Dank zusätzlicher Millionen Impfdosen neu entwickelter Corona-Vakzine will die Bundesregierung auf einen möglichen erneuten Anstieg der Infektionszahlen im Herbst und eventuelle neue Virusvarianten vorbereitet sein. "Eine Lehre aus der Pandemie ist: Nie wollen wir wieder zu wenig Impfstoff haben", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Berlin. "Wir möchten all denjenigen, die das brauchen oder wünschen, eine vierte Impfung anbieten können."
Neue angepasste Impfstoffe
Es lasse sich nicht vorhersagen, mit welchen Varianten man im Herbst ringen werde. "Wir müssen auf Varianten vorbereitet sein, die dann einen neuen angepassten Impfstoff benötigen", betonte Lauterbach. Bisher gebe zwei Corona-Serotypen - die "Wuhan"-Variante, zu der auch die Delta-Varianten gehörten, sowie die Omikron-Varianten. "Wir wissen, dass es Delta-Varianten auch dort noch gibt, wo die Omikron-Varianten sich weit verbreitet haben", erläuterte der Minister.
Für die Wuhan-Varianten habe Deutschland bereits ausreichend Impfstoff, zudem sei ein angepasster Omikron-Impfstoff von Biontech bereit bestellt worden. Nun werde auch noch ein sogenanntes bivalentes Vakzin von Moderna geordert, das sowohl für die Wuhan- als auch für die Omikron-Variante wirke. "Wir werden somit im Haushalt weitere 830 Millionen Euro bereitstellen, um auch diesen Impfstoff beschaffen zu können", kündigte er an.
100 Millionen Euro im Monat für die Impfzentren
Derzeit wird laut Lauterbach eine Impfkampagne vorbereitet, "um den Impfstoff verimpfen zu können, wenn er im Herbst spätestens gebraucht wird". Daher würden die Impfzentren weitergeführt und vom Bund mit maximal 100 Millionen Euro pro Monat unterstützt. "Wir können nicht über Nacht impfen, wir wollen aber so schnell wie möglich impfen."
Jeder solle dann das Vakzin seiner Wahl erhalten können. "Ich muss so viel Impfstoff haben, dass zur Not mit einem Impfstoff alle geimpft werden könnten." Dabei nimmt die Bundesregierung dem Minister zufolge in Kauf, dass bereits beschaffte Impfstoffe auch verfallen könnten. "Wenn neue Varianten kommen und neue Impfstoffe, dann muss man neue Impfstoffe beschaffen, derweil auch ein Teil des alten Impfstoffes verfällt. Das ist dann in der Sache begründet."
"Wir können noch Impfstoff nachbestellen"
Zur Menge des bestellten Impfstoffes sagte der Minister: "Wir haben in der Größenordnung bestellt, dass wir, wenn sich jetzt zum Beispiel 40 Millionen Menschen impfen lassen wollten, wir dies rasch tun könnten." Er fügte hinzu: "Wenn das Interesse so groß ist, was ich nicht glaube, könnten wir dann sogar noch Impfstoff nachbestellen."
Die Impfkampagne werde sehr davon abhängen, welche Varianten dann bekämpft werden müssen und welche Impfempfehlung durch die Ständige Impfkommission (Stiko) es geben werde. Bisher empfiehlt die Stiko eine vierte Corona-Impfung nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen - unter anderem für ab 70-Jährige, Bewohner von Pflegeheimen, Menschen mit geschwächtem Immunsystem sowie für Beschäftigte in medizinischen und Pflegeeinrichtungen. Lauterbach zufolge wäre eine weitergehende Empfehlung "wünschenswert", allerdings fehle dafür die medizinische Grundlage, "weil wir ja nicht wissen, welche Variante kommt".
Welche Beschränkungen kommen ins neue Infektionsschutzgesetz?
Erneut begrüßte der Minister die Forderung der Gesundheitsminister der Länder nach einer rechtzeitigen Vorbereitung auf eine neue Corona-Welle im Herbst. Sie hatten am Montag einen "Masterplan zur Bekämpfung der Corona-Pandemie" gefordert. Dazu müsse das Infektionsschutzgesetz aus Sicht der Länder spätestens zum 23. September überarbeitet werden. Die Länder bräuchten die Befugnis, eine generelle Maskenpflicht in Innenräumen, 3G- und 2G-Zugangsbeschränkung sowie die Erstellung von Infektionsschutzkonzepten anzuordnen.
Auch Lauterbach hält ein "funktionierendes Infektionsschutzgesetz" für notwendig, wollte sich aber zu möglichen neuen Corona-Beschränkungen zunächst nicht äußern. Er wolle die Länder-Vorschläge, die er selbst richtig finde, zunächst mit den Koalitionspartnern und im Kabinett besprechen. Seine Meinung jetzt schon öffentlich auszubreiten, "wäre kein guter Stil". Der SPD-Politiker zeigte sich zuversichtlich, sich auch mit der FDP "auf notwendige Maßnahmen sehr gut verständigen" zu können. "Wir gehen fest davon aus, dass wir im Herbst gut vorbereitet sein werden."
Lauterbach kündigt G7-Pandemie-Pakt an
Kurz vor dem G7-Gesundheitsministertreffen warb Lauterbach zudem dafür, einen Pandemie-Pakt zu schließen, um mögliche weitere Pandemien schneller zu erkennen und effektiver darauf reagieren zu können. Ein "weltumfassendes System" - ein "Pact for pandemic readiness" - solle dafür sorgen, das Ausbrüche rascher bekämpft und Medikamente und Impfstoffe schneller entwickelt werden. Der Minister kündigte dazu einen "wegweisenden Beschluss" an. Es dürfe nicht übersehen werden, dass die steigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels "zukünftige Pandemie-Geschehen wahrscheinlicher machen".
Expertinnen warnen
Nach Ansicht von Expertinnen ist die Welt zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie kaum besser auf globale Gesundheitsbedrohungen eingestellt. Mit den sinkenden Fallzahlen in westlichen Ländern verliere das Thema an Fahrt, beklagten Ellen Johnson Sirleaf und Helen Clark in Genf. Die frühere Präsidentin Liberias und die ehemalige Regierungschefin Neuseelands hatten vor einem Jahr im Auftrag der WHO konkrete Empfehlungen für eine bessere Pandemievorbereitung vorgelegt.
Sollte das Tempo für eine Neuausrichtung der internationalen Zusammenarbeit im Gesundheitssektor nicht anziehen, werde es Jahre dauern, bis die Welt eine ähnliche Bedrohung meistern könne, warnten sie nun. "Wenn in diesem Jahr eine neue Gesundheitsbedrohung auftauchen würde, müsste die Welt weitgehend auf dieselben Werkzeuge zurückgreifen wie 2019", sagte Clark.
(Mit Material von dpa)

Karl Lauterbach
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