Ein Arzt vor einer Operation (Symbolbild)
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Ein Arzt vor einer Operation (Symbolbild)

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Geplante Klinik-Reform: Was bringen Fallpauschalen?

Gesundheitsminister Lauterbach hat versprochen, dass die Bedeutung der sogenannten Fallpauschalen sinken wird. Kritiker bemängeln etwa, dass diese Pauschalen zu teuren Fehlanreizen führten. Doch was heißt das konkret?

Die Fallpauschalen oder "diagnosis related groups" (DRG) sollten bei ihrer Einführung im Jahr 2004 das Gesundheitssystem effizienter machen. Das DRG-System regelt, dass ein Krankenhaus für einen Behandlungsfall abhängig von der jeweiligen Diagnose einen festen Betrag erhält. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will dieses System nun verändern. Anlass zur Frage: Was bringen Fallpauschalen?

Für die Implantierung eines Defibrillators in einer Herzkammer erhielt eine Klinik im Jahr 2022 in der Regel 5.187 Euro, für eine Lungentransplantation 24.720 Euro. Mit diesen Pauschalen muss eine Klinik auskommen. Das bedeutet: Kann sie einen Patienten schnell wieder entlassen, macht sie Gewinn, muss er länger bleiben, legt sie drauf. Die Fallpauschalen sollten auch die Liegezeiten reduzieren. Vor 2004 wurden Krankenhäuser für jeden Tag bezahlt, den eine Patientin oder ein Patient in einem ihrer Betten lag. Ob dieses Reduktionsziel erreicht wurde, ist unklar.

Kritiker: Fallpauschalen führen zu teuren Fehlanreizen

Laut einer Studie der Universität Hamburg sank die durchschnittliche Verweildauer seit der DRG-Einführung zwar. Sie sank allerdings schon vorher - sogar schneller als danach. In anderen Bereichen habe das DRG-System durchaus für mehr Sparsamkeit gesorgt, erklärt die Politologin Ricarda Milstein, Mitarbeiterin am Lehrstuhl Management im Gesundheitswesen der Uni Hamburg: "Das hat schon einen Anreiz geschaffen, besser mit finanziellen Ressourcen umzugehen." Durch das Kodiersystem, in das die Behandlungsfälle in den Kliniken einsortiert werden, seien die Häuser auch transparenter geworden. Kritiker weisen darauf hin, dass das DRG-System zu teuren Fehlanreizen führe.

So zeigt ein Gutachten des GKV-Spitzenverbands aus dem Jahr 2012, dass seit Einführung der Fallpauschalen die Zahl der behandelten Fälle gestiegen ist - und zwar so stark, dass sich dieser Anstieg mit einer immer älter und kränker werdenden Bevölkerung allein nicht erklären lässt.

"Qualität ist kein Bestandteil des DRG-Systems"

Eine Untersuchung der Uni Düsseldorf weist auf das sogenannte Upcoding hin. Krankenhäuser gruppieren demnach Patienten unter Umständen in Diagnosegruppen ein, die besser vergütet werden. "Qualität ist kein Bestandteil des DRG-Systems", kritisiert Politologin Milstein, "alle Krankenhäuser werden gleich behandelt." Kliniken der Maximalversorgung, die oft komplizierte und schwierige Fälle behandeln, haben daher Mühe, mit den Fallpauschalen auszukommen.

Die Auslastung von Herzkatheterlaboren oder orthopädischen Abteilungen lässt sich in der Regel gut planen, was für stabile Erlöse sorgt. Das DRG-System zwinge Klinken daher "zum Aufbau von Spezialabteilungen, obwohl diese in der Region bereits vorhanden sind", kritisiert die Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Zugleich führe das System dazu, dass beispielsweise Geburtshilfe- und Kinderstationen kaum zu finanzieren seien. Deren Auslastung ist schlecht planbar, ihre Vorhaltekosten bleiben aber auch bei geringen Fallzahlen fast gleich.

Im Video: Lauterbach spricht über die "Revolution" der Krankenhausfinanzierung

Karl Lauterbach
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Karl Lauterbach erläuterte auf der Bundespressekonferenz am Dienstag seine Pläne für eine Krankenhausreform.

Folgen für die Pflege

In der vergangenen Woche beschloss der Bundestag dreistellige Millionenzuschüsse für die Geburtshilfe und die Kinderkliniken. Nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Lauterbach ist das der erste Schritt zur Abschaffung der Fallpauschalen in der Kinderheilkunde. Das DRG-System steht im Verdacht, den Personalmangel in der Pflege mitverursacht oder verschlimmert zu haben. Kliniken können ihre Erlöse steigern, wenn sie ihren Aufwand reduzieren - zum Beispiel in der Pflege. Denn ärztliches Personal bringt Geld ein, wenn es Diagnosen stellt. Die Pflege hingegen kostet nur. Für diesen Vorwurf gibt es nach Auskunft Milsteins aber keine Bestätigung aus der Forschung.

Milstein gibt zu bedenken, dass es mittlerweile mit den Pflegeuntergrenzen einen Mechanismus gebe, der allzu großen Personalabbau in der Pflege verhindere. Das DRG-System biete durchaus Vorteile, sagt Milstein. Deutschland verlasse sich aber bei der Klinikfinanzierung zu sehr darauf. Andere Länder modifizierten ihre Fallpauschalen in der Vergangenheit, um die Nachteile des Systems einzuhegen.

Mit Informationen von epd

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