Karl Lauterbach
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Karl Lauterbach erläuterte auf der Bundespressekonferenz am Dienstag seine Pläne für eine Krankenhausreform.

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Lauterbach verspricht "Revolution" für die Krankenhäuser

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant eine "Revolution" der Krankenhausfinanzierung. Die Kliniken sollen für bestimmte Leistungen mehr Geld erhalten, die Bedeutung der Fallpauschalen soll sinken. Massive Kritik kommt aus Bayern.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Mitglieder der von ihm im Mai eingesetzten "Regierungskommission Krankenhausversorgung" haben in Berlin ihre Vorschläge zur Reform der Krankenhausfinanzierung vorgestellt. Ziel ist dabei ein Zwei-Säulen-System der Klinik-Finanzierung, bei dem Vorhalteleistungen der Krankenhäuser eine größere Rolle spielen - also Geld, das sie zum Beispiel bekommen, weil sie bestimmte Technik bereithalten unabhängig davon, wie oft diese Technik zum Einsatz kommt.

Raus aus dem "Hamsterrad" der Fallpauschalen

Lauterbach erklärte, die Krankenhäuser hätten "gravierende Probleme". Hauptproblem sei, dass "fast alles über Fallpauschalen bezahlt wird" und "die Ökonomie" dominiere. Folge sei eine "Tendenz zu weniger Medizin", das bisherige System der Fallpauschalen setze den "Anreiz, immer mehr Fälle zu behandeln, die Krankenhäuser kommen in ein Hamsterrad, müssen so viel wie möglich und so billig wie möglich behandeln", sagte Lauterbach. Dieses Problem sei "nie angegangen worden". Bei Fallpauschalen bekommen Kliniken Geld für jeden "Fall", also jeden Patienten, den sie behandeln.

Das solle sich sich jetzt aber ändern, so Lauterbach: "Dieses System soll abgestellt werden." Die Regierungskommission habe Vorschläge erarbeitet, die einer "Revolution" im Krankenhausbereich gleichkämen und deren Umsetzung Schwerpunkt seiner Arbeit in den nächsten drei Jahren sein würden. Der Patient könne "sicher sein, dass er so behandelt wird, wie es medizinisch notwendig ist", dies sei eine "eine Revolution im Krankenhaussektor, eine Revolution, die wir unbedingt benötigen", so der Minister.

Vorhalteleistungen sollen größere Rolle spielen

Der stellvertretende Vorsitzende der Kommission schilderte die aktuelle Situation der Krankenhäuser mit dramatischen Worten. Die Krankenhausversorgung werde "kollabieren, wenn wir nicht intervenieren", die Ökonomisierung müsse beseitigt werden. Dazu müssten Vorhalteleistungen der Kliniken künftig übernommen werden. Im Gegenzug müssten die Fallpauschalen dafür abgesenkt werden.

Ziel sei ein Zwei-Säulen-System der Krankenhausfinanzierung aus einem Vorhaltebudget und abgesenkten Fallpauschalen. Diese Umstellung der Finanzierung, so die Kommission, solle im Lauf von fünf Jahren erfolgen. Die Kliniken müssten zudem genaue Vorgaben für das Personal und die Ausstattung erhalten, die sie vorzuhalten haben. Es solle nicht wie bisher "Qualität und nicht Quantität" gefördert werden.

"Die Medizin ist ins Hintertreffen geraten"

"Ganz ohne Ökonomie" werde es bei den Kliniken aber auch in Zukunft nicht gehen, so der Vertreter der Kommission. Nun sei aber der aller letzte Zeitpunkt, "das Steuer herumzureißen". In der Vergangenheit seien viele Fehler gemacht worden: "Wir sind zu sehr in die Menge gegangen, das Thema Medizin ist ins Hintertreffen geraten."

Kindermedizin als Schwerpunkt

Der Bundestag hatte am Freitag das von Lauterbach vorgelegte Gesetz zur Entlastung der Pflege in den Kliniken gebilligt. Der Minister hatte bereits bei dieser Gelegenheit sein Vorhaben bekräftigt, das System der Fallpauschalen zu überwinden. Es handele sich um ein System, "das billig und Menge betont, statt Qualität und Angemessenheit".

Das gelte insbesondere für die Kindermedizin. "Es darf nicht sein, dass auf dem Rücken von Kindern, Pflegern und Hebammen Gewinne gemacht werden", sagte der Minister. Deswegen werde die Kindermedizin zum großen Teil aus dem Fallpauschalensystem herausgenommen.

Ampel-Fraktionen zufrieden

Lob kam entsprechend von den Koalitonsfraktionen. "Finanzielle Anreize dürfen nicht leitend sein für die medizinische Versorgung, es braucht hier endlich wieder ein gesundes Gleichgewicht", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, der Deutschen Presse-Agentur. Dies sei "der Startschuss für eine überfällige, umfassende Reform". Es sei gut, die Bedeutung einer stärker an der Daseinsvorsorge orientieren Finanzierung wie bei der Feuerwehr oder der Polizei zu betonen.

SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt nannte die Kommissionsvorschläge "eine gute Grundlage" um die Versorgungsqualität vor Ort zu stärken und den ökonomischen Druck aus den Behandlungen zu nehmen. "Das heißt: Qualität rechnet sich wieder mehr." Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sagte, die Vorschläge gäben "gute Richtmarken". Bei den weiteren Beratungen wolle die FDP darauf achten, dass der Fokus nicht nur auf den Kliniken liege, sondern auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in diese essenzielle Reform eingebunden würden.

Holetschek: Pläne sind unzumutbar

Unzufriedene Töne kommen dagegen aus Bayern. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sprach von "unzumutbaren Planungen, die in die Krankenhausplanungskompetenz der Länder" eingriffen. Die Regierungskommission um Bundesgesundheitsminister Lauterbach würde "ein zentral gesteuertes, quasi-planwirtschaftliches und hochtheoretisches System vorschlagen", das sehr rasch zu einer massiven Konzentration der stationären Versorgungsangebote führen werde. Er warnte vor einem "Bürokratiemonster".

"Es ist zwar richtig und wichtig, dass das Fallpauschalen-System geändert wird. Wir brauchen wieder mehr Medizin und weniger Ökonomie", betonte Holetschek. Aber das Konzept berge die enorme Gefahr einer verheerenden Fehlsteuerung und der Zerstörung bedarfsnotwendiger Versorgungsstrukturen. Vielmehr brauche es eine "weitsichtige Reform" mit absehbaren Auswirkungen, die alle Verantwortlichen gemeinsam angehen könnten: Bund, Länder, Kommunen, Träger, Verbände. Holetschek warnte vor einem "Bürokratiemonster". Lauterbach habe die Länder gebeten, bis Anfang Januar Anregungen und Fragen vorzutragen. "Das werden wir machen, denn es sind viele Fragen offen", so Holetschek.

Mit Informationen der dpa

06.12.2022, Berlin: Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, kommt zur Pressekonferenz für die Vorstellung der Reformvorschläge für die Krankenhausversorgung. Zielsetzung ist u.a. ein grundlegender Umbau des Vergütungssystems, um Kliniken stärker von finanziellem Druck zu lösen.
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