Zwei Tage hatte sich die Ampel-Koalition Zeit gegeben, um bei der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg wichtige Themen anzugehen. Die Ergebnisse präsentierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), wobei sie sich erkennbar bemühten, nach all den Meldungen über Meinungsverschiedenheiten in der Ampel-Koalition die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu rücken.
Scholz: "Das war beine sehr gute Koalitionsklausur"
Öffentlich verkündete Entscheidungen waren in Meseberg ohnehin nicht erwartet worden, sondern eher von einem Koalitionsausschuss, der Ende März stattfindet. Dementsprechend stellten die Koalitionsspitzen zum Ende des Treffens dann auch darum, vor allem die gute Arbeitsatmosphäre in den Vordergrund zu rücken. "Das war einer sehr gute Koalitionsklausur", erklärte der Kanzler zum Auftakt der Abschluss-Pressekonferenz.
Fast wortgleich äußerte sich Christian Lindner und merkte an, man habe in Meseberg "keine Haushaltsgespräche geführt". Die Erkenntnis, dass man "dem Land verpflichtet" sei, habe die Beratungen dominiert, ergänzte Robert Habeck. Man sei gemeinsam gut vorangekommen, so der gemeinsame Tenor.
Konfliktthemen bleiben eine Randerscheinung
In Bezug auf die Streitpunkte, die zuletzt das Bild der Koalition geprägt hatten, blieben Scholz, Lindner und Habeck eher allgemein und betonten, dass hierzu keine Entscheidungen gefallen seien. Dazu gehören etwa Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung, die Planungsbeschleunigung für Infrastrukturprojekte, das geplante Verbot neuer Öl- und Gasheizungen sowie der Widerstand der FDP gegen das Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor in der EU ab 2035.
Der Bundeskanzler bemühte sich, die Konfliktthemen nicht konkret anzusprechen und erklärte, bei der Klausurtagung hätten der Ukraine-Krieg, die Energiewende und die Digitalisierung im Mittelpunkt gestanden.
"Ich kann Ihnen berichten, dass wir auch Fortschritte gemacht haben bei vielen Fragen, die wir im Alltagsgeschäft verhandeln", sagte Scholz, ohne ins Detail zu gehen. Die Ampel-Koalition wolle nun "in ganz kurzer Zeit" verschiedenste Vorhaben zum Abschluss bringen, so der Kanzler: "Das, was hier stattgefunden hat, ist ein sehr fühlbares Unterhaken und auch die gemeinsame Überzeugung, dass das gelingen wird."
Scholz: "Deutschland wird Arbeitslosigkeit hinter sich lassen"
In den Vordergrund rückte Scholz die wirtschaftlichen Perspektiven der Bundesrepublik unter Berücksichtigung des Klimaschutzes. Scholz äußerte sich zuversichtlich, dass "wir diese große Aufgabe schultern werden" und dass Deutschland dabei "in den nächsten Jahren das Problem der Arbeitslosigkeit hinter sich lassen" werde. Dafür würden als Arbeitskräfte aber jede Frau und jeder Mann gebraucht, auch Arbeitskräfte aus dem Ausland. "Wir brauchen Tempo", hob der Kanzler mit Blick auf den Umbau der Wirtschaft und Energieerzeugung hervor. Beispielsweise müssten pro Tag bis 2030 vier bis fünf neue Windräder errichtet und die Elektromobilität vorangebracht werden.
"Wir stehen vor großen Herausforderungen, was die Transformation angeht", sagte auch Wirtschaftsminister Habeck. Auch er sehe im klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft zugleich große Chancen für Deutschland. Das Land habe auch mit digitalen Möglichkeiten alle Chancen, den Wandel zu bestehen. Er sei zuversichtlich, "dass wir aus der Klausur herausgehen und alle Fragen lösen werden".
Habeck kündigte an, zügig ein Konzept für einen Industriestrompreis in Deutschland umzusetzen. Es sei ein Wettbewerbsnachteil, dass in Europa anders als in den USA die operativen Kosten der Produktion nicht subventioniert würden, er werde deshalb "sehr zeitnah" eine marktwirtschaftliche Lösung für einen Industriestrompreis anschieben.

Konkrete Beschlüsse gab es nicht. Doch die Ampel-Koalition gab sich nach ihrer Klausur überzeugt, internen Streit beilegen zu können.
