Vorstandsklausur Bündnis 90/Die Grünen

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Grüne: Warum Cem Özdemir ein Schattendasein droht

Weder Simone Peter noch Cem Özdemir stellen sich zur Wiederwahl als Grünen-Chefs. Özdemir hätte gerne ein anderes Amt übernommen, scheitert aber an den internen Regeln der Grünen. Das droht auch Robert Habeck. Von Wolfgang Kerler

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Simone Peter macht einen Rückzieher. Eigentlich wollte sie sich Ende Januar als Parteivorsitzende zur Wiederwahl stellen. Doch es sah nicht gut aus für sie. Eine Abstimmungsniederlage drohte, denn in den vier Jahren als Grünen-Chefin blieb sie oft blass. Meist stand sie im Schatten ihres Co-Vorsitzenden Cem Özdemir.

Selbst im linken Flügel der Partei, dem Peter zugerechnet wird, galt sie als umstritten. Nachdem mit der niedersächsischen Fraktionschefin Anja Piel jetzt eine andere Parteilinke ihre Kandidatur ankündigte, gab Peter auf. Die "Realos“ Robert Habeck und Annalena Baerbock hatten ihre Bewerbung schon im Dezember öffentlich gemacht.

"Ich habe nach der Bundestagswahl wahrgenommen, dass (…) die Partei sich auf eine Neuaufstellung fokussiert (...) Ich sehe das Personalangebot, was jetzt da ist, ganz in der Tradition dessen, wofür wir in den letzten Jahren immer wieder gekämpft haben." Simone Peter, Parteivorsitzende der Grünen

Damit meint Peter: den Einsatz für eine ökologischere, gerechtere und weltoffenere Republik, Eintreten gegen Hass und Rassismus, Werben für ein starkes Europa und eine gerechtere Globalisierung.

Özdemir droht Hinterbänkler-Dasein

Cem Özdemir hatte schon vorher klargemacht, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Seit über neun Jahren führt er die Grünen an, so lange hielt sich vor ihm nur Claudia Roth an der Spitze. Wäre es zu einer Jamaika-Koalition gekommen, hätte Özdemir, der auch Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf war, Außenminister werden können.

Nun allerdings droht ihm ein politisches Hinterbänkler-Dasein. Trotz eines soliden Wahlergebnisses. Trotz der aus grüner Sicht stark geführten Jamaika-Verhandlungen. Trotz Umfragen, in denen Özdemir oft der beliebteste Grüne ist.

Eigentlich hätte Özdemir gerne den Vorsitz der Bundestagsfraktion übernommen. Doch es zeichnete sich ab, dass er eine Kampfabstimmung gegen den amtierenden Fraktionschef Anton Hofreiter verlieren würde. Also zog sich Özdemir zurück.

"Ich nehme es zur Kenntnis, wenn die Fraktion nach anderen Kriterien entscheidet wie vielleicht der Rest der Mitglieder oder der Rest unserer Wähler oder die Gesamtgesellschaft." Cem Özdemir, Parteivorsitzender der Grünen im Morgenmagazin von ARD und ZDF

Özdemir beklagt "doppelte Doppelquote"

Mit den "anderen Kriterien" meint Özdemir die Quotenregelungen bei den Grünen. Die Doppelspitze der Fraktion setzte sich in den vergangenen Jahren immer aus einer Frau und einem Mann zusammen. Einer von beiden gehörte dabei dem "Realo"-Flügel der Partei an, der oder die andere dem linken Flügel.

Da Katrin Göring-Eckardt derzeit die einzige weibliche Kandidatin für den Fraktionsvorsitz ist, diese aber als "Realo" gilt, ist für Özdemir nach dieser Logik kein Platz mehr. Die Fraktion war offenbar auch nicht bereit, eine Ausnahme zu machen.

"Die doppelte Doppelquote führt eben manchmal dazu, dass man de facto keine Wahl mehr hat." Cem Özdemir, Parteivorsitzender der Grünen im Morgenmagazin von ARD und ZDF

Auch Habeck könnte an parteiinternen Regeln scheitern

Beim Parteitag Ende Januar wollen die Grünen den Parteivorsitz neu regeln. Auch hier gibt es eine Doppelspitze, in der laut Satzung "mindestens eine Frau" vertreten sein muss. Auch hier gilt das ungeschriebene Gesetz, dass sowohl die "Realos" als auch die Linken repräsentiert werden müssen.

Und dann gibt es noch eine Regel aus der Grünen-Satzung, die ausgerechnet dem prominentesten Kandidaten zum Verhängnis werden könnte: Parteichefs dürfen nicht Mitglieder einer Landesregierung sein. Genau das ist aber bei Habeck, dem eigentlich aussichtsreichsten Kandidaten für den Parteivorsitz, der Fall.

Habeck will für etwa ein Jahr Minister bleiben

Habeck ist derzeit Umweltminister der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Und, obwohl er für den Parteivorsitz kandidiert, möchte er das im Falle seiner Wahl für eine Übergangszeit von etwa einem Jahr auch bleiben.

Er will die von ihm angestoßenen Projekte - von der Windkraftplanung bis zur neuen Düngeverordnung - zu Ende bringen. Daher hofft er, dass der Parteitag entweder zum Schluss kommt, dass diese Übergangsfrist durch die Satzung gedeckt ist, oder die Satzung ändert.

"Was ich nicht machen werde, ist: Kandidieren im Wissen, dass ich die Satzung breche oder verbiege." Robert Habeck, Die Grünen, Umweltminister von Schleswig-Holstein

Linke Piel konkurriert mit "Realo" Baerbock

Neben Habeck gibt es zwei Kandidatinnen für den Grünen-Vorsitz. Erst jetzt machte Anja Piel, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, ihre Bewerbung bekannt. Die Parteilinke stellte dabei Fragen der Chancengerechtigkeit und Sozialpolitik in den Mittelpunkt. Außerdem strebt sie mehr Mitsprachemöglichkeiten für die Parteibasis an.

Schon im Dezember hatte die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock ihre Kandidatur erklärt. Sie gilt als Expertin für Klima- und Europapolitik. Ihre Schwierigkeit: Sie gehört zum "Realo"-Flügel, dem auch Habeck angehört. Der ist allerdings der einzige Mann, der antritt.