Junge Frau, die mit einem Handy telefoniert

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Handystrahlung beeinträchtigt Gedächtnisleistung

Handystrahlung kann dem Gedächtnis schaden. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlern aus Basel an 700 Schülern. Der Effekt sei allerdings sehr gering. Es gebe keinen Grund, Alarm zu schlagen. Von Dietrich Karl Mäurer

Fast jeder hat heutzutage ein Mobiltelefon oder Smartphone. Wer das Gerät beim Telefonieren an den Kopf hält, setzt sein Gehirn hochfrequenten elektromagnetischen Feldern aus. So lange schon, wie es die Handytechnik gibt, gibt es auch Befürchtungen, diese Strahlung könnte gesundheitsschädlich sein. Ein Nachweis ist jedoch schwierig, unter anderem, weil es um Effekte über einen langen Zeitraum geht.

Handy-Studie mit 700 Jugendlichen

Wissenschaftler des Schweizerischen Tropen- und Public-Health Instituts in Basel haben es im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts dennoch gewagt. Sie haben eine Studie mit 700 Jugendlichen zwischen zwölf und siebzehn Jahren durchgeführt. Ein Jahr lang wurde dokumentiert und analysiert, welcher Handystrahlung die Jungs und Mädchen tatsächlich ausgesetzt waren, erklärt der Studienleiter Martin Röösli.

"Also wir haben geschaut, wie viel sie telefonieren, ob sie dabei eine Freisprechanlage benutzen oder einen Lautsprecher. Wir haben geschaut, wie häufig sie im Internet sind, wie häufig sie Textnachrichten schreiben oder auch das Handy zum Spielen benutzen und haben für alle diese Tätigkeiten ein sogenanntes Dosismodell gehabt und abgeschätzt was ist der Beitrag zur Strahlendosis im Kopf." Studienleiter Martin Röösli

Verbale und figürliche Gedächtnis-Tests

Zu Beginn und Ende des einjährigen Untersuchungszeitraums wurde die Gedächtnisleistung der Schüler getestet. Bei den standardisierten Tests ging es zum einen um das verbale Gedächtnis, zum anderen um das figürliche Erinnerungsvermögen.

"Also das sind so ganz abstrakte Figuren zum Beispiel zwei Dreiecke, die aufeinander stehen oder etwas, dass aussieht wie eine Acht oder wie ein Rhombus und es sind zum Teil nur Linien zum Teil schwarz. Und die hatten eine Minute Zeit, sich das zu merken und dann wurde jeweils eine Figur am Bildschirm gezeigt und unten gab es fünf zur Auswahl und sie mussten dann zuordnen, welches das richtige war." Studienleiter Martin Röösli

Figurales Gedächtnis war bei Vielnutzern etwas schlechter

Aus den Testergebnissen und der Analyse der Strahlenbelastung konnten die Wissenschaftler tatsächlich einen Effekt ableiten. So war bei den Jugendlichen, die ihre Handy mehr nutzten, als ihre Mitschüler, die Entwicklung des figuralen Gedächtnisses weniger gut:

"Also man hat maximal 13 Punkte gekriegt in diesem Test und im Durchschnitt , wenn man zwischen hoch und weniger hoch exponierten Jugendlichen geschaut hat, war der Unterschied 0,2 Einheiten. Also das ist ein relativ geringfügiger Effekt." Studienleiter Martin Röösli

Effekt in der Masse könnte spürbar werden

Die Auswirkung der hochfrequenten Handystrahlung auf das Gehirn sei also nicht sehr gefährlich, schlussfolgert Martin Röösli. Was für den Einzelnen kaum wahrnehmbar ist, könne jedoch einen spürbaren Effekt in der Masse haben.

"Für ein Kind ist das noch nicht das Problem, weil dieser Effekt ist so klein, das wird man auch nicht selber realisieren, aber natürlich kann es problematische sein, wenn die ganze Bevölkerung betroffen ist und die Gedächtnisleistung etwas abnimmt." Studienleiter Martin Röösli

Wissenschaftler: Alarm unnötig

Doch es sei verfrüht, Alarm zu schlagen, sagt der Wissenschaftler und verweist auf das Ergebnis einer kleineren, ganz ähnlichen Studie, die vor einigen Jahren am Schweizerischen Tropen- und Public-Health Institut in Basel durchgeführt wurde.

"Wir haben bei der ersten Studie zum Beispiel auch gesehen, dass andere Aspekte der Handynutzung, also viele Jugendliche erzählten uns, dass sie in der Nacht erwacht sind, weil sie Textnachrichten gekriegt haben. Und die Jugendlichen, die das berichtet haben, da haben wir zum Beispiel auf die Müdigkeit auf die Erschöpftheit viel größere Effekte gefunden, als jetzt mit diesem Gedächtnistest, der möglicherweise auf die Strahlung zurückzuführen ist." Studienleiter Martin Röösli

Strahlenbelastung kann man effektiv verringern - mit Freisprecheinrichtung

Auch sei zum Beispiel nicht klar, ob der Effekt der Handystrahlung auf das Gedächtnisvermögen später wieder kompensiert wird. Martin Röösli ist bewusst, dass das Ergebnis seiner Studie für Verunsicherung sorgen könnte. Dennoch sehe er derzeit keinen Grund, das Handy aus dem Leben zu verbannen, zumal es einfach sei, die Strahlenbelastung durch Mobiltelefone zu verringern.

"Grundsätzlich würde ich mal betonen, der Effekt ist nicht dramatisch, also ich glaube nicht, dass man dramatische Maßnahmen ergreifen muss. Aber das Schöne beim Handy ist, dass man wirklich relativ einfach Maßnahmen ergreifen kann, dass die Strahlenbelastung des Gehirns stark abnimmt. Also wenn man das Handy nur schon einige Zentimeter vom Kopf wegnimmt ist die Strahlenbelastung massiv reduziert, also Freisprechanlagen sind sicher eine gute Sache." Studienleiter Martin Röösli

Gute Netzqualität ist wichtig

Im Blick haben sollte man auch die Netzqualität. Je besser der Empfang, umso weniger müsse das Handy strahlen. Martin Röösli sagt: die nun veröffentlichte Studie sei nur ein erster Schritt, um die Wirkung der hochfrequenten elektromagnetischen Felder auf das Gehirn zu erforschen. Deshalb wird man am Baseler Institut weitere Ansätze verfolgen.

"Also wir selber werden jetzt diesen Gedächtniseffekt bei Erwachsenen nochmals genauer anschauen. Wir sind auch interessiert besser zu verstehen, wie wir in der Umwelt exponiert sind. Das ist die Grundlage für solide Studien, dass wir wirklich ein gutes Dosismodell oder Expositionsabschätzungsmodell haben. In diese beiden Richtungen werden wir sicher noch weitergehen." Studienleiter Martin Röösli