So weit ist es schon gekommen. Ein junger Amateurfußballer mit einem Bänderriss oder ein Rentner mit einem Hüftschaden müssen auf eine Operation warten, vielleicht wochenlang. Sie müssen Schmerzen ertragen und ihr Leben stark einschränken. Denn die Krankenhauskapazitäten sind vielerorts erschöpft, bisherige OP-Pläne sind nicht mehr einhaltbar. Und das alles, weil vor allem ungeimpfte Corona-Patienten die Betten schon belegen. Menschen mit Verletzungen und Gebrechen müssen also hintan stehen, weil andere monatelang nicht auf Appelle, sich impfen zu lassen, reagiert haben.
Sanitäter wissen nicht, welches Krankenhaus sie anfahren können. Krankenhäuser verschicken schwerkranke Patienten über hunderte Kilometer, weit weg von ihren Angehörigen, weil sie selbst keine Intensivbetten mehr haben. Ärzte warnen vor einer weiteren Verschärfung, einer möglichen Triage. Manche Patienten müssen dann auf die eigentlich nötige und mögliche medizinische Versorgung verzichten. Vielleicht erleiden sie deshalb Langzeitschäden oder sterben sogar. Mediziner fürchten auch, dass sich etwa Menschen mit Anzeichen auf einen Herzinfarkt nicht mehr zum Arzt oder ins Krankenhaus begeben. Denn sie haben Angst, sich dort bei der Vielzahl der Corona-Patienten anzustecken. Ein fatales und bekanntes Phänomen: Schon während der vorhergehenden Corona-Wellen ist die Zahl tödlicher Herzinfarkte gestiegen.
Unvernunft kostet Leben
Nun haben wir also diese Lage: Die Unvernunft von Impfverweigerern führt tatsächlich dazu, dass die Gesundheit anderer stark beeinträchtigt wird. Oder noch schlimmer: Weil sich Menschen nicht impfen lassen, kann sich das Virus weiter stark verbreiten und deshalb müssen sehr viele Menschen sterben. So simpel ist das.
Die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften, hält daher "Impfpflichten für Multiplikatoren" für ethisch vertretbar. Berufsgruppen mit viel Kontakt zu anderen Menschen sollten sich also impfen lassen müssen, um ihrer Tätigkeit weiter nachgehen zu können. Auch eine nationale 2G-Pflicht könnte das Virus etwas eindämmen, noch konsequenter wäre gleich ein Lockdown für Ungeimpfte.
Handeln die Regierungen jetzt nicht konsequent, dann steigen die Zahlen weiter dramatisch und in wenigen Wochen droht dann wieder ein faktischer Lockdown für alle, auch wenn das vielen Politikern im Moment nicht opportun erscheint. Solidarität, Gemeinsinn und auch christliche Nächstenliebe verpflichten uns doch dazu, Leben zu schützen. Eben auch das Leben der anderen, nicht nur das eigene. Man kann noch weitere Vokabeln bemühen, um deutlich zu machen, worum es beim Impfen geht: Verantwortung, Mitgefühl und - wenn man so will - auch Patriotismus. Jeder, der sich mit seriösen wissenschaftlichen Quellen beschäftigt, muss erkennen, dass die gesundheitlichen Risiken, sich jetzt nicht impfen zu lassen, extrem hoch sind. Für sich und andere.
Chatgruppen löschen
Natürlich: Die Basis für jedes Handeln ist das Vertrauen in die Wissenschaft. Wer sich abwendet von gesicherter Erkenntnis, wer sich suhlt in Verschwörungstheorien und giert nach der nächsten tolldreisten, völlig ungesicherten Behauptung, wer in absurden Weltuntergangsphantasien ein Zuhause findet, der wird nur schwer zu erreichen sein. Raus aus Fake-Chatgruppen, wieder eine Qualitätszeitung lesen, was kann man anderes raten?
Geduld aufgebraucht
Wer sich selbst von Wissenschaft und Gesellschaft isoliert, darf sich aber auch nicht wundern, wenn ihm Grenzen auferlegt werden. Denn die Geduld mit Realitätsverweigerern ist bei vielen aufgebraucht. Ein "Lockdown für Irre", wie manche es nennen, hat immer mehr Befürworter. Aber wie es aussieht, muss wohl wieder die Breite der Gesellschaft massive Einschränkungen erleben, damit die absehbare gesundheitliche Katastrophe verkleinert wird.
Schulterklopfen für Neugeimpfte
Dieser Winter mit der ansteckenderen Delta-Variante wird uns mehr fordern als jede Corona-Welle zuvor. Auch als Gesellschaft. Entsteht kein Konsens, dass es eine nationale Gemeinschaftsaufgabe ist, das Virus einzudämmen, wird die Spaltung zunehmen. Es werden Schuldige gesucht werden, warum wir erneut in den Lockdown geschlittert sind, warum so viele Menschen sterben mussten. Das kann niemand wollen. Wir dürfen uns nicht noch weiter auseinander dividieren. Wir müssen ins Gespräch kommen. Sprechen wir also die an, die sich bisher nicht geimpft haben. Motivieren wir, die Impfung anzugehen. Es dürfte schwer fallen, nicht vorwurfsvoll zu klingen. Aber mitnehmen ist besser als schlicht anzuklagen. Was hätte das zum Beispiel für eine Wirkung, wenn sich prominente Fußballerspieler hinstellen und sagen würden: "Mir ist wichtig, dass Deutschland aus dieser Krise herauskommt, dass nicht ein Lockdown dem nächsten folgt, dass Menschen nicht sterben. Deshalb impfe ich mich." Klopfen wir all denen auf die Schulter, die sich jetzt einen Ruck geben.
Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, obwohl medizinisch nichts dagegen spräche, nehmen den Rest der Gesellschaft in Haft. Es ist Zeit, seine eigene Verantwortung zu erkennen und zu handeln. Bitte!
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