Ein Parlament zu verkleinern, das mag für viele erst mal gut klingen. Aber so, wie die Ampelkoalition vorgeht, verringert sie nicht Politikverdrossenheit. Sie schafft noch mehr Unmut und Ungerechtigkeit. Denn viele Stimmen aus den Wahlkreisen werden einfach in den Papierkorb wandern.
Sogar der Wählerwille ganzer Regionen kann verloren gehen: Gerade viele ostdeutsche Wahlkreissieger könnten leer ausgehen. Das geht auch zu Lasten der Linkspartei, die zuletzt nur dank ihrer Stärke im Osten den Sprung in den Bundestag geschafft hat. Eine Verdrängung der Linkspartei scheint der SPD aber gerade recht zu sein. Sie will sich dieser lästigen Konkurrenz per Gesetz entledigen.
Aus dem Bundestag kicken will die Ampelkoalition auch die CSU. Sollte diese bei kommenden Wahlen auch nur knapp an der 5-Prozent-Hürde scheitern, wären alle Wahlkreisgewinner nichts mehr wert. Das letzte Mal gewann die CSU, bis auf einen, alle Wahlkreise in Bayern. Die angebliche "Reform" ist somit ein durchsichtiger Versuch, zwei Oppositions-Parteien aus dem Parlament zu werfen.
Mögliche Ausgrenzung von Millionen
Nochmal: Was hier beschlossen wurde, kann zur politischen Ausgrenzung von Millionen von Wählern führen. Die Ampel hält das für demokratisch und lehnte heute weitere Beratungen ab. Erst vor vier Tagen hat die Dreierkoalition die Abschaffung der seit 1953 geltenden Grundmandatsklausel verkündet. Ein gravierender Eingriff in das Wahlsystem.
Heute hat die Ampel diese Änderung durchgedrückt und ein Angebot der Union, nochmal zwei Wochen einen Kompromiss zu suchen, abgelehnt. Eine echte Dummheit. So dürfte bei einem Sieg der Union bei der nächsten Bundestagswahl das Gesetz abermals geändert werden, sofern das Bundesverfassungsgericht es nicht ohnehin schon im Vorfeld stoppt.
Entwertung der Politik vor Ort
Was haben SPD, Grüne und FDP letztlich bewirkt? Die Erststimme ist entwertet, die Wahlkreisarbeit diskreditiert, Politik zentralisiert. Wer einen Wahlkreis gewinnt, hat womöglich nichts in der Hand. Aber das spielt keine Rolle, solange es der Ampel zum Machterhalt dient. In Kauf genommen wird auch, dass die AfD im Bundestag aufgewertet werden könnte.
Undemokratisches Verhalten
Die Ampel möchte die eigene Politikschwäche ausgleichen über ein verändertes Wahlrecht. Sie argumentiert populär, dass sie dem Wählerwunsch nach einem kleineren Parlament nachkomme. Aber sie nimmt sich keine Zeit, den Wählerinnen und Wählern zu erläutern, was das Gesetz für Konsequenzen hat: Dass kleinere Parteien mit starker regionaler Bindung leichter aus dem Parlament fliegen können.
Wir hätten dann zwar noch keine amerikanischen Verhältnisse mit nur noch zwei Machtblöcken. Aber die Stärke des deutschen Parlamentarismus ist seit Jahrzehnten ein gewachsenes, breites Spektrum an unterschiedlichen politischen Strömungen. Wer das Parlament verkleinern will, sollte versuchen, Pluralität zu erhalten, nicht zu eliminieren. Die Ampel handelt undemokratisch, unhistorisch, unverantwortlich. Und nur auf eigene Rechnung.

Bundestag beschließt Reform-Gesetz
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