Identitätsprüfung, Asylbewerber

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Immer wieder Probleme mit Identitätsverweigerern

Bei über 7.000 Flüchtlingen in Bayern ist derzeit die Abschiebung ausgesetzt, weil sie keinen Reisepass haben. Wie geht die Behörde damit um und wieso ist es für Asylbewerber nicht einfach, an einen neuen Pass zu kommen? Von Johannes Reichart

Monika Goriß hat keinen Job, um den man sie beneiden müsste: Sie ist Leiterin der Abteilung Passbeschaffung der Zentralen Ausländerbehörde Bayern. Und somit zuständig für 150 Mitarbeiter, die nichts anderes tun haben, als Tag für Tag von abgelehnten Asylbewerbern das Heimatland zu ermitteln. Sie zeigt uns die Räumlichkeiten. Im Erdgeschoss ist ein Raum mit Schaltern, im ersten Stock nüchterne Befragungsräume, mit einem Tisch, drei Stühlen und einem PC.


"Das ist ein Befragungsraum für die Erstbefrager, das heißt, hier sitzt sowohl der Sachbearbeiter, als auch ein Dolmetscher, es wird immer nach dem gleichen Schema befragt. Und dann wird immer alles übersetzt, was der Asylbewerber sagt."

Monika Goriß, Ausländerbehörde Bayern


Feststellung der Identität oft schwierig

Denn diese Information ist nicht nur wichtig, sondern elementar: Ohne Heimatland keine Abschiebung. Goriß und ihre Mitarbeiter werden tätig, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag abgelehnt hat. Dann kommt es zur Befragung durch die Zentrale Ausländerbehörde.


"Man frägt ihn so ein bisschen zu dem Land, wo er in die Schule gegangen ist, wo er gearbeitet hat - wie sind Sie denn hierher gekommen, haben Sie denn vielleicht andere Papiere, einen Führerschein etwa oder eine Geburtsurkunde. Wenn nicht ganz klar ist, wo er her kommt, versucht man das einzugrenzen, schaut über ein Programm nach: Kann das sein, welche Straßen kennt er, welche Geschäfte kennt er usw., und dann versucht man einzugrenzen, wo der herkommt."

Monika Goriß, Ausländerbehörde Bayern

Einzelne Nationalitäten herausgreifen, bei denen die Ermittlung besonders kompliziert ist, möchte die Referatsleiterin nicht. Im Prinzip hätten die Mitarbeiter nur selten hundertprozentige Sicherheit, ob die Angaben stimmten.


"Einzuschätzen, ob jetzt das, was er sagt - zum Beispiel er kommt aus Afghanistan oder Nigeria oder Senegal - ob es tatsächlich so ist, ist natürlich für den Einzelnen hier, der arbeitet, schwierig, weil man ja den Menschen zwar anschaut, aber nicht erkennt, wo sie denn herkommen."

Monika Goriß, Ausländerbehörde Bayern

Eigentlich hat jeder Asylbewerber, also auch die abgelehnten, eine Mitwirkungspflicht. Sprich, er muss alle Dokumente vorlegen, die Aufschluss über seine Herkunft geben. Über die Hälfte tut dies auch. Bei allen anderen fängt dann die Sisiphus-Arbeit an, wie Goriß sagt.


"Gibt natürlich viele, die haben keinen Pass, oder haben einen, legen ihn aber nicht vor, oder haben den Pass verloren oder weggeschmissen, und dann gibt es natürlich die Mitwirkung zu sagen: Ok, wenn Sie keinen Pass haben, dann müssen Sie sich aber bemühen, einen Pass zu bekommen, das heißt, derjenige sollte erstmal selber zum Konsulat gehen und einen Pass beantragen."

Monika Goriß, Ausländerbehörde Bayern


Nicht alle arbeiten mit

Bei manchem Flüchtling wird die Sache dann haarig, so die Abteilungsleiterin.


"Er stellt sich nicht vor beim Konsulat, dann fordert man ihn auf, dann kommt er wieder nicht hin. Dann fordert man ihn erneut auf, dann kommt er wieder nicht zu dem Termin. Und beim mehrmaligen Nichtkommen wird man ihn vielleicht zwangsweise dort hinbringen, zum Konsulat, dass er dort überhaupt erstmal seine Identität feststellt, dann muss er vielleicht irgendwo was unterschreiben, des macht er dann nicht usw. Das ist natürlich etwas, das das Verfahren wahnsinnig in die Länge zieht."

Monika Goriß, Ausländerbehörde Bayern

Regelmäßig organisiert die Ausländerbehörde sogenannte Anhörungen durch ausländische Konsulatsmitarbeiter. Kommen diese dann zur Einschätzung, dass der Asylbewerber aus ihrem Land stammt, erteilen sie Passersatzdokumente. Wenn der Flüchtling dann nicht freiwillig ausreist, wird er abgeschoben, beispielsweise nach Afghanistan. Für das Innenministerium eine logische Folge ihres Verhaltens. Schriftlich heißt es auf Anfrage:


"Personen, die hartnäckig, trotz behördlicher Aufforderung und gesetzlicher Verpflichtung, die Mitwirkung an ihrer Identitätsfeststellung verweigern, stellen ein Sicherheitsrisiko dar; genauso wie es Straftäter und Gefährder tun. Diese Personen wollen wir nicht in Deutschland haben."

Bundesinnenministerium


Beschaffung der Papiere oft mühselig

Für Flüchtlingsanwältin Katharina Camerer aus München werden die Flüchtlinge oft zu Unrecht beschuldigt. Fast alle ihrer Mandanten hätten alles Mögliche versucht, um an Papiere zu kommen.


"Es gibt oft Probleme, dass man Verwandte braucht im Herkunftsstaat, die etwas für einen organisieren. Es gibt die Problematik, dass man nur mit Bestechung Unterlagen bekommen kann, und dass man nicht sicher sein kann, dass derjenige, den ich das organisieren lasse, dass er echte Dokumente besorgt."

Katharina Camerer, Flüchtlingsanwältin

Besonders Flüchtlinge aus Afghanistan kämen schlecht an einen Pass oder die Tasquira ran, die Geburtsurkunde. Denn in afghanischen Dörfern gäbe es schlichtweg keine Standesämter wie hierzulande, sagt Camerer. Afghanische Anwälte in Kabul verlangten dann schon mal 5.000 Euro für die Behördengänge, Geld das die meisten gar nicht haben. Hinzu kommt ein weiterer Umstand:


"Bei den Afghanen ist oft das Problem, dass schon die Familien vor vielen Jahren in den Iran geflohen sind. Viele sind im Iran geboren oder als Kind dorthin, die hatten dort keine Dokumente, da sie dort auch illegal gelebt haben und dann ist es sehr sehr schwierig, Unterlagen zu besorgen."

Katharina Camerer, Flüchtlingsanwältin

Das sieht die Ausländerbehörde anders: Ein Afghane brauche lediglich die Nummer seiner Tasquira oder eine zugeschickte Kopie, um sich dann in Deutschland einen Passersatz im Konsulat ausstellen zu lassen, so die Behördenleiterin.

Fest steht: Die Passbeschaffung ist ein schwieriges Unterfangen - für die Behörden ebenso wie für die Flüchtlinge.