Sabine Dittmar im Deutschen Bundestag im Reichstagsgebäude am 07.12.2021
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Sabine Dittmar im Deutschen Bundestag im Reichstagsgebäude am 07.12.2021

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In Lauterbachs Schatten – Ein Jahr Sabine Dittmar

Sie ist eine von sieben Bayerinnen und Bayern in der Bundesregierung: Sabine Dittmar. Die Ärztin aus Unterfranken, eine ausgewiesene Gesundheitspolitikerin, arbeitet als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. Ein Traumjob?

Sabine Dittmar sitzt auf gepackten Koffern oder Kisten, gleich steht ein Umzug an. Das Gesundheitsministerium wechselt mal wieder die Räume, wie so oft in letzter Zeit. Dieses Mal – so hoffen sie hier – ist es endgültig. Dittmar, Staatssekretärin bei Karl Lauterbach, hofft das auch. Im geräumigen Büro im fünften Stock mit Blick auf die Berliner Friedrichstraße hatte sie sich ganz gut eingelebt. Trotz des unruhigen Jahres und trotz des neuen Jobs, "eine total herausfordernde Aufgabe", sagt sie.

Dittmar hätte Bundesgesundheitsministerin werden können

Als parlamentarische Staatssekretärin beackert sie die Theorie hinter der Praxis. Von der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung über die ambulante Versorgung, die ihr als ehemaliger Hausärztin besonders am Herzen liege. Dazu kommt Infektionsschutz, also das ganze Thema Corona und der öffentliche Gesundheitsdienst, auch gerade sehr im Fokus, weil lange Zeit notorisch missachtet und unterfinanziert. Und dann hat sie noch die Pflege im Portfolio. Ein weites Feld mit viel Konfliktpotential.

Sabine Dittmar galt durchaus als ministrabel, hätte also selbst Bundesgesundheitsministerin werden können. Die SPD-Politikerin war und ist eine renommierte Gesundheitsexpertin. Da aber Corona und die Bekämpfung der Pandemie nach der Bundestagswahl im Vordergrund standen, wurde Karl Lauterbach Minister – und Dittmar einer seiner Schatten.

"Wahnsinniger Reformstau" in der Gesundheitspolitik

Als Parlamentarische Staatssekretärin vermittelt sie zwischen dem Ministerium und der SPD-Fraktion, sie ist sozusagen das Bindeglied zwischen Bundestag und Bundesregierung. "Wir haben natürlich einen wahnsinnigen Reformstau in der Gesundheitspolitik, egal ob es die Notfallversorgung ist, ob es die Pflege-Reform ist, da haben wir enorm aufzuholen", sagt sie in ihrem unterfränkischen Singsang, immer ein bisschen bemüht, überdeutlich Hochdeutsch zu sprechen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirbelt ohne Ende – im Ministerium und außerhalb. Kein Tag vergeht, ohne dass er sich nicht auf irgendeinem Medium zu Wort meldet, von Talkshow bis Twitter – der Minister ist omnipräsent. Im Hintergrund arbeiten seine Staatssekretäre – wie Sabine Dittmar. Zu tun gibt es genug. So übernimmt Dittmar viele Termine für den Minister, etwa bei Verbänden oder sie hält Grußworte.

Alles Termine, die Lauterbach nicht schafft oder nicht schaffen will. Sabine Dittmar sagt dazu nichts – die Arbeitsbelastung ist jedenfalls hoch im Ministerium, auch weil die Abgeordneten im Bundestag sehr viele Anfragen schicken, die auf Sabine Dittmars Schreibtisch landen.

In Lauterbachs Schatten

Dass es nicht immer so einfach läuft mit dem Minister bzw. seiner Pressestelle, war kürzlich in Dittmars Heimat, in Unterfranken, zu beobachten. Sabine Dittmar, so schrieb es die "Mainpost", "musste ein Interview zum Thema Pflege zurückziehen".

Es war offenbar von der Pressestelle des Ministeriums nicht freigegeben worden. Der Fall schlug zumindest in Bayern einige Wellen. Sogar der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) nahm dazu Stellung, um dem Bundesgesundheitsminister notorischen Narzissmus vorzuwerfen: Von der "Mainpost" befragt, sagte Holetschek: Dass Karl Lauterbach als Talkshow-Star auch in seinem Ministerium allein im Rampenlicht stehen wolle, sei zwar nicht überraschend. Aber es sei insbesondere aus bayerischer Sicht schade, dass er seiner Parlamentarischen Staatssekretärin nicht mehr Raum für Medienarbeit gebe. BR24 jedenfalls gab Sabine Dittmar ein exklusives Interview.

Was kommt nach Karl Lauterbach?

Schreibkram statt praktischer Arbeit im medizinischen Bereich – das ist die 58-jährige Unterfränkin mittlerweile gewohnt. Seit 2010 ist Sabine Dittmar hauptamtlich Politikerin. Erst im bayerischen Landtag, dann im Deutschen Bundestag.

Aber war sie nicht auch einmal leidenschaftliche Ärztin? Mit eigener Praxis im unterfränkischen Maßbach? Sie habe sich damals entschieden für die Politik, sagt sie mit einem Lachen, der Job mache ihr Spaß.

Aber die Hausarztdisziplin halte sie nach wie vor für die Königsdisziplin. Sie hätte kein Problem damit, eines Tages wieder als Ärztin zu arbeiten. Ein Abgeordneten-Mandat sei ohnehin ein Job auf Zeit – und für die Zeit danach mache sie auch regelmäßig Fortbildungen.

Ein Nachteil des neuen Jobs in Berlin: Sie schaffe es nicht immer, in ihrem Wahlkreis in Unterfranken präsent zu sein. Am meisten vermisse sie in Berlin ihr Landschaftsbild der Rhön, das bringe ihr nämlich einen inneren Frieden. Den Frankenwein hingegen vermisse sie nicht, den nehme sie mit nach Berlin. In ihrem Abgeordneten-Büro stünden immer Flaschen für Gäste bereit.

Auf dem Platz von Lauterbach - wenn auch nur vertretungsweise

Manchmal sitzt Sabine Dittmar in Berlin auf der Regierungsbank im Bundestag – gelegentlich sogar auf dem Ministerplatz – wenn Karl Lauterbach verhindert ist. Bescheiden und loyal wie sie ist, würde sie niemals sagen, dass sie sich dort an der richtigen Stelle wähnt. Aber wer weiß schon, was bei der nächsten Kabinettsumbildung passieren wird. Dann steht vielleicht doch wieder ein neuer Umzug an.

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