Lebenslang, für Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Dieses Urteil gegen einen IS-Kämpfer hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt weitgehend bestätigt. Der Mann soll zwei jesidische Frauen schwer misshandelt haben.
Die Revision des 30-Jährigen gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 30. November 2021 wurde weitgehend verworfen. Das OLG habe dem heute 30-jährigen Taha A.-J. zu Recht vorgeworfen, dass er die religiöse Gruppe der Jesiden zerstören wollte und ein als Sklavin gehaltenes fünfjähriges Mädchen so misshandelte, dass es starb, entschieden die Karlsruher Richter. Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Täter heiratete IS-Anhängerin aus Niedersachsen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs betonte nun, die OLG-Feststellungen trügen die Wertung, "dass der Angeklagte in der Absicht, die religiöse Gruppe der Jesiden zu zerstören, vorsätzlich dem fünfjährigen Mädchen schwere körperliche Schäden und dessen Mutter schwere seelische Schäden zufügte".
Nach den Feststellungen des OLG hatte sich Taha A.-J. dem sogenannten "Islamischen Staat" (IS) angeschlossen. Seit März 2015 leitete er im syrischen Rakka ein IS-Büro. Im Juni hatte er die aus Niedersachsen stammende IS-Anhängerin Jennifer W. geheiratet.
Gericht: Vernichtungswille des Täters
Laut Gericht kaufte der Angeklagte im Juni 2015 die jesidische Frau namens Nora B. und deren kleine Tochter in Syrien als Sklavinnen und misshandelte sie auf seinem Anwesen im irakischen Falludscha. "Hiermit beabsichtigte er, im Sinne der IS-Ideologie zielgerichtet einen Beitrag dazu zu leisten, zur Errichtung eines islamischen Kalifats die jesidische Religion, das Jesidentum als solches und dessen - aus seiner Sicht wertlose - Angehörige zu vernichten", heißt es im Urteil des OLG. Die Jesidinnen waren ein Jahr zuvor in der irakischen Sindschar-Region zusammen mit Tausenden anderen ihrer Volksgruppe gefangen genommen worden.
Getötete Fünfjährige: Mutter erhält Schmerzensgeld
Taha A.-J. verbot der jesidischen Mutter und ihrer Tochter, das Anwesen in Rakka zu verlassen, gab ihnen zu wenig zum Essen, zwang sie zu islamischen Gebetsriten und misshandelte sie täglich. So fesselte er im August oder September 2015 das fünfjährige Mädchen in der Mittagszeit bei Temperaturen zwischen 38 und 51 Grad Celsius ohne Wasser und Nahrung mit den Händen in Kopfhöhe an ein Außengitter. So habe er das Mädchen wegen des Urinierens auf eine Matratze bestrafen wollen. Das Mädchen erlitt einen Hitzschlag und starb. Die Mutter überlebte. Sie trat als Nebenklägerin in dem Verfahren auf. Das OLG sprach ihr ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro zu.
Weitere Revision um Urteil gegen Mittäterin Jeniffer W.
Das OLG verurteilte den im Oktober 2019 nach Deutschland geflohenen Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Urteilsfeststellungen des Völkermordes in Tateinheit mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, Folter, Freiheitsentziehungen und der Zufügung schwerer körperlicher und seelischer Schäden gegenüber den zwei Jesidinnen weisen keine Rechtsfehler auf, befand der BGH. Lediglich die Verurteilung wegen Beihilfe zu dem Kriegsverbrechen sei nicht ausreichend begründet worden. Die lebenslange Haftstrafe habe dennoch Bestand.
Taha A.-J. hatte weitgehend gemeinsam mit seiner aus Deutschland stammenden früheren Ehefrau Jennifer W. gehandelt. Sie wurde vom OLG München zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das OLG hatte sie unter anderem wegen Völkermordes, Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung und Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge für schuldig befunden. Über die Revision der Angeklagten will der BGH am 26. Januar verhandeln.
Systematische Tötungen und Vergewaltigungen
Am 3. August 2014 hatte der IS Dörfer der Jesiden im Irak überfallen, Tausende Männer getötet und Frauen und Kinder verschleppt, unter anderem nach Syrien. Die Frauen und Mädchen wurden systematisch vergewaltigt.
Die Revision des Angeklagten hatte nur insoweit Erfolg, als der BGH den Schuldspruch geringfügig änderte. Die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe bleibt davon unberührt.
Kurden: Wegweisendes Urteil
Die Kurdische Gemeinde Deutschland hatte im November 2021 das Frankfurter Urteil als richtungsweisend bezeichnet. Es habe "weltweit zum ersten Mal den Völkermord an kurdischen Jesidinnen" bestraft.
Mit Informationen von epd, KNA und AFP.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!