Als vier Telekommunikationskonzerne im Jahr 2019 Mobilfunk-Frequenzen für sechseinhalb Milliarden Euro ersteigerten, verpflichteten sie sich zu einem zügigen Netzausbau. Nun ist eine Frist abgelaufen - und: keine einzige Firma hat alle Auflagen erfüllt. Die Folge: Während man früher nach dem Wählen einer Telefonnummer oft den Satz "Kein Anschluss unter dieser Nummer" hörte, heißt es jetzt immer noch viel zu oft: Kein Empfang in dieser Gegend. Was tun?
50.000 Euro Strafe pro Funkloch stehen im Raum
Weil Initiativen wie die von Ex-Minister Andreas Scheuer 2018 ausgerufene große Funklöcherjagd zu wenig Verbesserung brachten, plant die Bundesnetzagentur - Aufsichtsbehörde der Telefonanbieter mit bisher langer Geduldsleitung - die säumigen Konzerne wegen Defiziten beim Handynetz-Ausbau zur Kasse zu bitten. "Die Bundesnetzagentur beabsichtigt zurzeit, ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro pro Standort zu verhängen", heißt es in einem Schreiben der Bonner Behörde an ihren Beirat. Darin ist auch von Zwangsgeldern mit weiteren finanziellen Folgen die Rede.
Das Netz ist dicht - jedenfalls im Prinzip ...
Die drei Marktführer Telefónica (O2), Vodafone und die Deutsche Telekom geben zu Protokoll, sie hätten zentrale Ausbaupflichten erfüllt - etwa, dass in jedem Bundesland in mindestens 98 Prozent der Haushalte eine Handyverbindung mit einem Download von 100 Megabit pro Sekunde möglich ist.
In sogenannten "Weißen Flecken" reißen hingegen alle drei die Messlatte. Dabei handelt es sich um Gegenden, wo kein Handynetz eine Übertragung von 100 Megabit pro Sekunde schafft. Statt zum 31. Dezember 2022 auf 167 eigene Standorte in so einer Gegend zu kommen, meldete Vodafone nur 86, Telefónica 61. Bei der Telekom sind es gerade mal 38.
Schlusslicht 1&1
Die krasseste Verfehlung der Ausbaupflichten leistete sich indes keiner der drei etablierten Netzbetreiber, sondern Neueinsteiger 1&1. Diese Firma hatte 2019 erstmals Frequenzen ersteigert und baut gerade ihr erstes eigenes Handynetz auf - bisher verkauft 1&1 Handyverträge, bei denen die Kunden vor allem mit dem O2-Netz verbunden sind. Dafür zahlt 1&1 Miete an O2. Der Konzern aus Montabaur hätte zum Jahreswechsel 1.000 5G-Stationen aktiviert haben müssen - tatsächlich waren es fünf. Sollte 1&1 sanktioniert werden, könnte das teuer werden.
Was die Konzerne erwidern
Ein Sprecher der Telekom verteidigt sich, es seien 14 weitere Standorte im Bau. Außerdem gebe es an den übrigen noch fehlenden 115 Standorten "zu einem großen Teil keine Funklöcher", sondern eine "Grundversorgung": Das Handy bekommt also Breitband-Empfang, nur die vorgeschriebene Mindestübertragung von 100 Megabit pro Sekunde fehlt.
Außerdem verweisen die Firmen darauf, dass sie eine staatliche Liste mit den betroffenen Gegenden zu spät bekommen hätten und dass der Ausbau mancherorts schlicht nicht möglich sei - etwa wenn partout kein Grundstückseigentümer bereit ist, ein Stück Land für einen Funkmast zu vermieten. In Naturschutzgebieten ist die Errichtung solcher Masten ebenfalls schwierig.
Geht nicht - gibt's auch
Die Bundesnetzagentur wiederum hält fest, sie verlange nichts Unmögliches; wo es aus "rechtlichen und tatsächlichen" Gründen nicht machbar sei, Antennen aufzustellen, werte man dies nicht als Verfehlung. Weshalb unklar ist, wie groß die Lücke zu der Pflichtvorgabe von 167 tatsächlich ist.
Macht die Behörde ernst?
Dass die Bundesnetzagentur überhaupt Buß- oder Zwangsgelder verhängt, steht noch nicht fest. Nach der Frequenzauktion 2015 etwa hielt ebenfalls kein einziger Netzbetreiber alle Verpflichtungen ein - besonders Telefónica (O2) offenbarte damals gravierende Defizite. Am Ende drückte die Regulierungsbehörde beide Augen zu. Auch diesmal heißt es in einem Schreiben an den Beirat, vor Verhängung von Sanktionen fände "eine Gesamtbetrachtung statt, bei der der jeweilige Einzelfall zu beurteilen ist."
Entspannt zurücklehnen sollten sich die Telekommunikationsanbieter im Funkloch allerdings nicht. Denn an der Spitze der Regulierungsbehörde sitzt inzwischen Klaus Müller, der vorher den Bundesverband der Verbraucherzentralen geleitet hat. Müller ist bekannt dafür, dass er Verbraucherschutzbelange stärker im Blick hat als seine Vorgänger.
Mit Material der dpa
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