FDP besteht auf ihren Positionen
Auf Reporter-Nachfragen zu den Streitpunkten der vergangenen Tage und Wochen wurde FDP-Chef Lindner noch am deutlichsten. Hinsichtlich der Meinungsverschiedenheiten über die weitere Zulässigkeit von E-Fuels in der EU sagte er, die FDP bestehe hier weiter auf ihrem Standpunkt. Entschieden sei dazu nichts, es dürfe aber "kein Technologiepfad verschlossen" werden.
Er sei "zu hundert Prozent zuversichtlich", dass man auch bei der Kindergrundsicherung "zu Potte kommen" werde, so der FDP-Chef. Eine interministerielle Arbeitsgruppe erarbeite ein Konzept, das als Gesetz im Jahr 2025 in Kraft treten solle. "Insofern ist die Verbindung zu den gegenwärtigen Haushaltsberatungen fiskalpolitisch nicht zwingend", sagte Lindner. Es gebe Einvernehmen, dass die den Familien zustehenden Leistungen automatisiert und digitalisiert zur Verfügung gestellt werden sollten, so Lindner.
Keine Kesselflicker - Nur gute Kollegen
Angesichts der laufenden Haushaltsverhandlungen für das kommende Jahr war die Stimmung zwischen SPD, Grünen und FDP seit Wochen gereizt.
Ministerinnen und Minister der Bundesregierung waren daher schon im Vorfeld der Abschluss-Pressekonferenz dem Eindruck entgegengetreten, die Koalition sei zerstritten und sprachen von einem konstruktiven Miteinander. Er habe nicht den Eindruck, dass "wir uns streiten wie die Kesselflicker", sagte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Montagmorgen in Meseberg. Özdemir wies darauf hin, dass der Haushaltsstreit auf der Kabinettsklausur offiziell nicht auf der Tagesordnung stehe. "Das ist hier kein Thema, weder ein Streitthema noch überhaupt ein Thema", sagte er.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach von einem "Ringen um den richtigen Weg aus unterschiedlicher Perspektive". Er räumte zwar ein, dass es schon sehr viele offene Fragen in der Koalition gebe, etwa bei der Planungsbeschleunigung auch für den Straßenbau, die Stimmung sei aber "gut, kollegial", sagte Wissing. Zum Haushaltsstreit sagte er, es gebe hier Gespräche zwischen den Fachressorts und Finanzministerium, "die auch gut laufen". Er halte dies "für eine normale Situation".
Friedrich Merz wirft Ampel-Koalition "politischen Stillstand" vor
Die Opposition warf der Bundesregierung derweil Selbstblockade vor. Die Ergebnislosigkeit der Klausurtagung des Kabinetts spiegelt den politischen Stillstand innerhalb der Bundesregierung wider", sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Union fordere die Regierung auf, ihre Streitigkeiten beizulegen und eine echte Zeitenwende auch im Inland einzuleiten. "Meseberg war vor allem Selbsthilfegruppe, weniger Kabinettsklausur", sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch der dpa. "Maximale Probleme im Land, reichlich Dissens und viel Selbstdarstellung in der Koalition."
Beschlüsse zu aktuellen Streitthemen waren aber auf Schloss Meseberg gar nicht das Ziel der Koalition, das hatten Regierungsvertreter zuvor schon deutlich gemacht. Dafür gibt es andere Gremien, wie etwa einen für Ende des Monats geplanten Koalitionsausschuss.
Markus Söder kritisiert Grüne und FDP
Während der Tagung in Meseberg war auch aus der CSU Kritik am anhaltenden Koalitions-Zwist laut geworden. Am Wochenende hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Interview insbesondere die FDP und die Grünen ins Visier genommen. Der Plan von Wirtschaftsminister Robert Habecks (Grüne), neue Öl- und Gasheizungen ab 2024 verbieten, sei ein Angriff auf die Mittelschicht, erhöhe den Stromverbrauch und könne letztlich zu einer Rationierung von Strom führen, sagte er der Bild-Zeitung.
Die FDP bezeichnete Söder als Enttäuschung. Sie habe das Ende der Kernenergie mitten in der Krise mit beschlossen und dem Verbrennerverbot zugestimmt.
Mit Informationen von AFP und dpa
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