Jamaika gilt den mutmaßlichen Groko-Parteien als warnendes Beispiel. Die Spitzen von Union und SPD waren sich einig, dass man die Sondierung diesmal strategisch anders anpacken wollte als die Jamaika-Sondierung: keine Balkon-Bilder, keine Papiere mit Zwischenständen, keine Twitter-Botschaften aus den Sitzungen. Kurz: mehr Diskretion.
Schulz und Seehofer bangen laut „Bild“ um Karriere
Die Generalprobe dafür scheint allerdings schief gegangen zu sein. Aus einem Vorbereitungsgespräch unter den Spitzen von CDU, CSU und SPD hat wohl jemand etwas der "Bild"-Zeitung gesteckt. SPD-Chef Schulz soll demnach zu Merkel und Seehofer gesagt haben: "Wenn das schiefgeht, ist meine politische Karriere zu Ende" – woraufhin Seehofer geantwortet haben soll: "Nicht nur deine."
Wie (in)diskret auch immer in den nächsten Tagen sondiert wird: CDU-Chefin Merkel hat klar das Ziel einer Großen Koalition vor Augen. Einer Minderheitsregierung, in der die Union zwar alle Ministerposten selbst besetzen könnte, sich aber für jedes Gesetzesvorheben eine Mehrheit organisieren müsste, ist für sie keine Option. Der CSU-Vorsitzende Seehofer sieht das ganz ähnlich.
SPD ist nicht auf Groko festgelegt
Die SPD dagegen sondiert offiziell ergebnisoffen. Mehrere Spitzenpolitiker der Sozialdemokraten bringen immer wieder Alternativen zu einer Großen Koalition ins Gespräch – wohl wissend, dass die Ergebnisoffenheit in der SPD vereinbart ist und die Mitglieder am Ende einem etwaigen Koalitionsvertrag zustimmen müssten.
Heute Vormittag treffen sich zunächst die Parteichefs Merkel, Schulz und Seehofer, die Fraktionsvorsitzenden Kauder und Nahles sowie CSU-Landesgruppenchef Dobrindt zum Sechser-Gespräch. Dann kommt zum ersten Mal die gesamte Sondierungsrunde zusammen – 39 Frauen und Männer, 13 von jeder Partei.
Arbeitsgruppe Europa ist Chefsache
Die verteilen sich am Nachmittag zum ersten Mal auf die 15 Arbeitsgruppen – wobei sie von Fachpolitikern unterstützt werden. Bemerkenswert ist, dass die Arbeitsgruppe Europa Chefsache ist. Merkel, Schulz und Seehofer sondieren darüber persönlich, unterstützt von den Europa-Parlamentariern Daniel Caspary, Udo Bullmann und Manfred Weber.
Politiker von CDU, CSU und SPD haben in den zurückliegenden Tagen immer wieder Kompromissbereitschaft signalisiert – wobei die Parteien in einigen Politikfeldern noch weit voneinander entfernt zu sein scheinen. Nächsten Freitag wollen die Parteien Ergebnisse der Sondierungen in ihren Gremien beraten; bei der SPD wird in zwei Wochen ein Parteitag entscheiden, ob aus den Sondierungen Koalitionsverhandlungen werden.