In Bayern setzen sich die Proteste gegen die Corona-Auflagen auch an diesem Wochenende fort. Etwa 1.000 Menschen demonstrierten laut Polizei am Samstag in München, in Fürth waren es rund 1.900 Menschen mit 60 Gegendemonstranten. Alle drei Veranstaltungen waren angemeldet und verliefen friedlich, so die Polizei.
Auch außerhalb Bayerns gab es Aktionen, die teils noch größer ausfielen: So gingen in Hamburg trotz eines Verbots etwa 3.000 Gegner der Corona-Politik auf die Straßen. Als die Polizei die Menschenansammlung auflösen wollte, kam es zu Handgreiflichkeiten. Ähnlich viele Menschen versammelten sich, um für Solidarität und gegen Verschwörungsideologien zu demonstrieren. In Freiburg zählte die Polizei etwa 6.000 Gegner der Corona-Maßnahmen sowie 2.500 Gegendemonstranten. In Düsseldorf wurden mehr als 7.000 Gegner einer Covid-Impfpflicht gezählt. Angemeldet gewesen waren nur 2.500 Personen. In Karlsruhe bildeten rund 700 Ärzte, Pflegekräfte und Rettungskräfte eine Lichterkette, um für das Impfen und die Schutzmaßnahmen zu demonstrieren.
Neue Staatsfeinde weder eindeutig rechts noch links
Unterdessen warnt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, vor einer neuen Szene von Staatsfeinden unter den Demonstranten gegen die Corona-Politik. Diese ließen sich den bisherigen Kategorien wie Rechts- oder Linksextremismus nicht mehr eindeutig zuordnen, sagte Haldenwang der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sie verbinde keine ideologische Klammer, sondern die Verachtung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten.
"Sie lehnen unser demokratisches Staatswesen grundlegend ab." Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Extremisten wollen auf vermeintliches Staatsversagen hinweisen
Dabei brauchten diese Extremisten auch kein spezifisches Thema. Die Pandemie sei nur der Aufhänger, so Haldenwang. Ob wegen Corona, der Flüchtlingspolitik oder der Flutkatastrophe: Man habe bei den Protesten teilweise die gleichen Leute gesehen, die versucht hätten, den Eindruck zu vermitteln, der Staat versage und tue nichts für die Menschen. Wie groß die Szene sei, kann Haldenwang noch nicht verlässlich sagen, weil sie ausgesprochen heterogen sei.
Forderungen von Intensivmedizinern und neuer Extremismus
Rechtsextremisten prägen Corona-Proteste
Haldenwang beschrieb immer stärkere Parallelen zwischen Pegida und den "Corona-Spaziergängen". Teilweise würden die gleichen Parolen gerufen. Lange habe es so ausgesehen, als gelinge es den Rechtsextremen nicht, das Demonstrationsgeschehen zu prägen. Das ändere sich aber gerade. So sei es in Sachsen den "Freien Sachsen" gelungen, einen deutlichen Einfluss auf die vielschichtige Protestbewegung in der Region zu nehmen. Insofern könne man sagen, dass Rechtsextremisten zumindest regional an Einfluss gewinnen.
"Freie Sachsen" ist eine Kleinstpartei, die laut sächsischem Verfassungsschutz rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich ist.
Mehr Radikalität und mehr Demonstrationen
Dabei verändere sich die Dynamik bei den Protesten gegen die Corona-Politik. Früher habe es vor allem große Demonstrationen gegeben. Jetzt sei das Geschehen dezentraler, und es gingen mehr Menschen auf die Straße. So habe es allein in der ersten Januarwoche an einem Tag mehr als 1.000 Veranstaltungen mit mehr als 200.000 Menschen gegeben. Sorge bereitet dem Verfassungsschutz-Präsidenten auch die Radikalität einiger Teilnehmer, die nicht nur durch Gewalt gegen Polizei und Medienvertreter zum Ausdruck komme, sondern auch durch Hassparolen im Internet.
Protestler feinden Polizei an
Auffällig sei, dass die Polizei zunehmend als Feindbild in den Fokus rücke. Einsatzkräfte würden nicht nur bei den Protesten, sondern auch im virtuellen Raum zunehmend angefeindet und beispielsweise als "Söldner" oder "Mörder des Systems" diffamiert, so Haldenwang.
Haldenwang: Extremisten werden neues Thema suchen
Der Verfassungsschutz-Chef äußerte die Befürchtung, Extremisten des neuen Phänomenbereichs könnten sich nach dem Ende der Pandemie ein neues Thema suchen, um es für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dies könnten beispielsweise staatliche Maßnahmen zum Klimaschutz sein, wenn die Betroffenen intensivere staatlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels möglicherweise als unrechtmäßig empfinden und ablehnen.
Psychologie der Corona-Demonstranten
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