Robert Habeck spricht bei einer Pressekonferenz zum entlassenen Staatssekretär Graichen.
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Robert Habeck spricht bei einer Pressekonferenz zum entlassenen Staatssekretär Graichen.

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Graichen muss gehen – was sind die Folgen für Habeck?

Überraschende Wende im Fall Graichen: Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium ist seinen Job nun doch los - wegen Ungereimtheiten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Für Minister Habeck ist der Fall damit noch unangenehmer als bisher.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Noch vor einer Woche waren sie ein Duo: Robert Habeck und Patrick Graichen. Im Wirtschafts- und Klimaschutzausschuss des Bundestages räumten sie Fehler ein – und gaben sich zugleich kämpferisch. Ja, so Graichen damals, er habe bei der Vergabe des Geschäftsführerpostens der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) an seinen Trauzeugen Michael Schäfer Fehler gemacht und diesen Fehler bereue er sehr. Und sein Chef stärkte ihm den Rücken: Er habe entschieden, gab sich Habeck unbeirrt, dass Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen müsse.

Fördermittel für den Verband der eigenen Schwester

Am Mittwoch ist die Lage im Bundeswirtschaftsministerium eine andere. Robert Habeck kommt allein zur eilig einberufenen Pressekonferenz in seinem Ministerium. Patrick Graichen ist nicht mehr dabei. Am Vorabend, erklärt Habeck, habe er seinem Staatssekretär mitgeteilt, dass "die gemeinsame Arbeit nicht fortgesetzt" werde.

Dass er den Bundespräsidenten bitten werde, Graichen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Welche Ansprüche Graichen erworben hat, ist laut Habecks Ministerium noch nicht geklärt. "Die Compliance-Brandmauer hat Risse", setzt Habeck zu Begründung an und berichtet den staunenden Journalistinnen und Journalisten von einem weiteren Fall, der nun ans Licht gekommen sei.

Graichen höchstpersönlich habe im November 2022 eine Projektskizze des BUND-Landesverbandes Berlin als förderwürdig eingestuft. Zwar sei die Fördersumme in Höhe von 600.000 Euro nicht geflossen. Dennoch hätte Graichen die Skizze nicht abzeichnen dürfen. Der Grund: Seine Schwester sitzt im Vorstand des Verbands und war bis Mai 2022 sogar dessen Vorsitzende.

Sturz über "einen Fehler zu viel"

An seiner Miene ist leicht abzulesen, wie sehr Habeck sich über diesen neuerlichen Fall ärgert. Dass er sich von Graichen hintergangen fühlt, sagt Habeck nicht. Es ist aber schwer vorstellbar, dass es ihn kalt lässt, über diesen klaren Regelverstoß nicht frühzeitig informiert worden zu sein. Nach dem gemeinsamen Auftritt vor einer Woche hatte Habeck sein Festhalten an Graichen noch mit dem Hinweis flankiert, eine stärkere Differenzierung der Debatte werde seine "Entscheidung klarer verständlich" machen. Heute steht Habeck blank da.

 BR-Korrespondent Marcus Overmann im Gespräch zum Fall Graichen.
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BR-Korrespondent Marcus Overmann im Gespräch zum Fall Graichen.

Scholz stärkt Habeck den Rücken

Der Kanzler steht zu seinem Minister. Olaf Scholz erklärt am Rande des Gipfeltreffens des Europarats in der isländischen Hauptstadt Reykjavik, er gehe davon aus, "dass der Wirtschaftsminister jetzt seine Arbeit mit voller Kraft fortsetzt".

Die Frage, ob der Schritt zu spät gekommen sei, lässt Scholz allerdings vielsagend unbeantwortet. Eingeschränkt solidarisch zeigt sich auch der andere Koalitionspartner. Martin Hagen, wahlkämpfender FDP-Chef in Bayern, spricht zwar von einer richtigen Entscheidung, kann sich aber den vergifteten Stoßseufzer darüber nicht verkneifen, wie gut es für die Koalition sei, "dass dieser grüne Familienfilz jetzt ein Ende hat".

In diesem Punkt kommt die Opposition erwartungsgemäß zu einem anderen Ergebnis. Für den Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, ist "der Filz-Skandal im Umfeld von Robert Habeck" damit noch nicht aufgearbeitet. "Die immer neuen Erkenntnisse über Familienbande und Kumpanei unter Minister Habeck machen die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses immer wahrscheinlicher."

Zügige Nachbesetzung

Ehe er sich den Fragen der Opposition stellt, muss Robert Habeck aber erst einmal einen neuen Staatssekretär finden. Auf der heutigen Pressekonferenz macht der Minister deutlich, den frei gewordenen Posten noch vor der parlamentarischen Sommerpause nachbesetzen zu wollen. Heißer Kandidat soll der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sein. Wie Habeck ist Müller ein Grüner und war früher Landesminister in Schleswig-Holstein. Eine Stellungnahme zu diesem Gerücht gibt es weder aus der Bundesnetzagentur noch aus Habecks Ministerium. Auf die Nachfrage, ob er schon jemanden im Auge habe, lässt Habeck jedoch für einen kurzen Moment tief blicken. Für ihn sei klar: "Ich werde nicht meinen Trauzeugen zum Staatssekretär machen."

Archivbild: Graichen und Habeck
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Archivbild: Graichen und Habeck

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