Ex-Astronaut Thomas Reiter
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Thomas Reiter, ehemaliger Astronaut

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ISS ohne Russland: Ex-Astronaut Thomas Reiter bedauert Ausstieg

Der Ukraine-Krieg reicht bis ins All: Russland will das ISS-Projekt verlassen. Für diesen Fall erwartet Ex-Astronaut Thomas Reiter, dass der Betrieb weitergehen kann. Es sei aber "furchtbar", wenn sich ein großer Partner aus dem Projekt herauslöse.

Russland werde "nach 2024" die Internationale Raumstation ISS verlassen. So hatte es Juri Borissow, der Direktor der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, diese Woche gesagt. Der frühere Astronaut Thomas Reiter bedauert die Ankündigung und sieht noch eine "Ungewissheit", wann genau der Ausstieg erfolgt. Fast 110 Länder weltweit seien an der Forschung auf der ISS beteiligt, betonte er im Interview mit Bayern 2. "Sie verfolgen gemeinsame Ziele zum Wohle der Menschheit insgesamt. Wenn sich da ein großer Partner aus dieser Gemeinschaft herauslösen wollte, das wäre furchtbar."

Zusammenarbeit an Bord "nach wie vor hervorragend"

Thomas Reiter verwies auf Aussagen des kürzlich zurückgekehrten Astronauten Matthias Maurer und der Italienerin Samantha Cristoforetti, dass "die Zusammenarbeit an Bord nach wie vor hervorragend" funktioniere. "Man ist dort oben gewissermaßen eine Familie. Man muss sich aufeinander verlassen können. Und das, toi, toi, toi, funktioniert momentan noch sehr sehr gut", sagte Reiter.

Arbeit auf ISS auch ohne russisches Modul möglich

Auch nach einem Ausstieg Russlands aus dem ISS-Projekt wäre es laut Reiters Einschätzung "sicherlich nicht unmöglich", die Station auch ohne das russische Segment weiterzubetreiben. Er hält Spekulationen, dass Russland Teile abdocken und für eine neue Station verwenden könnte, für "unwahrscheinlich". Falls Russland sein Segment stilllege, gebe es Möglichkeiten, um das westliche Segment mit dem europäischen Columbus-Modul, den amerikanischen und japanischen Modulen weiter zu betreiben und für die Forschung zu nutzen, so Reiter.

Reiter hofft noch auf Sinneswandel Russlands

"Ich will jetzt nicht sagen: Also dann geh doch halt", betonte Reiter. "Ich kann nur hoffen, dass man sich da eines Besseren besinnt. Es wird ja irgendwann mal eine Zeit nach diesem furchtbaren Angriffskrieg, den Russland da führt, geben." Man müsse auch über diese Zeit hinausschauen und "Kommunikationskanäle aufbauen", so Reiter. "Wissenschaft und Forschung da oben können wichtige Beiträge leisten." 

Reiter als erster Deutscher auf der ISS

Thomas Reiter war von 1992 bis 2007 Astronaut der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Reiter war zweimal im All: Er verbrachte ab Herbst 1995 fast ein halbes Jahr auf der russischen Raumstation MIR. Im Jahr 2006 folgte eine ebenso lange Mission auf der Internationalen Raumstation ISS. Er war der erste Deutsche an Bord. 

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