Ob sich die Verbraucher beim Mittagssnack eher für die Bequemlichkeit oder die Umwelt entscheiden, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!