Seit mehr als 50 Tagen wütet nun der Krieg in der Ukraine und ein Ende ist weiter nicht in Sicht. Kiew erwartet in den nächsten Tagen eine Großoffensive russischer Einheiten im Osten des Landes. Währenddessen werden aus ehemals besetzten Gebieten fast täglich neue Kriegsgräuel gemeldet.
Habeck für mehr militärische Hilfe
Je intensiver der Krieg zwischen Russland und der Ukraine abläuft, desto lauter wird hierzulande auch die Frage diskutiert, welche Verantwortung Deutschland trägt. Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht die Zeit für weitere Waffenlieferungen gekommen. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er: "Es müssen mehr Waffen kommen."
Habeck verwies dabei auch auf die bereits vielfach bekundete Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung. "Wir können die Ukraine in dem Krieg nicht alleine lassen. Sie kämpft auch für uns. Die Ukraine darf nicht verlieren, Putin darf nicht gewinnen." Deutschland stehe in der Pflicht, die Menschen in der Ukraine, die sich mit Mut und Opferbereitschaft wehrten, mit Waffen zu unterstützen.
Lieferung schwerer Waffen noch ausgeschlossen
"Zugleich haben wir eine Verantwortung dafür, nicht selbst zum Angriffsziel zu werden. Das ist der Rahmen, innerhalb dessen wir alles liefern, was möglich ist." Dieser Rahmen "schließt große Panzer oder Kampfflugzeuge bisher nicht ein", betonte Habeck.
"Natürlich bedeutet eine Brutalisierung des Krieges auch, dass man in Quantität und Qualität der Waffenlieferungen zulegen muss." Das müsse man mit den europäischen Partnern und den Nato-Partnern besprechen. Ob Putin sich an diesen gesetzten Rahmen halten werde, könne niemand mehr ernsthaft abschätzen. "Daher können wir nur nach bestem Wissen und Gewissen handeln - entlang der Wirklichkeit. Das ist unsere Verantwortung."
Kampfpanzer Leopard 1 aktuell nicht einsatzbereit
Auf die Frage, ob sein Ministerium die Ausfuhr von Kampfpanzern des Typs Leopard 1 des Rüstungskonzerns Rheinmetall an die Ukraine genehmigen werde, sagte Habeck, diese Panzer seien aktuell nicht einsatzbereit. Ihre Aufarbeitung dauere Monate. Wenn es um kurzfristige Unterstützung gehe, müsse man auf Bestände von anderen Armeen zurückgreifen. "Das kann nur im EU- und Nato-Verbund besprochen werden", so der Grünen-Politiker.
Auch der SPD-Außenpolitiker Michael Roth spricht sich für umfassende Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag sagte der "Frankfurter Rundschau": "Die Ukrainerinnen und Ukrainer können sich nur verteidigen mit Waffen - und dabei sollten wir sie rasch und umfassend unterstützen."
Forderungen an Kanzler Scholz nehmen zu
Bei einem militärischen Sieg Russlands drohten neue militärische Konflikte in Moldau, Georgien und vermutlich auch auf dem westlichen Balkan, sagte Roth. "Deswegen muss – und das ist auch in unserem nationalen und europäischen Interesse – die Ukraine diesen furchtbaren Krieg gewinnen."
Insgesamt steigt damit der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich in der Debatte um weitere Waffenlieferungen bislang stets zurückhaltend geäußert hat. Auch die CSU spricht sich nun für mehr militärische Hilfe aus. "Die Zeit für langwierige Ampeleien ist vorbei", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Deutschen Presse-Agentur. "Deutschland kann und muss deutlich mehr militärische Unterstützung leisten." Es brauche eine weitere Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine auch mit schweren Waffen, geschützten Fahrzeugen und Aufklärungstechnik mit Drohnen. Diese müssten nicht nur von der Bundeswehr, sondern vor allem auch aus der Industrie heraus geliefert werden.
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Ukraine lehnt deutsche Argumente gegen Waffenlieferungen ab
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte von Bundeskanzler Olaf Scholz eine schnelle Zusage für weitere deutsche Waffenlieferungen. "Ich hoffe, dass Scholz eine positive Entscheidung fällt", sagte Kuleba am Donnerstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Argumente gegen eine Lieferung der geforderten Waffen seien nicht stichhaltig. Aus Sicht Kulebas hätte der Krieg vermieden werden können, "wenn Deutschland früher Waffenlieferungen zugelassen hätte". Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hatte die Zustimmung ihrer Partei für schwere Waffenlieferungen bereits am Dienstag nach einer Reise in die Ukraine signalisiert.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fordert eine schnelle Zusage für weitere deutsche Waffenlieferungen.
Habeck ruft Bürger zum Energiesparen auf
Neben Waffenlieferungen beschäftigt die Grünen auch weiter das Thema Energie. Dort sieht Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck auch die Bürger in der Pflicht. Er hat die Menschen dazu aufgerufen, Energie zu sparen. "Ich bitte jeden und jede, jetzt schon einen Beitrag zum Energiesparen zu leisten", sagte der Grünen-Politiker "Als Faustformel würde ich ausgeben: zehn Prozent Einsparung geht immer." Habeck kündigte eine entsprechende Kampagne der Regierung an.
"Wir können nur unabhängiger von russischen Importen werden, wenn wir es als großes gemeinsames Projekt ansehen, an dem wir alle mitwirken", sagte er. Der Vizekanzler nahm auch die Arbeitgeber in die Pflicht. Diese sollten nach Möglichkeit "Homeoffice anbieten, um Energie zu sparen", sagte er. "Homeoffice haben wir auch in der Pandemie gemacht. Wo das geht, könnte man wieder ein oder zwei Tage in der Woche zu Hause arbeiten - alles erst einmal auf freiwilliger Basis."
Versorgungsengpässe in der Industrie sollen vermieden werden
Außerdem legte Habeck den Bürgern nahe, an Ostern die Bahn oder das Fahrrad zu nutzen. "Das schont den Geldbeutel und ärgert Putin." Auf die Frage nach autofreien Sonntagen sagte er: "Man kann ja jetzt schon so gut es geht das Auto stehen lassen - und das nicht nur am Sonntag. Jeder nicht gefahrene Kilometer ist ein Beitrag, um leichter von russischen Energielieferungen wegzukommen. Das Klima schützen wir obendrein."
Habeck warnte vor einer Situation, in der es zu Versorgungsengpässen und der Abschaltung von Industrieanlagen kommt. Dies sei "ein wirtschaftspolitischer Albtraum", sagte er. "Man kann da eigentlich nichts richtig machen - nur weniger falsch. Wir reden dann nicht über 'Frieren für die Freiheit' oder einen wärmeren Pullover für drei Tage. Wir sprechen dann über massive Einbrüche in den deutschen Wirtschaftskreisläufen." Deswegen werde alles unternommen, um das zu vermeiden. Die Bundesregierung bereite sich auf alle möglichen Szenarien bei der Energieversorgung vor.
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