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Lidl-Schild und Eigenmarke "Eridanous"

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Lidl erntet Shitstorm für retuschierte Joghurt-Packungen

Der Discounter Lidl hat auf Produktverpackungen Kirchenkreuze retuschiert. Auf der Eigenmarke "Eridanous" sind die Kirchenkuppeln der griechischen Urlaubsinsel Santorin zu sehen – allerdings ohne ihr Kreuz. Ein Aufschrei folgte. Von Julia Kammler

Unterwegs in Supermärkten: bayerische Spezialitäten mit Dorfidylle inklusive katholischer Kirche auf dem Etikett, Couscous mit arabischem Stadtpanorama plus Minarette und ein türkischer Tee mit Moschee. Und dann das: griechischer Käse in einer Verpackung mit blauer Kirchenkuppel – ohne Kreuz. Retuschiert. Eine Welle der Empörung ist die Folge. Von kultureller Selbstaufgabe und Unterwerfung ist die Rede. Zugleich leben wir in einer Gesellschaft, die Religionen zunehmend gleichgültig gegenübersteht – warum diese Aufregung? Soziologe Armin Nassehi versucht es zu erklären.

"Solche Diskussionen zeigen eigentlich, dass wir schon in einer Art Kulturkampf leben. Und der ist nicht einfach nur ein Kulturkampf zwischen christlichen und muslimischen Symbolen. Dass man überhaupt religiöse Symbole so stark macht, kann offenbar unsere Kultur, die mit vielen Unterschieden gerne umgehen möchte, nicht mehr umgehen. Es ist sehr merkwürdig, dass man mitten in Europa versucht, ein christliches Symbol zu vermeiden." Der Soziologe Nassehi

Der Fall des unsichtbaren Kreuzes auf der Zugspitze

Merkwürdig, aber kein Einzelfall: Eine Broschüre für arabische Touristen sorgte 2012 für Aufregung: Die Zugspitzbahn hat das Gipfelkreuz auf Deutschlands höchstem Berg zwar nicht retuschiert, aber den Gipfel extra so fotografieren lassen, dass das Kreuz nicht zu sehen war.

Der Kommentar von Münchens Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler damals: "Dümmer geht's nimmer!" Gegenüber dem rief sie sogar zum Boykott auf.

"Das ist eine bewusste Eliminierung des Kreuzes, der christlichen Symbolik." Münchens Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler

"Unüberlegt, Unfug und dumm"

Von einem vorauseilenden Gehorsam, der nicht nötig wäre, spricht der

"Ich kenne keine Muslime, die verlangen würden, dass man Kreuze nicht zeigt. Das Wegmachen von Kreuzen ist genauso wie das Geschwätz von einem Laternenfest statt Sankt Martin einfach nur unüberlegt, Unfug und dumm." Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

Lidl: Unterstützung der religiösen Vielfalt

Lidl erklärte in einer ersten Stellungnahme, man unterstütze die religiöse Vielfalt durch Vermeidung religiöser Symbole.

"Das ist unter Marketing-Gesichtspunkten vielleicht ein kluger Satz. Aber wahrscheinlich hat man vorher gedacht: Am besten ist es, wenn wir gar nicht erst in solche Diskussionen reinkommen. Wir nehmen das Kreuz weg, und schon ist es dumm gelaufen. Unsere Kultur ist so auf Symmetrie bedacht – es scheint sowas wie eine Sensibilität oder Angst dazu sein, dass man das als Bekenntnis wahrnehmen könnte, und das ist schon eine schizophrene Situation." Armin Nassehi

Schizophren und gefährlich:

"Seht ihr, da haben wir es wieder: Es kommt zu einer Islamisierung der Gesellschaft oder wie auch immer – das ist natürlich klar, dass jeder, der so ein Ereignis sieht, auch sein Süppchen damit kochen kann. Ich würde sagen, dass solche Hypersensibilitäten dem Populismus oder Rechtspopulismus eher in die Hände spielen." Armin Nassehi

Zu beobachten ist das in den sozialen Netzwerken. Dort ist von Unterwerfung, Schwäche und Selbstaufgabe die Rede.

"Na, das Absurde an diesem Beispiel ist ja, dass ein Kreuz auf einer Schachtel für ein Lebensmittel ja gar kein Bekenntnis ist. Also wenn wir über ein Kreuz in einem Schulraum oder in einem öffentlich-rechtlichen Amt über der Tür reden, dann hat das ja noch einen Bekenntnischarakter. Dies ist eher etwas, das zur Möblierung der Welt gehört." Armin Nassehi

Lidl räumt Fehler ein

Der Konzern spricht mittlerweile von einem "Fehler". Das Unternehmen hat angekündigt, die Verpackungen der "Eridanous"-Produkte bis zu den nächsten griechischen Aktionswochen zu ändern.