Die Aktionen der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" sorgen bereits seit längerem für Aufsehen. Nun haben Durchsuchungen in mehreren Bundesländern eine neue Debatte in Gang gebracht. Handelt es sich bei den Teilnehmern um eine kriminelle Vereinigung? Die Staatsanwaltschaft Neuruppin in Brandenburg ermittelt in diesem Zusammenhang nun gegen die Aktivisten. Aber was bedeutet der Vorwurf juristisch?
Was war der Grund für die Durchsuchungen?
Zurückzuführen sind die Durchsuchungen auf mehrere Aktionen der Gruppe "Letzte Generation" aus dem April und Mai 2022. Klimaaktivisten hatten mehrfach zumindest versucht, den Ölfluss des Brandenburgischen Raffineriebetriebs PCK Schwedt zu unterbrechen, indem sie Ventile zugedreht und sich an Anlagen der Raffinerie festgeklebt oder festgekettet hatten.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen dieser konkreten Taten gegen mehrere Personen wegen der Störung öffentlicher Betriebe, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Darüber hinaus steht der Verdacht der Gründung einer kriminellen Vereinigung in Raum. Beziehungsweise der Mitgliedschaft in einer solchen. Dabei geht es also nicht darum, wer welche Taten konkret begangen hat. Für die Strafbarkeit reicht die gemeinsame Gründung oder die Mitgliedschaft in der Vereinigung.
Wie ist eine kriminelle Vereinigung definiert?
Eine kriminelle Vereinigung liegt laut Gesetz (§ 129 Strafgesetzbuch) dann vor, wenn sich mindestens drei Personen für eine gewisse, längere Dauer zusammentun, um gemeinsam bestimmte Straftaten zu begehen. Der Zweck der Vereinigung muss also darauf gerichtet sein, Straftaten zu begehen. Und: Dieser Zweck darf nicht von untergeordneter Bedeutung sein.
Liegen die Voraussetzungen bei den Klimaaktivisten vor?
Ob es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handelt, steht mit den Durchsuchungen keinesfalls fest. Falls der Vorwurf irgendwann vor Gericht landen sollte, wird über den Zweck sicher intensiv diskutiert werden. Liegt der Zweck der "Letzten Generation" nicht eher darin, Aufmerksamkeit zu erregen und damit am Ende das Klima zu retten? Und sind die Straftaten dann vielleicht eher Mittel zum Zweck oder notwendiges Übel, am Ende also ein Zweck von untergeordneter Bedeutung?
Auf der anderen Seite ist den Klimaaktivisten durchaus bewusst, dass sie Straftaten begehen. Sie betonen auch immer wieder, damit weiterzumachen und sich von Strafen nicht abhalten zu lassen. Das könnte also durchaus auch Zweck der "Letzten Generation" sein. Auch wenn die Gruppe damit einen weitergehenden Zweck erreichen will. Um den Straftatbestand zu erfüllen, muss die Vereinigung darüber hinaus eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Auch über diesen Punkt kann man sicher diskutieren.
Was kann man aus den Durchsuchungen schließen?
Voraussetzung für eine Durchsuchung ist zunächst die Wahrscheinlichkeit, dass eine Straftat bereits begangen wurde. Davon geht die Staatsanwaltschaft hier aus. Durchsucht werden darf dann zum Beispiel, um bestimmte Beweismittel zu finden. Durchsuchungen müssen von einem Richter angeordnet werden, er prüft also, ob die Voraussetzungen zu dem Zeitpunkt vorliegen. Damit ist aber noch wenig darüber gesagt, ob die Straftaten wirklich vorliegen und welche Schuld die einzelnen Klimaaktivisten trifft. Das klärt sich erst nach einer möglichen Anklageerhebung in einem Gerichtsverfahren.
Warum wurde niemand festgenommen?
Festnahmen gab es bei den Durchsuchungen keine und das war auch eher fernliegend. Voraussetzung für eine Untersuchungshaft ist zum einen ein dringender Tatverdacht. Es muss also eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Beschuldigte in einem späteren Strafverfahren verurteilt wird.
Hinzukommen muss ein so genannter Haftgrund. Der liegt zum Beispiel vor, wenn bei den Beschuldigten eine Fluchtgefahr besteht. Die Taten, um die es hier geht, sollen bereits im April und Mai begangen worden sein. Schon das zeigt: Es scheint keine Bestrebungen gegeben zu haben, zu fliehen. Im Gegenteil hat die "Letzte Generation" heute angekündigt, sich von den Durchsuchungen nicht abhalten zu lassen.
Worin besteht der Unterschied zu einer terroristischen Vereinigung?
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der kriminellen Vereinigung und der terroristischen Vereinigung. Eine terroristische Vereinigung ist darauf ausgerichtet, bestimmte schwere Straftaten zu begehen, wie zum Beispiel Mord oder Totschlag. Bei anderen Straftaten müssen diese dazu bestimmt sein, die Bevölkerung erheblich einzuschüchtern oder die Grundstrukturen des Staates zu beeinträchtigen. Die terroristische Vereinigung steht hier nicht im Raum.

Zwei Klimaaktivisten überschütteten sich mit Tapetenkleister, da ein Festkleben auf der Fahrbahn wegen des Wetters nicht möglich war.
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