Sechzehn Bundesländer, sechzehn verschiedene Vorgehensweisen im Umgang mit Asylbewerbern: Das ist Bundesinnenminister Horst Seehofer zu viel. Er möchte, dass Asylverfahren in allen Bundesländern gleichermaßen schnell und sicher, wie er sagt, abgewickelt werden. Geschehen soll das in sogenannten Ankerzentren. "Anker heißt Ankunftszentrum, Entscheidungszentrum, Rückführungszentrum“, erklärt Seehofer.
Alles unter einem Dach
Asylbewerber würden in diesen Zentren registriert, sie stellten dort ihren Asylantrag, der dort bearbeitet würde. Bis er entschieden ist sollen die Betreffenden in den Ankerzentren wohnen - bis zu 1.500 Personen könnten bis zu 18 Monate lang dort untergebracht werden. Und im Falle eines abgelehnten Asylantrags direkt von dort in ihre Herkunftsländer rückgeführt werden. Nur wer eine positive Bleibeperspektive, also Aussicht auf Anerkennung des Asylantrags hat, soll in eine Kommune umziehen dürfen und Integrationsmaßnahmen bekommen.
Theorie vs. Praxis
Soweit der Plan, so steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. "Es ist also eine bewusste, klare Entscheidung für diese Ankerzentren," sagt Bundesinnenminister Horst Seehofer.
Seehofer will diese in einer Pilotphase bis Herbst umsetzen; in mehreren Bundesländern sollen Ankerzentren entstehen. Sie sollen in der Zuständigkeit der Länder bleiben, nur so ist Seehofers Zeitplan umsetzbar. Würde der Bund die Ankerzentren einrichten, bedürfe das einer Gesetzesänderung - und das, so Seehofers Befürchtung, könnte dauern.
Nur zwei von 16 Ländern machen mit
Das Problem: Die Länder ziehen nicht so mit wie gewünscht. Eine Umfrage des Bayerischen Rundfunks bei den Innenministerien der Länder hat ergeben: Nur Bayern und Sachsen wollen Ankerzentren einrichten. Das bayerische Kabinett hat gerade beschlossen, dass jeder Regierungsbezirk eine solche Einrichtung bekommt, sieben werden es also insgesamt. Dabei werden bestehende Erstaufnahmeeinrichtungen umgewandelt. Das entspricht dem, was Seehofer vor hat: Wir bauen jetzt nicht auf der grünen Wiese plötzlich eine neue Einrichtung. Sondern wir bauen auf auf dem, was wir haben.“
Doch mit dem, was sie haben, sind die meisten anderen Bundesländer zufrieden. Kurz vor Beginn der Innenministerkonferenz hieß es aus vielen Innenministerien: "Wir sind gespannt auf Seehofers Pläne“. Oder: "Seehofer muss liefern“.
Unklar: Die Frage der Zuständigkeiten
Das meint auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius von der SPD: "Es geht jetzt darum, dass zur Umsetzung dieser Ankerzentren der Bundesinnenminister ein Konzept vorlegen muss“, sagt er und verweist auf die ungeklärte Frage der Zuständigkeiten. Sein Kollege aus Sachsen-Anhalt und Vorsitzender dieser Innenministerkonferenz, Holger Stahlknecht von der CDU, plädiert für bundesweit einheitliche Regelungen. Es würde zu einem „Flickenteppich“ führen, meint er, wenn am Ende jedes Bundesland etwa eine unterschiedliche Verweildauer in den Ankerzentren hätte.
"Ich denke, wenn man schon solche Zentren einrichtet, auch mit einem einheitlichen Begriff, dann sollte es auch einheitliche Regelungen geben." Holger Stahlknecht, Innenminister Sachsen-Anhalt
Sein Land werde sich am Pilot-Projekt nicht beteiligen, so Stahlknecht: "Wir haben das in Sachsen-Anhalt schon sehr lange“, erläutert er im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk: "In einer Landeserstaufnahmeeinrichtung, wo genau diese Bündelung von Aufgaben stattgefunden hat. Für uns ist das per se nichts Neues.“
Länderkonzepte als Blaupause für den Bund?
Ähnliches ist auch aus vielen anderen Ländern zu hören: Hessen, das Saarland und Baden-Württemberg beispielsweise verweisen auf bestehende Strukturen, die gut funktionierten - und die als Blaupause für den Bund dienen könnten, wie sie meinen.
Man brauche kein eigenes Pilotprojekt, heißt es auch aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein teilt mit: „Sofern sich nach der Auswertung der Pilotphase Veränderungsbedarf ergeben sollte, stehen wir einer bundesweiten Fortentwicklung unserer Erstaufnahmerichtungen aufgeschlossen gegenüber.“
Allein auf weiter Flur?
Steht Seehofer mit seinen Ankerzentren-Plänen also verlassen auf bundesweiter Flur? An die Verweigerer hatte er zumindest schon im Vorfeld dieser Innenministerkonferenz eine deutliche Botschaft. Seehofer meint: "Wer nichtmitmachen will, soll das dann auch gegenüber seiner Bevölkerung verantworten.“