Junge Frau trinkt Wein aus einer Flasche
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Symbolbild Jugendliche und Alkohol

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Jugendliche und Alkohol: "Mir hat es sofort geschmeckt"

Fast jeder zehnte Jugendliche trinkt regelmäßig Alkohol. Und auch wenn der Konsum zuletzt gesunken ist: Noch immer rutschen junge Menschen in die Sucht. So wie Anna und Jenny – die inzwischen den Weg aus der Abhängigkeit geschafft haben.

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Über dieses Thema berichtete Abendschau am .

Wer in Cliquen dazugehören will, muss trinkfest sein, bestätigen viele junge Menschen. Für einige wird daraus der regelmäßige Griff zur Flasche und damit manchmal eine Sucht. "Mit 14 habe ich das erste Mal getrunken, auf dem 18. Geburtstag einer Freundin", erinnert sich die 20-Jährige Jenny im Gespräch mit BR24. Weil alle anderen auf der Party auch Alkohol konsumiert haben, und sie dazugehören wollte.

"Der Rausch war anfangs auch angenehm, man hatte viel mehr Spaß", sagt Jenny. Also trank sie immer häufiger. Bald kaufte sie sich selbst Bier und Wein im Supermarkt in der Stadt, mit gerade mal 14 Jahren. Obwohl das dem deutschen Jugendschutzgesetz widerspricht.

Mit Wodka in der Wasserflasche in der Schule

"Mit 15 habe ich angefangen, am Gymnasium im Unterricht zu trinken", sagt Jenny, die in Wirklichkeit anders heißt. Der klare Wodka fiel nicht auf in der Wasserflasche. Lehrer, Mitschüler und Eltern hätten nie was gesagt.

Auch Anna hat mit 14 ihren ersten Rausch gehabt, ihr Bruder hat sie damals mitgenommen. “Mir hat es sofort geschmeckt, ich habe gleich viel vertragen", erzählt die 37-jährige Frau. Das schüchterne Mädchen verwandelte sich mit jedem Schluck mehr in ein cooles Party-Girl. Fast jedes Wochenende trank Anna bis zum Blackout. In ihrem Freundeskreis auf dem Land spielte Alkohol eine wichtige Rolle. Übrigens: Fast jeder zehnte 12- bis 17-Jährige in Deutschland trinkt regelmäßig Alkohol. Und Jungen trinken mehr als Mädchen. Das zeigt eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Alkohol in jungen Jahren kann schwere Schäden hinterlassen

"Jugendliche mit regelmäßigem Alkohol-Konsum haben häufig Probleme in der Aufmerksamkeit, in der Schule, und brechen Ausbildungen ab", sagt Professor Gerd Schulte-Körne, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LMU München. Das würden viele Eltern unterschätzen. Denn Alkohol sei ein Nervengift, das sich auf die Organe und das zentrale Nervensystem auswirke.

Schulte-Körne sagt auch: "Vier Prozent der Jugendlichen trinken mehr Alkohol, als die Weltgesundheitsorganisation als gesundheitsschädlichen Schwellenwert für Erwachsene festgelegt hat." Pro Tag sollen Frauen nicht mehr trinken als 20 Gramm Alkohol, also ein Glas Wein – Männer nicht mehr als 30 Gramm, also einen knappen Liter Bier. Das ist die Empfehlung der WHO.

Eltern als Vorbilder sollten Maß Bier in Bayern nicht verharmlosen

Sowohl bei Jenny als auch bei Anna daheim haben die Väter regelmäßig und viel Alkohol getrunken. Das bestärkte ihren Eindruck, dass Biertrinken dazugehöre zum Alltag, bestätigen beide.

Laut Mediziner Schulte-Körne müssten sich Eltern viel stärker ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Sie dürften nicht wegschauen, wenn ihre Kinder einen Rausch hätten. Schon gar nicht sollten sie selbst Alkohol für die Partys der Kinder hinstellen, sondern Jugendschutzgesetze einhalten. Erstaunlich findet der Kinder-und Jugendpsychiater, für wie selbstverständlich Gesellschaft und Politik in Bayern die Maß auf dem Volksfest halten. "Das ist eine immense Menge an Alkohol für einen jungen Körper."

Jugendliche: Alkoholkonsum insgesamt rückläufig

Insgesamt betrachtet, ist der Alkoholkonsum unter Jugendlichen rückläufig, nach Angaben der Bundeszentrale für gesellschaftliche Aufklärung. Auch der Tabakkonsum nimmt laut Studien ab, es wird allerdings mehr gekifft als früher.

Gesamtgesellschaftlich gesehen gibt es beim Alkoholkonsum junger Menschen also eine Verbesserung der Lage. Individuelle Suchtbiographien bei Jugendlichen gibt es aber weiterhin.

"Blaues Kreuz" und "Anonyme Alkoholiker": Selbsthilfe auch für Jugendliche

Mit 16 hat Jenny bis zu fünf Bier und eine Flasche Rum alleine getrunken, täglich. Anna hat mit 35 bis zu sechs Flaschen Prosecco oder Weißwein gekippt, jeden Abend – und trotzdem im Büro am nächsten Tag funktioniert. Beide gestehen sich mittlerweile ihre Abhängigkeit ein.

Jenny hat ihre Alkoholsucht mithilfe einer Therapeutin erkannt, bei der sie wegen Depressionen in Behandlung war. Die Schulsozialarbeiterin hat ihr damals eine Therapie empfohlen. Jenny besucht die Selbsthilfegruppe für Jugendliche und junge Erwachsene des Blauen Kreuzes München e.V., ein konfessionsunabhängiger Verein, der die allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Wertebasis nimmt. Die 20-Jährige sagt: "Hier werde ich so angenommen, wie ich bin, und kann im Notfall jederzeit jemanden anrufen."

Anna hatte die Suchtspirale schon länger im Griff. 22 Jahre lang hatte sie jedes Wochenende einen Vollrausch. "Es war einfach normal, dass man total betrunken war, dass man nicht mehr wusste, was man tut, mit wem man was tut, wo man war. Das war cool." Doch damit ist nun Schluss, seitdem Anna eines Nachts im Rausch ihren Hund verloren hat und erst wieder vor ihrer Wohnungstür zu sich kam. Am nächsten Morgen entschied sie sich, sofort aufzuhören. Das hält sie nun bald ein Jahr durch, auch dank der Anonymen Alkoholiker. Der Hund tauchte übrigens bei der Polizeiwache wieder auf.

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