Die Ankündigung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), noch im ersten Halbjahr eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich einzureichen, trifft bei den Parteien der Ampel-Koalition auf scharfe Kritik. Von "Pöbeln", "Remmidemmi" und Schizophrenie ist in Reaktionen aus Berlin und München die Rede.
"Reine Wahlkampf-Folklore"
"Das Pöbeln gegen den Länderfinanzausgleich" sei "reine Wahlkampf-Folklore" von Söder, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi, der Zeitung "Welt". Schrodi verwies darauf, dass Söder den Länderfinanzausgleich "vor der letzten bayerischen Landtagswahl federführend verhandelt und als großen Wurf bezeichnet" habe. Jetzt, da wieder Wahlen anstünden, drohe der Ministerpräsident mit einer Klage.
SPD: Söder betreibe "Remmidemmi"
Der bayerische SPD-Vorsitzende Florian von Brunn erklärte auf Twitter, "Söders letzter Feldzug gegen den Länderfinanzausgleich" mit einer zurückgezogenen Klage im Jahr 2017 habe die Defekte des Ausgleichssystems "teilweise noch verstärkt". Bayerns Ministerpräsident hätte "konstruktive Gespräche" suchen sollen, statt "Remmidemmi zu betreiben".
Von Brunns Vorgänger als SPD-Fraktionschef im Landtag, Markus Rinderspacher, twitterte, wenn Söder gegen den Finanzausgleich klage, verklage er sich selbst, da er das bestehende Ausgleichsmodell selbst als bayerischer Finanzminister mit ausgehandelt habe.
FDP: "Sehr begrenzter Horizont"
Auch der FDP-Bundestagsfraktionsvize Christoph Meyer verwies darauf, dass der Finanzausgleich mit Stimmen der CSU verabschiedet worden sei. "Es zeigt sich einmal mehr, dass die CSU auch in zentralen Fragen einen sehr begrenzten, fast schizophrenen Horizont hat", sagte Meyer.
Bayerns FDP-Chef Martin Hagen erinnerte ebenfalls daran, dass Söder "federführend bei der Verhandlung des Länderfinanzausgleichs" gewesen sei - im Ergebnis zahle der Freistaat heute mehr ein als zuvor. Die CSU habe hier "versagt".
Grüne: "Übertriebene Selbstbezogenheit" bei Söder
Die Grünen-Finanzpolitikerin Katharina Beck warf dem CSU-Vorsitzenden "übertriebene Selbstbezogenheit" vor. "Durch diese Krise kommen wir nur gemeinsam", erklärte die Bundestagsabgeordnete. Alle Länder profitierten auf ihre Weise von dem Bündnis mit den anderen: "Bayern beispielsweise durch bundeseinheitliche Strompreise, die die verfehlte Energiepolitik der CSU ausgleichen".
Linke: Bayerns Finanzkraft weiter über dem Schnitt
Auch bei Linken und AfD stoßen Söders Klage-Pläne auf kein Verständnis. Der finanzpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Christian Görke, sagte der "Welt": "Auch nach der letzten Änderung des Länderfinanzausgleichs bleibt die Finanzkraft Bayerns bei 108 Prozent, also acht Prozent über dem Länder-Durchschnittswert."
Der frühere Finanzminister von Brandenburg fügte hinzu: "Wer das in der politischen Debatte verschweigt oder verändern will, ist nicht nur unredlich und unsolidarisch, sondern legt die Axt an die Angleichung der Lebensbedingungen in den ostdeutschen Ländern an."
AFD: Söder ist "Vollpopulist"
Der stellvertretende Bundessprecher der AfD, Peter Boehringer, attestierte Söder, es sei "schön, dass er just im bayerischen Wahljahr 2023 sein Klageinteresse entdeckt". Der CSU-Chef solle lieber gegen die "faktische Haftungs- und Transfergemeinschaft der EU" vorgehen: "In diesem "EU-'Länderfinanzausgleich' werden nicht 'nur' einstellige Milliardenbeträge innerhalb Deutschlands umverteilt, sondern jährlich dreistellige zu Lasten Deutschlands. Dies wäre seit über 15 Jahren ein viel lohnenderes Klagefeld für den Vollpopulisten Söder."
Söder: "Wir sind solidarisch, aber nicht naiv"
Söder hatte in der "Bild am Sonntag" angekündigt, Bayern werde noch im ersten Halbjahr "eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich einreichen", das Ausgleichssystem sei "einfach nur noch unfair und ungerecht". Der bayerische Ministerpräsident sprach von einer "Schmerzgrenze", die erreicht sei. Bayern zahle derzeit fast zehn Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich ein, und bestreite damit mehr als die Hälfte aller Einzahlungen.
Laut Söder bekam Bayern bis in die Achtzigerjahre insgesamt 3,4 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich, zahlte seitdem an andere Bundesländer aber insgesamt weit über 100 Milliarden Euro. Er betonte, Bayern wolle "den Länderfinanzausgleich nicht abschaffen, aber reformieren und die bayerischen Steuerzahler entlasten". Der Ministerpräsident fügte hinzu: "Wir sind solidarisch, aber nicht naiv."
Nicht die erste bayerische Klage
Bayern hatte bereits 1999 und 2013 gegen den Länderfinanzausgleich geklagt. Die Klage von 2013 wurde zusammen mit Hessen auf den Weg gebracht, 2017 wurde sie von den beiden Ländern nach Verhandlungen wieder zurückgezogen.
Mit Informationen von AFP und dpa
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