Die Betreiber einer Plattform mit mehr als einer Million Fotos und Videos von schwerer sexueller Gewalt an Kindern sind in Frankfurt zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Ein 49-Jähriger aus Bayern wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt, ein 42-Jähriger aus Paderborn zu zehneinhalb Jahren. Beide sollen danach in Sicherungsverwahrung. Zwei weitere Angeklagte wurden zu acht beziehungsweise sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
"Das Darknet ist kein straffreier Raum"
Der Vorsitzende Richter am Landgericht Frankfurt, Christian Annen, machte deutlich: "Das Urteil zeigt, dass das Darknet kein straffreier Raum ist." Auch in der vermeintlichen Anonymität bleibe Kinderpornografie und ihre Verbreitung nicht ohne Konsequenzen. Die Plattform hatte mehr als 400.000 Benutzerkonten aus aller Welt.
Die Richter sprachen von "erheblicher krimineller Energie" der Angeklagten. Über Jahre hinweg und international seien auf der Plattform Dateien ausgetauscht worden. Sexueller Missbrauch habe immer psychische und physische Folgen für die Opfer, die in ihrem Ausmaß nicht vorhersehbar seien, sagte der Vorsitzende Richter.
Sicherungsverwahrung wegen hoher Rückfallgefahr
Den 49 und 42 Jahre alten Männern - zwei von insgesamt vier Angeklagten - war außer der Beteiligung an der Plattform auch schwerer sexueller Missbrauch an Kindern und Vergewaltigung vorgeworfen worden. Psychologische Gutachter hatten bei ihnen eine Persönlichkeitsstörung festgestellt und hohe Rückfallgefahr befürchtet - daher auch die Entscheidung, sie nach Verbüßung der Haft in Sicherungsverwahrung zu nehmen.
Ein 60-Jähriger, der in Paraguay festgenommen worden war, muss unter anderem wegen der Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Inhalte acht Jahre ins Gefängnis. Er soll die Plattform zusammen mit dem 49 Jahre alten Angeklagten und einem weiteren, bislang unbekannten Täter, aufgebaut und betrieben haben. Gegen einen 66-Jährigen aus Hamburg verhängten die Richter eine Strafe von sieben Jahren. Er galt als besonders aktiver Nutzer, laut Anklage soll er mehr als 3.600 Beiträge auf der Plattform verfasst haben.
Mehr als 400.000 Nutzerkonten
Die Staatsanwaltschaft hatte den Männern vorgeworfen, im Jahr 2019 die Plattform "Boystown" mit mehr als 400.000 Benutzerkonten aus aller Welt aufgebaut und betrieben zu haben. Als das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt die Plattform im April 2021 abschalteten, waren dort mehr als eine Million Forenbeiträge zu finden. Die Aufnahmen zeigten teils schwerste sexuelle Gewalt an Kindern.
Selbst einer der Angeklagten habe eingeräumt, dass die dargestellten Handlungen nicht einvernehmlich waren, so die Richter. Dennoch hätten die Männer die Plattform jahrelang weiterbetrieben und ihre Interessen über die der betroffenen Kinder und Jugendlichen gestellt. Die Verteidiger hatten demgegenüber jeweils geringere Haftstrafen gefordert - beziehungsweise sich für "angemessene" Strafen ausgesprochen.
Nebenkläger-Anwalt hofft auf "Signalwirkung"
Er hoffe, dass "von diesem Urteil eine Signalwirkung ausgeht, dass niemand wirklich sicher ist im Darknet", sagte der Rechtsanwalt Niklas Henke, der in dem Verfahren einen heute 23-Jährigen in der Nebenklage vertrat. Dennoch könne auch das Urteil das unendliche Leid der Opfer nicht wiedergutmachen: "Diese Taten wirken nach." Mit dem Urteil werde jedoch "auch den Opfern eine Stimme gegeben."
Ermittler arbeiten "mit Hochdruck" weiter
Die Anklagevertreter von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft machten derweil deutlich, dass ihre Arbeit mit dem Fall "Boystown" nicht vorbei sei. "Trotz des heutigen Urteils arbeiten wir mit Hochdruck weiter", sagte ZIT-Sprecher Benjamin Krause: "Denn es gelingt uns noch zu selten, die Betreiber und Mitglieder solcher auf maximale Anonymität ausgerichteten Plattformen zu identifizieren."
Mit Informationen von dpa
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