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Geheimdienste im Bundestag

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Geheimdienstchefs stehen Rede und Antwort

Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages ist dafür zuständig, die Arbeit der Nachrichtendienste des Bundes im Auge zu behalten. Normalerweise finden die Beratungen im Geheimen statt. Heute war das anders. Von Arne Meyer-Fünffinger

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock.

"Was sie heute erleben, ist eine doppelte Premiere" – als der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), Clemens Binninger (CDU) mit diesem Satz die Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums eröffnete, lag ein Hauch von Geschichte in der Luft. Erstmals saßen ihm und den acht weiteren PKGr-Mitgliedern die drei Chefs der Geheimdienste Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), BND und MAD, Hans-Georg Maaßen, Bruno Kahl und Christof Gramm gegenüber - im Europasaal des Paul-Löbe-Hauses. Drei Stunden lang beantworteten sie die Fragen der Bundestagsabgeordneten, sofern es die Geheimhaltungsvorschriften zuließen. Und: erstmals übertrug das Parlamentsfernsehen die Sitzung live, die Zuschauer auch auf der Bundestags-Internetseite verfolgen konnten.

Maaßen: "In unseren Geschäftsfeldern boomt es"

Es ging um nahezu alle Themen, die die Sicherheitsbehörden gerade beschäftigen.

"Wäre ich Geschäftsmann, könnte ich sagen, in all unseren Geschäftsfeldern boomt es. Leider ist dies keine positive Nachricht." Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz

Damit war die Tonlage für die Anhörung gesetzt. Die Präsidenten der Nachrichtendienst-Behörden sehen sich selber vor Herausforderungen, die so groß sind wie noch nie. Beispiel: islamistischer Terrorismus. Maaßen machte klar, verglichen mit dem RAF-Terror vor 40 Jahren sei die Lage jetzt in Deutschland und anderswo deutlich komplexer.

Mehr als 1.800 potentielle islamistisch-terroristische Personen

"10.300 Salafisten in Deutschland. Über 1.800 Personen, die wir zum islamistisch-terroristischen Personenpotential zählen. Alleine rund 650 Hinweise, die meine Behörde in diesem Jahr aus der Bevölkerung auf Gefährdungssachverhalte erhielt." Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz

Bei dieser Gelegenheit machten Maaßen und seine Kollegen keinen Hehl daraus, dass die Kooperation der Behörden im In- und Ausland zwar gut sei, was aber die rechtlichen Möglichkeiten angeht, den instrumentellen Werkzeugkasten, die personelle Ausstattung, da sehen die Chefs der Nachrichtendienste hierzulande Nachholbedarf.

"Eine effektive Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden erfordert insbesondere im Bereich des gewaltbereiten Extremismus einen harmonisierten Rechtsrahmen mit wirksamen Befugnissen." MAD-Präsident Christof Gramm

Kahl: Im Kampf gegen Cyber-Attacken mehr Personal notwendig

Vor welchen Problemen die Sicherheitsbehörden stehen, machte BND-Präsident Bruno Kahl anhand der Bedrohungen durch Cyber-Attacken deutlich. "Diese Angriffe sind vielfältig und massenhaft", sagte er. Es gebe Attacken aus dem In- und Ausland, teilweise auch staatlich gelenkt. Sie dienten der Sabotage und Manipulation. Die Akteure seien dabei nicht immer identifizierbar. "Die Herausforderungen wachsen jeden Tag", so Kahls Fazit.

Doch keine Desinformationskampagne vor der Wahl? Schmallippige Antworten

Warum es im Vorfeld der Bundestagswahl am Ende doch keine Desinformationskampagne gegeben habe, wollten die PKGr-Mitglieder dann auch noch wissen. Die Antworten darauf von den Nachrichtendienst-Chefs eher schmallippig. Vielleicht hätten die Akteure bei ihrer Kalkulation die politischen Kosten dann doch als zu hoch eingeschätzt.

Fazit: Von "Erfolg" bis "Luft nach oben"

Bei der Analyse dieser Anhörungs-Premiere stand danach nochmal die Große Koalition fest zusammen. So sprachen Clemens Binninger (CDU) und Uli Grötsch (SPD) von einer "großen Bereicherung" und "gelungenen Premiere". André Hahn von der Fraktion "Die Linke", der schon im Vorfeld angezweifelt hatte, ob bei diesem Format so viel herauskommen würde, bemängelte danach, "die heutige Anhörung der Geheimdienstchefs war ein Anfang, aber ein Anfang mit noch viel Luft nach oben." So hätten es die Präsidenten verpasst, sich für die Pannen und Skandale der vergangenen Jahre zu entschuldigen – Stichworte NSA-Spionage und NSU-Ermittlungspannen.

Auch Hans-Christian Ströbele von den Grünen äußerte sich vor diesem Hintergrund kritisch: "Ich hätte gerne diese Anhörung vor der Bundestagswahl gehabt, dann wäre sie vielleicht etwas streitiger abgelaufen, aber es war auf jeden Fall besser, als das man das auf nimmer Wiedersehen verschoben hätte."