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Lamya Kaddor

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Islamforscherin kritisiert Rollenverständnis junger Flüchtlinge

"Bei uns zu Hause ist der Mann der Chef", "ein gutes Mädchen macht das nicht": Solche Sätze hört die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor immer wieder von minderjährigen Flüchtlingen. Sie spricht sogar vom "Problemfall umF". Von Veronika Wawatschek

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

Wie kommen sich Mann und Frau näher? Wie gehen Mann und Frau miteinander um? Lamya Kaddor stellt in ihren Islamismus-Präventionskursen immer wieder fest, dass bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ("umF") alte Rollenbilder vorherrschen. "Wenn ich mal heirate, bin ich der Chef zuhause, das ist bei uns so." So schilderte ein junger Flüchtling seine Sicht auf das Verhältnis der Geschlechter.

Kein Massenphänomen bei jungen Flüchtlingen

Lamya Kaddor sieht hier dringenden Handlungsbedarf, wenn ein Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen in Zukunft möglich sein soll. Zwar handle es sich nicht um ein Massenphänomen, wie es die Hetzer in den sozialen Medien darstellten, wohl aber um problematische Einstellungen, vor denen man nicht die Augen verschließen dürfe, schrieb Kaddor kürzlich in einer Kolumne.

"Es gibt sie und ein Teil davon bringt in der Tat problematische Einstellungen mit, vor denen man nicht die Augen verschließen darf. Man müsste viel intensiver mit ihnen arbeiten. Aber: mit welcher Zeit? Mit welchem Geld?" Lamya Kaddor auf t-online.de

In ihren Islamismus-Präventionskursen, die sie gemeinsam mit der Kölner Imamin Rabeya Müller anbietet, diskutiert sie mit den Jugendlichen. Stellt klar, was im Koran steht und erlebt oft kontroverse Debatten.

Nicht die Religion, sondern die Bildung zählt

Der Islam an sich ist nicht der Übeltäter, diesen Schluss legt eine groß angelegte Untersuchung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2014 nahe. Verglichen wurden Muslime und Christen mit Migrationshintergrund und Menschen, die hier geboren sind. Das Fazit: Wie selbstbestimmt eine Frau lebt, hängt eher davon ab, wie gebildet sie ist und weniger davon, ob sie auf dem Papier Muslimin oder Christin ist. Yasemin El-Menouar hat die Studie mit ausgewertet:

"Die Quintessenz ist eigentlich, dass die Religionszugehörigkeit für die Geschlechterrollen keine Rolle spielt, ob die Frau jetzt sehr stark auf den Haushalt festgelegt wird und Männer primär in der Ernährerrolle gesehen werden." Yasemin El-Menouar

Rollenbilder und Glaube

Denn traditionelle Rollenbilder hängen weniger davon ab, ob jemand an Allah, Gott oder Jahwe glaubt, sondern vielmehr davon, wie sehr er glaubt.

"Fromme Menschen, Menschen, die ihren Alltag stärker an ihren religiösen Regeln ausrichten, präferieren auch stärker traditionelle Rollenbilder. Wir finden auch unter Christen, die sich stärker an ihrer Religion orientieren, traditionellere Rollenvorstellungen." Yasemin El-Menouar

Traditionelle Rollenverteilungen sind nach den Worten der Sozialwissenschaftlerin aber nicht gleichzusetzen mit fehlender Entscheidungsfreiheit einer Frau. Schließlich könne sich eine Frau auch bewusst für das traditionelle Modell entscheiden. Selbstbestimmung setze Bildung voraus – bei Männern und Frauen: religiöse Bildung, aber auch ganz allgemeines Wissen.