Baustellenschild vor dem Reichstag
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Symbolbild: Baustelle Bundesregierung

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"Komplett mutlos" bis "kluge Pläne": Echo auf Koalitionsvertrag

"Komplett mutlos" bis "kluge Pläne": Echo auf Koalitionsvertrag

Deutschland bekommt zum fünften Mal in seiner Geschichte eine Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD. Die neuen Partner zeigen sich zufrieden - die Opposition hat viel auszusetzen. Von Gewerkschaften und Umweltverbänden kommen Lob wie Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die fünfte Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD steht in den Startlöchern: Unter dem Druck einer neu entstehenden Weltunordnung, der drohenden Wirtschaftskrise und der weiterwachsenden AfD einigten sich die drei Parteien knapp sieben Wochen nach der Wahl auf einen Koalitionsvertrag.

Die Beteiligten zeigten sich heute zufrieden. Die Opposition blickt naturgemäß anders auf das 144-Seiten-Papier, das die Überschrift "Verantwortung für Deutschland" trägt.

AfD: "Kapitulationsurkunde von Friedrich Merz"

Fundamental fällt die Kritik der künftig größten Oppositionspartei aus. Von einer "Kapitulationsurkunde von Friedrich Merz" sprach AfD-Chefin Alice Weidel. Die Union feiere sich für Scheinerfolge und Formelkompromisse, die sich größtenteils auf Nebenschauplätze beschränkten; das Papier trage "durchgehend die Handschrift des Wahlverlierers SPD, gespickt mit Verbeugungen und Kotaus vor den Grünen."

Grüne: Keine Antwort auf aktuelle Krisen

Die Grünen freilich zeigen sich ebenfalls unzufrieden mit dem Koalitionsvertrag - wenn auch aus anderen Gründen. Parteichef Felix Banaszak sagte, auf keine der aktuellen Krisen hätten die Koalitionäre in spe "auch nur den Hauch einer Antwort". Co-Chefin Franziska Brantner attestierte Merz Feigheit vor US-Präsident Trump und forderte Antworten, "wie wir europäisch bei der Verteidigung vorankommen wollen, wie wir bei den Technologien an der Spitze dabei sein wollen, wie wir unseren Binnenmarkt stärken."

Linke vermisst Mut und Fantasie

Harsch fällt auch die Kritik der Linken aus. "Komplett mutlos, fantasielos und ohne sozialen Kompass präsentiert sich hier diese Koalition der Ignoranz und der Hoffnungslosigkeit", sagte Parteichefin Ines Schwerdtner.

Was die Gewerkschaften sagen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte, der Koalitionsvertrag beinhalte "kluge und vernünftige Pläne, um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu sichern" und lobte die geplanten Entlastungen bei den Energiepreisen und das Bundestariftreuegesetz - warnte aber vor "Beliebigkeit und Aktionismus bei der Änderung des Arbeitszeitgesetzes".

Die IG Metall kündigte an, die Gewerkschaft werde "die weiteren Schritte an einigen Stellen unterstützend, an einigen Stellen kritisch begleiten". Verdi kritisierte vor allem die geplanten Steuersenkungen für Unternehmen - diese rissen "Löcher in die staatlichen Finanzen".

Industrie sieht "Ansätze" für Notwendiges

Die deutsche Industrie kritisiert den Koalitionsvertrag aus der entgegengesetzten Richtung: Die steuerliche Entlastung von Unternehmen komme "deutlich später als notwendig" und gehe nicht weit genug - so die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner. Sie sieht aber "Ansätze für dringend notwendige, entschlossene Strukturreformen". Entscheidend sei nun eine rasche Umsetzung.

Mieter und Vermieter enttäuscht

Sowohl der Mieterbund als auch Vertreter von Vermietern sind mit den sie betreffenden Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von Union und SPD unzufrieden. Der Deutsche Mieterbund (DMB) bemängelte, bis auf die Verlängerung der Mietpreisbremse fehle der Mieterschutz. Der Eigentümerverband "Haus & Grund" monierte, dass kaum Anreize für Investitionen und Sanierungen geschaffen würden.

Die Bau- und Wohnungswirtschaft zeigt sich indes zuversichtlich, dass der Wohnungsbau bald wieder angekurbelt werde. "Die Weichen für den Bereich Bauen und Infrastruktur scheinen richtig gestellt." Nun, so Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller, müsse das milliardenschwere Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz schnell umgesetzt werden. "Die Kapazitäten in den Bauunternehmen, ad hoc mehr zu bauen, sind vorhanden, wir könnten sofort loslegen."

Umweltverbände warnen vor Wurstigkeit beim Klimaschutz

Umweltverbände befürchten eine Aufweichung von Klimaschutzvorgaben und eine Rücknahme bestehender Maßnahmen zur Senkung der Emissionen. Der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Olaf Bandt, nannte als Beispiel das geplante Anrechnen "fragwürdiger Projekte zur Emissionsreduktion im Ausland" auf das Erreichen der deutschen Klimaziele. Zudem wollten Union und SPD das zentrale Gesetz für die Wärmewende, das Gebäudeenergiegesetz GEG, abschaffen, "und es bleibt offen, was die schwarz-rote Alternative sein soll".

Der Klimaexperte der Organisation Oxfam, Jan Kowalzig, befürchtet eine Senkung des deutschen Beitrages zur internationalen Klimafinanzierung. Er wies darauf hin, dass Union und SPD zwar einerseits im Koalitionsvertrag schreiben, Deutschland solle dafür "einen fairen Anteil bereitstellen" - andererseits aber Entwicklungsausgaben kürzen wollten.

Video: Die Chefunterhändler stellen ihren Kompromiss vor

Berlin, 09.04.25: CSU-Chef Söder, CDU-Chef Merz, SPD-Chefs Klingbeil und Esken (v.l.n.r.)
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Berlin, 09.04.25: CSU-Chef Söder, CDU-Chef Merz, SPD-Chefs Klingbeil und Esken (v.l.n.r.)

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