Seit 24. Februar dauert nun schon Russlands Angriffskrieg mit Einmarsch in die Ukraine an. Papst Franziskus in Rom, das Oberhaupt der katholischen Kirche, hat es seitdem nicht an Initiativen fehlen lassen, um den Krieg zu stoppen.
Die Fahne von Butscha
Bedächtig entfaltet Papst Franziskus ein kleines Stoffbündel. Blau und gelb ist es, ein Kreuz ist darauf aufgemalt. "Diese Fahne kommt aus dem Krieg – aus dieser gemarterten Stadt Butscha", sagt er bei der Generalaudienz Anfang April. Einige ukrainische Kinder kommen zu ihm, "begrüßen wir sie und beten wir zusammen mit ihnen". Später faltet Franziskus die ukrainische Flagge wieder zusammen, küsst sie.
Papst besuchte den russischen Botschafter
Es ist eines dieser charakteristischen Momente, in denen der Papst seine innere Haltung durch Gesten offensichtlich macht. Der Krieg ist für ihn "Barbarei", ein "Massaker". Einen Tag nach dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine machte sich der 85-Jährige persönlich auf und besuchte den russischen Botschafter. So etwas gab es noch nie in der Geschichte der Päpste.
Später gibt der Vatikan bekannt, dass Franziskus seine Sorge über den Krieg zum Ausdruck gebracht habe. Auf russischer Seite heißt es, der Papst habe sich sehr besorgt über die Situation der gesamten Bevölkerung gezeigt und dazu aufgerufen, die Menschen zu verschonen.
"Leidgeprüfte Ukraine" als Opfer eines Angriffskrieges
Doch Wochen später ist klar, dass seine Appelle nichts gebracht haben. Ukrainische Männer, Frauen und Kinder werden ermordet, gefoltert, vergewaltigt, verschleppt. Zusehends hilfloser wirkt das Kirchenoberhaupt ob der grausamen Nachrichten. Auf seiner Reise nach Malta Anfang April noch blitzt ein wenig Hoffnung auf in seinen wachen Augen. Vor Journalisten bekräftigt er auf dem Rückflug, dass er bereit sei, alles für den Frieden in der Ukraine zu tun.
Eine Reise nach Kiew liege weiter auf dem Tisch. Ich "stehe zur Verfügung", so der Papst. Gleichzeitig kritisiert er die Kämpfe. Beim Angelus-Gebet, bei den Audienzen und schließlich an Ostern verurteilt er den Krieg aufs Schärfste. Ganz klar benennt er die "leidgeprüfte Ukraine" als Opfer eines Angriffskrieges – es sind Worte, auf die viele gehofft hatten.
Diplomatie auf Hochtouren
Währenddessen läuft die vatikanische Diplomatie auf Hochtouren. Franziskus schickt seine beiden Kardinäle Michael Czerny und Konrad Krajewski mehrmals in die Ukraine für Hilfslieferungen. Über Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hält er alle Türen offen, ist bereit zu vermitteln. Bereits zwanzig Tage nach Kriegsbeginn hat der gebürtige Argentinier dem Machthaber im Kreml angeboten, ihn zu besuchen. Doch Putin reagiert nicht.
Auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill will keinen Dialog und steht ganz auf der Seite Putins. In einer Videoschalte mit diesem, so erzählt Franziskus später resigniert, habe er ihn daran erinnert, dass sie nach Wegen des Friedens suchen müssten und dass er sich nicht in einen "chierichetto di Putin", einen Messdiener Putins verwandeln könne.
Papst Franziskus sucht nach Putins Beweggründen
So wirkt Papst Franziskus in einem Interview mit der italienischen Zeitung "Corriere della Sera“ Anfang Mai erstmals öffentlich deprimiert. Er berichtet von den gescheiterten Vermittlungsversuchen und seiner Sorge, dass Putin vorerst nicht aufhören werde. Vielleicht, so sinniert er, habe das "Bellen der Nato vor Russlands Tür“ den Kreml-Chef zu einer bösen Reaktion veranlasst und den Konflikt ausgelöst. Gerade diese Worte rufen vielerorts Empörung vor. Der Papst spekuliert über mögliche Beweggründe, die Putin dazu gebracht haben könnten, den Konflikt auszulösen?
Kreuz von Ukrainerin und Russin gemeinsam getragen
Offensichtlich denkt das Oberhaupt der katholischen Kirche tatsächlich darüber nach, was den Kreml-Chef zu einem "so brutalen Krieg" treiben könnte. Im gleichen Interview erzählt er aber auch, dass er den ukrainischen Präsidenten Selenskyj am ersten Kriegstag angerufen habe, nicht aber Putin. Und er erinnert an Karfreitag. Beim Kreuzweg am römischen Kolosseum ließ er eine junge Russin und eine junge Ukrainerin das Kreuz gemeinsam tragen. Auch diese Aktion wurde heftig kritisiert, vor allem in der Ukraine.
"Gott ist nur ein Gott des Friedens"
Doch gerade mit diesen Gesten macht der Papst klar, dass er auf der Seite der Versöhnung, des Friedens, der Geschwisterlichkeit steht. Auch und gerade in Zeiten des Krieges. "Gott ist nur ein Gott des Friedens, er ist kein Gott des Krieges" – das betont Franziskus immer wieder. Dabei sind seine Möglichkeiten begrenzt.
Für Vatikan-Beobachter wie Iacopo Scaramuzzi ist klar, dass er in Wirklichkeit ziemlich wenig tun könne – selbst als Papst mit politischem Sinn und mit einem bemerkenswerten weltweiten Publikum. Zwar sei der Vatikan moralisch relevant, aber er habe wenig wirtschaftliche Macht, keine militärische Macht und keine wirkliche politische Macht.
Ziel: Den Krieg stoppen
So betont Franziskus nach wie vor, dass er dabei helfen wolle, Frieden zu schaffen. Es wirkt verzweifelt und doch ehrlich. "Ich bin pessimistisch, aber wir müssen jede erdenkliche Geste unternehmen, um den Krieg zu stoppen", betont er in dem Zeitungsinterview. Der Papst ist seiner Linie treu geblieben. Trotz aller Hoffnungslosigkeit will und vor allem darf er nicht aufgeben.
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