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Parteizentrale der Linken im Karl-Liebknecht-Haus

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Linke streitet über Antisemitismus und Zensur

In Berlin will die Linkspartei heute für Meinungsfreiheit demonstrieren. Doch es ist möglich, dass dabei Linke gegen Linke auf der Straße stehen. Denn die Partei streitet über Antisemitismus, Zensur und Verschwörungstheorien. Von Anita Fünffinger

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Ein Preis für einen Journalisten, verliehen von einem Internetblog, dazu spielt eine Band, das Ganze in einem sehr bekannten Kino in Berlin. So weit, so unspektakulär. Aber: Der Journalist heißt Ken Jebsen.

Für Viele ist er ein Antisemit, für Wenige nur ein Israelkritiker. In seinem YouTube Kanal KenFM spricht er Israel zumindest die Demokratie ab:

"Von daher kann man Israel teilweise mit dem Apartheidsstaat Südafrika vergleichen. Aber nur teilweise. Weil die weißen Südafrikaner haben die schwarzen Südafrikaner zumindest so behandelt, dass die noch als Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Bei den Israelis und den Palästinensern ist das anders: die Palästinenser sollen nicht für die Israelis arbeiten, die Palästinenser sollen weg. Die Israelis wollen die einfach nur loswerden!" Ken Jebsen, Autor und Journalist

Shitstorm für den Veranstaltungsgegner

Wegen solcher und anderer Aussagen - etwa, dass Angela Merkel nur eine Schauspielerin in einer angeblichen Demokratie sei - soll Jebsen der "Kölner Karlspreis für Engagierte Literatur und Publizistik" verliehen werden. Gestiftet vom Internetblog Neue Rheinische Zeitung, dessen Artikel vorwiegend von rechten Gruppen geteilt werden.

Bei der Preisverleihung heute Abend soll der Musiker Gilad Atzmon auftreten. Seine Fans nennen ihn Palästina-Aktivisten, die stellvertretende Linken-Vorsitzende Caren Lay einen Holocaust-Leugner.

Diese ganze Mischung wollte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer nicht im Kino Babylon sehen. Das Kino am Rosa-Luxemburg-Platz wird aus Mitteln des Senats mitfinanziert, deswegen sorgte der Linken-Politiker dafür, dass der Mietvertrag für die Veranstaltung gekündigt wird.

"Klaus Lederer hat einen regelrechten Shitstorm erhalten, wo er bedroht wurde, wo er auf übelste Weise beschimpft wurde. Das Ganze noch unter der Überschrift zu machen 'Für die Meinungsfreiheit', finde ich schon perfide." Caren Lay, Stellvertretende Parteivorsitzende, Die Linke

Vorwurf der Zensur gegen Vorwurf des Antisemitismus

Caren Lay kann es immer noch nicht fassen. Denn niemand anders als eigene Parteikollegen riefen nach Lederers Intervention: Zensur! Empört Euch!

Und sie riefen zu einer Demonstration auf dem Rosa-Luxemburg-Platz auf - die Parteizentrale der Linken ist in Sichtweite. Auf Flyern las man die Namen von Wolfgang Gehrke, ehemaliger Bundestagsabgeordneter, und Diether Dehm, immer noch Mitglied des Bundestags.

Caren Lay reichte es. Sie forderte Anfang Dezember vom Parteivorstand einen Beschluss mit folgendem Inhalt:

"Die Linke distanziert sich unmissverständlich von Aktivitäten von Rechtspopulisten, Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Antisemiten. Der Parteivorstand erklärt sich solidarisch mit Klaus Lederer und seinem Recht, sich kritisch zur sogenannten Preisverleihung an Ken Jebsen im Berliner Kino Babylon zu äußern. Der Parteivorstand erwartet, dass Mitglieder der Linken diese Kundgebung nicht unterstützen und sich daran nicht beteiligen." Beschluss des Vorstands der Partei Die Linke

Antisemitismus-Vorwurf in der Partei nicht neu

Wie steht die Linke zu Israel? Als Staatspräsident Schimon Peres 2010 am Holocaust-Gedenktag im Bundestag sprach, erhoben sich die Parlamentarier. Einige Linke wie Sahra Wagenknecht blieben sitzen. Die frühere Bundestagsabgeordnete Inge Höger ließ sich bei einer Veranstaltung 2011 einen Schal mit einer Landkarte des Nahen Ostens umhängen, Israel war nicht darauf.

Und nun im Vorstand? Der Antrag bekam fünf Enthaltungen und sieben Gegenstimmen. Und im fernen Saarland schrieb der ehemalige Parteichef Oskar Lafontaine bei Facebook unter anderem:

"Begriffe wie 'Verschwörungstheoretiker' stammen aus dem Arsenal der Geheimdienste. Die Ausgrenzung missliebiger Meinungen hat in der Linken eine ungute Tradition." Oskar Lafontaine, Die Linke, auf seiner Facebookseite

Linke demonstrieren gegen Linke

So sieht das auch Diether Dehm. Der Vertraute von Lafontaine sagt zwar mittlerweile, dass er seinen Namen für den Flyer nie autorisiert habe. Er sagt aber auch, er behalte es sich vor, ob er an der Demonstration teilnimmt.

"Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Das übersteigt wirklich meine Vorstellungskraft, dass Mitglieder der Linken eine Demonstration vor der Linken-Parteizentrale machen. Das wäre für mich wirklich völlig inakzeptabel." Caren Lay, Stellvertretende Vorsitzende Die Linke

Caren Lay war die einzige der angefragten Linken-Politiker, die öffentlich reden wollte. Die Preisverleihung im Kino Babylon findet übrigens statt. Laut Amtsgericht Berlin-Mitte war die Kündigung des Mietvertrags rechtswidrig.