Für die ukrainische Regierung ist die Sache eindeutig: Es spreche kein einziges "rationales Argument" dafür, Kiew die Lieferung westlicher Kampfpanzer zu verweigern. Das stellte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba vor Kurzem auf Twitter fest. Aus Deutschland kämen nur "abstrakte Ängste und Ausreden". Doch der Kanzler bleibt bei seiner Linie: Deutschland werde bei Waffenlieferungen keinen Alleingang wagen.
Waffenlieferungen: Scholz sieht Deutschland als Vorbild
Kritik an dieser Haltung kontert Olaf Scholz stets mit dem Hinweis darauf, dass Deutschland längst schwere Waffen an die Ukraine liefert. Bei der Bundeswehrtagung vergangene Woche vertrat der SPD-Politiker die Ansicht, die Bundesrepublik sei in dieser Sache ein Vorbild für andere Länder: Ohne die deutsche Entscheidung, schweres Gerät zu liefern, wären andere wohl nicht nachgezogen, so der Kanzler. Und: Das Ansehen Deutschlands sei dadurch "erheblich gewachsen".
CSU: Kanzler muss Worten Taten folgen lassen
Eine Einschätzung, die die Union so nicht stehen lassen will. Der Kanzler sei "ganz weit vorne, wenn es um Ankündigungen geht", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn im BR24-Interview. Wenn es aber um tatsächliche Lieferungen gehe, liege die Bundesrepublik weit hinten. Deswegen solle der Kanzler seinen Worten "endlich Taten folgen lassen", so der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion.
Ampel-Parteien bei Panzerlieferungen uneins
Natürlich weiß man in den Reihen von CDU und CSU, dass in dieser Frage ein Riss durch die Koalition geht. Teile von Grünen und FDP verlangen, Deutschland müsse mehr Waffen als bisher liefern. Allen voran die Abgeordneten Anton Hofreiter (Grüne) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sind dafür, der Ukraine Leopard-Kampfpanzer zu liefern.
Als Vorsitzende der Ausschüsse für EU-Angelegenheiten beziehungsweise Verteidigung haben sie stets gute Chancen, mit ihrer Position medial durchzudringen. So fällt es der Ampel zunehmend schwer, die koalitionsinternen Gegensätze in der Frage der Waffenlieferungen zu überbrücken.
Union will mit Antrag zu Waffenlieferungen Druck auf Ampel verstärken
Für die Opposition bietet sich mit der aktuellen Sitzungswoche eine Gelegenheit, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben. Die Unionsfraktion will einen Antrag im Parlament einbringen, der BR24 vorliegt. Darin heißt es mit Blick auf die jüngsten Geländegewinne der ukrainischen Armee, das "Momentum" liege aufseiten der Angegriffenen.
Damit sich die Ukraine erfolgreich verteidigen könne, müsse sie jedoch "umgehend substanziell […] ausgerüstet werden – auch mit schwerem, westlichem Gerät". Konkret sprechen sich CDU und CSU unter anderem dafür aus, möglichst schnell Kampf- und Schützenpanzer aus Industriebeständen an die Ukraine zu liefern – und mehr weitreichende Artillerie, auch aus Beständen der Bundeswehr.
Panzerhaubitze 2.000 gilt als "Favorit" in Kiew
Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass schwere Waffen aus westlichen Ländern einen Unterschied im Gefecht machen – zugunsten der Ukraine. Als Beispiel wird immer wieder die Panzerhaubitze 2.000 genannt, von denen Deutschland bisher zehn geliefert hat. Wie das Verteidigungsministerium heute ankündigte, wird die Bundesrepublik der Ukraine vier weitere dieser Artilleriegeschütze zur Verfügung stellen.
Unter den eingesetzten Waffensystemen sei sie zurzeit der "Favorit", sagte der Brigadegeneral Christian Freuding bereits in einem am Freitag veröffentlichten Bundeswehr-Video. Er betonte auch den Nutzen der gelieferten Mars-Raketenwerfer für die Ukraine: Diese könnten zielgenau eingesetzt werden, so der Leiter des Sonderstabs Ukraine im Verteidigungsministerium.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
Bei Waffenlieferungen auch eigene Einsatzbereitschaft ein Kriterium
Im Hinblick auf die Diskussion über eine Abgabe weiterer schwerer Waffen gab Freuding zu bedenken, dass es sich um "Manufakturstücke" handele. Es dauere deshalb zwischen drei und fünf Jahre, bis neu zu beschaffendes Material für die Ausbildung der Bundeswehr-Soldaten zur Verfügung stehe. Das entsprechende Gerät würde also einer ganzen "Ausbildungsgeneration" von Soldatinnen und Soldaten fehlen. Folglich ist bei jeder weiteren Lieferung abzuschätzen, ob eine Abgabe von Material Einsatzbereitschaft und Ausbildungsfähigkeit der Bundeswehr beeinträchtigt.
Eine schwierige Abwägung, die letztlich die Politik vornehmen muss. Das Gleiche gilt für die Frage, in welcher Form weitere Lieferungen denkbar sind.
Eine gemeinsame Panzerlieferung der Europäer als Ausweg?
Der Kanzler hat einem Alleingang Deutschlands wiederholt eine Absage erteilt und darauf verwiesen, dass bisher kein westliches Land der Ukraine Kampfpanzer zur Verfügung gestellt habe. Kategorisch ausgeschlossen hat er eine Lieferung solcher Panzer aber nicht. Damit hält sich Scholz diese Option zumindest offen. Nun hat der SPD-Außenpolitiker Michael Roth vor Kurzem vorgeschlagen, dass mehrere europäische Staaten gemeinsam Kampfpanzer in die Ukraine schicken. Nach seiner Schätzung verfügen 13 europäische Staaten zusammen über 2.000 Leopard-2-Panzer.
Ein gemeinsames Kontingent solcher Panzer, geliefert in enger Abstimmung unter den Verbündeten: Ein solches Szenario könnte den Weg aus der festgefahrenen Debatte weisen. Am Donnerstag will die Unionsfraktion ihren Antrag im Bundestag einbringen – und die Ampel zu einer klaren Positionierung zwingen. Dann könnte sich zeigen, wie viel Rückhalt ein gemeinsames europäisches Vorgehen im Parlament hätte.