Sie hat nur sieben Seiten und regelt doch wichtige Fragen der katholische Kirche als Arbeitgeber: Die sogenannte "Grundordnung" des kirchlichen Dienstes. Sie gibt vor, wer für die katholische Kirche arbeiten kann und unter welchen Bedingungen.
Mit dem Entwurf für die Änderung dieser Grundordnung, den die deutschen katholischen Bischöfe nun vorgelegt haben, wird ein Reformschritt gewagt: Die private Lebensgestaltung der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll künftig nicht mehr Grund für eine Entlassung sein. In dem Text, den eine Arbeitsgruppe der Bischöfe unter Vorsitz von Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln ausgearbeitet hat, heißt es wörtlich:
"Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen."
Caritas-Vorständin: Neue Grundordnung ist Paradigmenwechsel
Die Reform sei ein echter Fortschritt für die 790.000 Beschäftigten der katholischen Kirche, so die Vorständin des Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising, Gabriele Stark-Angermeier. "Diese neue Grundordnung ist ja ein kompletter Paradigmenwechsel", sagt sie BR24. "Die alte Grundordnung hat die Loyalitätsobliegenheiten auf den Mitarbeitenden fokussiert. Und die Verantwortung, dass eine kirchlich christliche Haltung auch gelebt wird, ist jetzt Aufgabe der Institution."
Die Caritas betreibt Kindergärten, Altenheime, Förderstätten für Menschen mit Behinderung, Beratungsstellen für Migranten, Schuldner und Drogenabhängige. Mit 700.000 Angestellten ist der katholische Wohlfahrtsverband der größte katholische Arbeitgeber in Deutschland. Sie Sie alle müssen nicht mehr fürchten, entlassen zu werden, wenn sie offen homosexuell sind oder wiederverheiratet mit einem neuen Partner zusammenleben.
Zustimmung von Initiative "OutInChurch"
Zustimmung für den Schritt kommt von Katholiken und Katholikinnen, die sich für Rechte von Schwulen, Lesben und Transpersonen einsetzen. Einer von ihnen ist Michael Brinkschröder. Er ist Theologe und einer der Teilnehmer der Initiative "OutInChurch", bei der sich Anfang des Jahres 125 homosexuelle kirchliche Mitarbeiter kollektiv geoutet haben.
An einem Punkt aber sind die Initiative OutInChurch und kirchliche Queer-Vertreter nicht zufrieden:. "Es wird leider nicht ausdrücklich auch gesagt, dass die geschlechtliche Identität, also insbesondere die von Transpersonen, von nicht-binären Personen ebenfalls kein Kündigungsgrund sein darf", beklagt Brinkschröder. "Das wäre wirklich schön, wenn das auch geklärt werden könnte."
Dass die katholische Kirche von den bisherigen moralischen Anforderungen an die Mitarbeiter ablässt, heiße nicht, dass der katholische Charakter der Einrichtungen verlorengehe, versichert der Landes-Caritas-Direktor in Bayern, Bernhard Piendl. "Wir sehen uns verpflichtet, den Geist Jesu Christi weiterzutragen und ihn eben auch in die Gesellschaft hineinzutragen, besonders dort, wo eben der Mensch Hilfe braucht", erklärt Piendl das Selbstverständnis seiner Organisation. "Diese Bereitschaft, diese Offenheit, an diesem Handlungsauftrag mitzuwirken, das ist die entscheidende Voraussetzung – unabhängig von einer persönlichen Lebensorientierung."
Verdi gehen Änderungen nicht weit genug
Auch die Gewerkschaft Verdi begrüßt die Reform - ihr gehen die Änderungen aber nicht weit genug. Seit jeher nimmt Verdi Anstoß an der Sonderrolle der Kirchen als Arbeitgeber, dem sogenannten dritten Weg. In diesem kircheneigenen Arbeitsrechtssystem handeln nicht die Gewerkschaften, sondern paritätisch besetzte Kommissionen Löhne und Arbeitszeiten aus – im Konsensprinzip statt durch Arbeitskämpfe.
Für Verdi-Pressesprecher Andreas Henke geradezu ein Relikt. "Wir sind der Auffassung, dass Beschäftigte, die bei der Caritas oder anderen kirchlichen Wohlfahrtsverbänden arbeiten, Arbeitnehmer wie alle anderen sind, sie arbeiten unter den gleichen Rahmenbedingungen, üben die gleiche Tätigkeit aus", sagt Henke. "Warum sollen sie Beschäftigte zweiter Klasse sein, indem sie weniger individualrechtliche Ansprüche haben, in dem sie, die Mitarbeitervertretung, geringere Rechte hat, als im Betriebsverfassungsgesetz, oder Tarifautonomie und Streikrecht, Grundrechte verwehrt werden?"
Bischofskonferenz stimmt im Herbst über Reform ab
Es ist noch nicht klar, ob der Entwurf überhaupt eine Mehrheit unter allen deutschen Bischöfen finden kann. Das zeigt sich erst im Herbst, wenn die Deutsche Bischofskonferenz über die Reform abstimmt. Auch die Frage, ob die Reform künftig ebenso für Religionslehrerinnen und -lehrer gelten könnte, ist noch nicht geklärt. Diese sind nicht direkt bei der Kirche angestellt, sondern werden von ihr entsandt und erhalten dafür die "Missio canonica" – also eine kirchliche Beauftragung.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.