Indien, Balasore: Rettungskräfte an der Unglücksstelle nach einem schweren Zugunglück
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Zugunglück in Indien

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Indien: Hunderte Tote und Verletzte nach Zugunglück

Zugunglücke kommen in Indien häufig vor - doch eine Katastrophe dieser Dimension hat das Land noch nicht erlebt: In Balasore entgleisten mehrere Züge, es gibt mindestens 280 Tote und 900 Verletzte, Einsatzkräften bietet sich ein Bild des Schreckens.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Die Waggons lagen kreuz und quer. Teilweise wurden sie zerquetscht. Bei einem der verheerendsten Zugunglücke der vergangenen Jahrzehnte sind in Indien mindestens 280 Menschen ums Leben gekommen. Zwei Passagierzüge seien am Freitag rund 220 Kilometer südwestlich von Kalkutta entgleist, berichtete die Nachrichtenagentur Press Trust of India unter Berufung auf den leitenden Staatssekretär des Staates Odisha, Pradeep Jena. Behördenvertreter vermuteten, dass noch Hunderte Menschen in den zerstörten Waggons eingeschlossen sind.

Polizei und Feuerwehr versuchten verzweifelt, Fahrgäste zu befreien. Inzwischen liegt die Zahl der Todesopfer bei mindestens 288, zudem seien mindestens 850 weitere Personen verletzt worden, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP am Samstag.

Ein Bahn-Sprecher sagte, zunächst seien in dem in Odisha gelegenen Bezirk Balasore zehn bis zwölf Waggons eines Zuges entgleist. Trümmer seien daraufhin auch auf das angrenzende Gleis gefallen, wo ein entgegenkommender Zug sie erfasste und ebenfalls aus den Schienen sprang. Press Trust of India meldete, in das Unglück sei auch ein Güterzug verwickelt, dessen Waggons von einigen entgleisten Waggons der Passagierzüge getroffen worden seien. Die Eisenbahnbehörde bestätigte dies zunächst nicht.

Vermutlich noch Hunderte Menschen unter den Trümmern

Auf Fernsehaufnahmen von der Unglücksstelle im Unionsstaat Odisha war zu sehen, wie Rettungskräfte auf Wrackteile kletterten, um mithilfe von Geräten die Türen sowie Fenster aufzubrechen und Überlebende zu befreien. Zahlreiche Leichen lagen in der Nähe der von weißen Laken bedeckten Gleise auf dem Boden. Mehr als 1.200 Polizeibeamte und andere Einsatzkräfte sowie 115 Krankenwagen, 50 Busse und 45 mobile Kliniken waren vor Ort, wie Behördenvertreter mitteilten. Sie befürchten, dass noch Hunderte Menschen in Trümmern eingeschlossen sein könnten.

Die Krankenhäuser der Gegend sind überlastet. Fernsehbilder zeigten Verletzte, die in der Notaufnahme auf dem Boden lagen. Die Intensivstationen sind voll. "Die Zahl der Toten wird noch steigen. Viele Menschen sind in einem dramatischen Zustand", sagte ein Arzt.

Wie Press Trust of India berichtete, war ein Passagierzug auf dem Weg von Howrah in Westbengalen nach Chennai, der Hauptstadt des Staates Tamil Nadu im Süden Indiens, als es zum Unglück kam. Die Passagierin Vandana Kaleda überlebte und schilderte dem Nachrichtensender New Delhi Televion, dass die Fahrgäste aufeinandergefallen seien. Ihren Waggon habe es kräftig durchgeschüttelt, als er entgleist sei. Sie schätze sich glücklich, überlebt zu haben, sagte Kaleda. Ein anderer Überlebender berichtete, er habe geschlafen, sei dann aber durch die Wucht des Aufschlags aufgewacht. Er habe Mitreisende mit gebrochenen Gliedmaßen und entstellten Gesichtern gesehen.

Premierminister: Meine Gedanken sind bei den Hinterbliebenen

Dorfbewohner erklärten, sie hätten ein lautes Geräusch gehört, als die Waggons aus den Schienen gesprungen seien. Daraufhin seien sie zur Unglücksstelle geeilt, um Opfern beizustehen. "Die Ortsansässigen sind wirklich Risiken eingegangen, um uns zu helfen", zitierte Press Trust of India einen anderen Überlebenden, Rupam Banerjee. "Die halfen nicht nur dabei, Leute herauszuziehen, sondern fanden unser Gepäck wieder und brachten uns Wasser."

Premierminister Narendra Modi zeigte sich bestürzt über das Unglück. "In dieser Stunde der Trauer sind meine Gedanken bei den Hinterbliebenen. Mögen die Verletzten bald genesen", twitterte er. Es werde "jede mögliche Unterstützung" aufgeboten. Er sei erschüttert. Bahnminister Ashwini Vaishnaw eilte zum Unfallort, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.

Auch Nepals Regierungschef Pushpa Kamal Dahal und das US-Außenministerium sprachen ihr Mitgefühl aus. "Unsere Gedanken sind in diesem Moment beim indischen Volk", sagte State-Department-Sprecher Vedant Patel.

Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb am Samstag über den Kurznachrichtendienst Twitter: "Das Zugunglück in Indien mit Hunderten Toten und Verletzten erschüttert mich zutiefst. Meine Gedanken sind bei den Opfern, Verletzten und ihren Familien. Deutschland steht an der Seite Indiens in dieser schweren Zeit."

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kondolierte ebenfalls über Twitter. Sie schrieb an die Adresse von Regierungschef Narendra Modi: "Europa trauert mit Ihnen". Sie spreche den Angehörigen der Opfer angesichts der schrecklichen Nachrichten ihr tief empfundenes Beileid aus und wünsche den Verletzten baldige Genesung.

Zugunglück in Indien
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Zugunglück in Indien

Jährlich hunderte Zugunglücke wegen veralteten Bahn-Anlagen

Die Suche nach Schuldigen hat längst begonnen. Vaishnaw erklärte, es werde eine Untersuchungskommission eingerichtet. Politiker ergehen sich bereits in Schuldzuweisungen.

Die indische Regierung bemüht sich, die Sicherheit im Bahnverkehr zu verbessern, indem sie in den vergangenen Jahren massiv in neue Technologien investiert. Allerdings gibt es auf dem 64.000 Kilometer langen Schienennetz jedes Jahr Hunderte Eisenbahnunfälle. Sie werden meist auf menschliches Versagen oder veraltete Signalanlagen zurückgeführt.

1981 waren zwischen 800 und 1.000 Menschen ums Leben gekommen, als in Bihar ein Zug auf einer Brücke entgleist und in einen Fluss gestürzt war. Bei einem der schlimmsten Zugunglück seit Jahrzehnten kamen im August 1995 358 Menschen ums Leben, als nahe Neu Delhi zwei Züge zusammenprallten.

Mit Informationen von AFP und AP

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