Bio-Lebensmittel liegen seit Jahren im Trend und mehr Bio ist auch ein politisches Ziel: In Bayern soll bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch gewirtschaftet werden. Während der Corona-Pandemie stiegen die Verkaufszahlen für Bio-Lebensmittel in die Höhe, weil viele Menschen nicht in Restaurants gegangen sind, sondern daheim gekocht haben. Aber jetzt: Inflation, das Geld ist knapp, die Zahlen gehen wieder zurück. Hat die Bio-Branche damit überhaupt noch eine Zukunft?
Deutscher Öko-Markt 2022 erstmals geschrumpft
Die letzten 20 Jahre haben der Bio-Branche einen großen und stabilen Zuwachs gebracht, so Daniela Gehler, Referentin für Ökolandbau beim Bayerischen Bauernverband, aber: Die Verkaufszahlen gehen zurück. Doch nur auf den ersten Blick. Im Marktbericht des Deutschen Bauernverbands zum Jahreswechsel zeichnete sich ab, dass der deutsche Öko-Markt 2022 zum ersten Mal in seiner Geschichte geschrumpft ist. Bis Ende Oktober sei der Umsatz um 4,1 Prozent gesunken.
Aber: Voraussichtlich werden die Zahlen für das Jahr 2022 mit 15 Milliarden Euro immer noch um 2,7 Milliarden Euro über dem Niveau von 2019 liegen.
Bio-Umsatz geht mit hoher Inflation zurück
Während Corona wurde so viel gekauft, dass die Hersteller oft nicht mehr wussten, woher sie die Verpackungen für ihre Produkte herbringen sollten, weil die Nachfrage so hoch war. Durch die Inflation ist der Rückgang zwar da, aber immer noch über dem "Vor-Corona"-Niveau. Und: Nicht alle Kundinnen und Kunden sind weggebrochen.
Es gibt weiterhin eine treue Kundschaft und auch die Menschen, die vor Corona und der Inflation Bio gekauft haben, tun das meist noch immer. Aber eine starke Veränderung gibt es. Die ist deutlich zu sehen und ihre Verlierer sind Naturkostfachläden.
Discounter profitieren – Fachhandel verliert
Viele Bio-Läden hatten vor Corona auch schon zu kämpfen. Die Läden haben vom Bio-Boom profitiert, jetzt wandert die Kundschaft Richtung Discounter und Supermarkt ab.
Laut Daniela Gehler können sich die Naturkostfachläden nur retten, wenn sie sich neu erfinden und gute neue Konzepte für ihre Marke und ihr Image aufstellen. Die Verbraucher benötigen wieder einen Grund, in den Bio-Laden zu gehen. Denn die große Konkurrenz sind eben Discounter wie Aldi oder Lidl oder Supermärkte wie Rewe oder Edeka, die mit ihren Eigenmarken den Bio-Markt erobern und ihr Sortiment in dem Bereich ständig erweitert haben. Produkte in Bioqualität dort sind meistens einfach erschwinglicher als die Bio-Lebensmittel im Fachhandel. Aber diese Preise beziehungsweise Angebote sind auch umstritten, da einige Bio-Produkte nur das EU-Biosiegel haben, das Mindeststandards im Bio-Bereich garantiert.
In Naturkostläden mehr Ware von Öko-Anbauverbänden
In den Naturkostfachläden findet man häufiger Verbandsware, also Produkte mit dem Siegel der Öko-Anbauverbände wie Demeter oder Naturland. Aber auch in dem Fall wird es bei Discountern immer besser und auch vertrauenswürdiger, was die Bioqualität betrifft.
Lidl beispielsweise arbeitet schon länger mit Bioland zusammen. Das bedeutet, dass die Lebensmittel auf den höheren Standards des Verbands basieren, die über die EU-Bio-Richtlinien hinausgehen. Insofern unterscheidet sich die Ware in der Qualität nicht von der im Fachhandel - ist aber bei Discountern günstiger. Die Folge: Während Discounter und Supermärkte gewinnen, verlieren die Biomärkte und Einzelgeschäfte Geld und Kundschaft.
Preise vergleichen und mit Vorurteilen brechen
Obwohl die Preise immer weiter in die Höhe schnellen: Oft ist es so, dass sich die konventionellen beziehungsweise günstigen Produkte preislich kaum mehr von Bio-Ware unterscheiden. Dabei kommt es natürlich auch auf die Angebote in den Discountern an, die von Woche zu Woche variieren. Und auch manchmal auf das Produkt.
Beispielsweise kostet die Bio-Gurke bei Aldi im Angebot 99 Cent, die herkömmliche liegt auch bei 99 Cent. Der "normale" körnige Frischkäse liegt bei 99 Cent, für den in Bioqualität zahlt man 20 Cent mehr. (Stand: Woche vom 30.01.-03.02.2023) Bei der Butter gibt es einige Unterschiede, aber auch Preisanpassungen. Die normale Süßrahmbutter liegt nun bei 1,99 Euro, die konventionelle bei 1,59 Euro. Die Bio-Butter der Aldi Bio-Eigenmarke liegt seit 1. Februar bei 2,69 Euro.
Bauernverband: Bio ohne elitären Touch
Daniela Gehler vom Bayerischen Bauernverband sieht für Bio weiterhin eine große Zukunft. Dafür müssten wir ihrer Meinung nach aber auch mit Vorurteilen brechen. Bio sollte nicht mehr diesen elitären und alternativen Touch haben. Es sollte für alle sein, so dass sich jeder oder jede immer mal wieder was in Bioqualität mitnimmt, ohne dabei das Klischee des alternativen Öko-Hippies erfüllen zu müssen. Schön wäre auch, wenn Restaurants öfter Bio auf ihrer Karte anbieten würden, um auch hier ein Bewusstsein zu schaffen und auch mehr Offenheit für das Thema.
Bio-Verbände fordern zudem schon seit Längerem, mehr Bio-Lebensmittel in Kantinen und Schulküchen zu verarbeiten, um das Bio-Ziel in Bayern zu erreichen. Denn nur wenn der Absatz von Bio-Lebensmittel wächst, stellen mehr Landwirte auf Bio um. Daniela Gehler vermisst außerdem oft noch die Verbindung vom Produkt zum Betrieb. Die Kommunikation zur Branche fehle noch. Daran könnte auch noch gearbeitet werden, um mehr Bewusstsein für die Arbeit und die Art der Lebensmittelerzeugung zu schaffen.
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