Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin, und Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, sprechen bei einer Pressekonferenz.
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Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin, und Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, sprechen bei einer Pressekonferenz.

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So will Brüssel Europa fit machen für seine Klimaziele

Dass die EU den Klimawandel aufhalten will, ist beschlossene Sache. Jetzt hat die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket präsentiert, wie die Ziele erreicht werden können – der Auftakt zu einer möglicherweise langen und kontroversen Debatte.

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Das Podium war voll und es gab nicht genügend Stehpulte für alle Anwesenden: Gleich fünf Kommissarinnen und Kommissare erschienen mit Präsidentin Ursula von der Leyen und ihrem zuständigen Stellvertreter Frans Timmermans, um das Maßnahmenpaket "Fit for 55" vorzustellen. Schließlich betreffen die Vorschläge unterschiedliche Bereiche der Lebens- und Wirtschaftsweise von 450 Millionen Menschen in Europa.

Mit einem umfangreichen Paket an Auflagen will die EU-Kommission die Klimaziele für 2030 erreichen. Bis dahin soll der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 55 Prozent sinken im Vergleich zu 1990. Nach den Worten von Kommissionschefin von der Leyen ist Europa damit der erste Kontinent, der eine umfassende Architektur zur Erreichung seiner Klimaziele präsentiert: "Wir haben das Ziel, jetzt zeigen wir die Karte für den Weg dorthin."

Keine große Zukunft für Verbrenner

Das Kommissionspaket macht die oft abstrakt scheinenden Klimaziele konkret – auch und gerade für die Autoindustrie. Nach dem Willen der Kommission sollen die CO2-Emissionen von neuen Pkw bis 2030 um 55 Prozent unter das heutige Niveau sinken, fünf Jahre später müssen Neuwagen dann ganz emissionsfrei sein. Das leisten nach derzeitigem Stand der Technik nur reine Elektroautos – voraussichtlich also keine große Zukunft für herkömmliche Benzin- oder Dieselfahrzeuge.

Die Kommissionschefin beruft sich auf die Hersteller – die hätten in den vergangenen Wochen selbst die richtigen Antworten gegeben: "Ungefähr ein Dutzend der großen Autobauer in Deutschland und Europa haben angekündigt, dass sie ihre Flotte umstellen werden auf ausschließlich emissionsfreie Fahrzeuge zwischen 2028 und 2035. Und wir haben uns an diesen ehrgeizigen Zielen orientiert." Derzeit stammt rund ein Fünftel der EU-weiten Emissionen aus dem Verkehr, Tendenz laut von der Leyen zuletzt steigend. Um mehr Elektroautos auf Europas Straßen zu bringen, macht die Kommission den Mitgliedsstaaten Vorgaben: Auf großen Straßen sollen alle 60 Kilometer Ladesäulen eingerichtet werden.

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Emissionshandel wird ausgeweitet

Der Handel mit Verschmutzungsrechten für bestimmte Industriebetriebe deckt rund 40 Prozent der EU-Emissionen ab. Die Vorgaben sollen verschärft werden: Die Kommission will die Zahl der Zertifikate schneller verringern und weniger Gratis-Zuteilungen ausgeben. Auch der Schiffsverkehr muss demnach ab 2023 Emissionsrechte erwerben. Außerdem ist voraussichtlich ab 2026 ein weiterer Handel mit Ausstoßgutschriften geplant für die Bereiche Verkehr und Gebäude. Das könnte Kraftstoff und Heizöl teurer machen.

Ein Teil der Einnahmen aus diesem zweiten Emissionshandel soll in einen Fonds fließen mit einem Gesamtumfang von 70 Milliarden Euro, aus dem einkommensschwache Familien unterstützt werden. Gerade sie sind von steigenden Preisen für Sprit oder Heizöl betroffen, weil sie einen höheren Anteil ihres Einkommens dafür ausgeben müssen. Deswegen gibt es Widerstand von einigen EU-Regierungen. Der stellvertretende EU-Kommissionschef Frans Timmermans zeigte sich gesprächsbereit über Einzelheiten, nicht aber mit Blick auf das Gesamtziel: „Über Teile des Pakets kann man diskutieren, aber nicht über das Ziel: minus 55 Prozent Emissionen, denn das ist Gesetz. Wer also nicht einverstanden ist, soll Alternativen aufzeigen, die die gleiche Wirkung haben.“

EU-Industrie soll geschützt werden

Die Kommission schlägt vor, die Steuerbefreiung für Flugbenzin aufzuheben. Flugzeuge und Schiffe sollen zunehmend mehr klimafreundliche Kraftstoffe beimischen. Ein Grenzausgleichsmechanismus soll die europäische Industrie vor ausländischer Konkurrenz mit niedrigeren Klima-Standards schützen. Außereuropäische Importeure von Stahl, Aluminium, Zement, Düngemitteln oder Strom müssten dann ebenfalls CO2-Zertifikate kaufen – entsprechend der Klimaschädlichkeit ihrer Produkte.

Das Paket aus insgesamt zwölf Gesetzesvorschlägen wird jetzt im Kreis der 27 Mitgliedsstaaten und im EU-Parlament diskutiert. Das kann Monate dauern. Am Ende müssen beide Seiten zustimmen. Kritik an einzelnen Punkten gibt es schon jetzt. Kommissionsvertreter warnten vor dem Versuch, das Paket aufzuschnüren – das könnte das EU-Klimaziel in Gefahr bringen.

Kommissionschefin von der Leyen betonte: "Einige werden sagen, wir sollten langsamer sein, weniger tun – aber mit Blick auf den Klimawandel heißt weniger oder nichts tun buchstäblich alles zu verändern." Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat das Paket aus Brüssel begrüßt, Industrieverbände und Fluggesellschaften warnen vor zusätzlichen Belastungen, Umweltorganisationen gehen die Vorschläge dagegen nicht weit genug.

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