Der frühere Bamberger Erzbischof Ludwig Schick fordert, dass sich die Kirche stärker in politischen Angelegenheiten positionieren solle. "Die Kirche muss politisch sein. Die Kirche muss sich einmischen, wenn es um die Würde des Menschen geht, um die Rechte des Menschen, um sein Lebensrecht", sagte Schick in der Münchner Runde am Mittwochabend im BR Fernsehen. Dafür brauche es eine Erneuerung der Kirche, damit sie diese Aufgaben angemessen wahrnehmen könne. Das betreffe laut Ludwig Schick auch die Steuergelder, die aus der Staatskasse noch immer in die Kirchen fließen. In Deutschland noch immer 600 Millionen Euro im Jahr. Die will die Ampel-Koalition nun abbauen. Der ehemalige Erzbischof stimmte zu, doch gab zu bedenken: "Wir wollen die Staatsleistungen abbauen, aber in einem gerechten Verfahren."
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Die Kirche als Vermittlerin einer gespaltenen Gesellschaft
Auch die evangelische Theologin und Fürther Pfarrerin Stefanie Schardien forderte in der Münchner Runde eine Politisierung der Kirche, hat hier allerdings etwas andere Vorstellungen als Ludwig Schick. Schardien betonte, dass die Kirche etwas gegen die Spaltung der Gesellschaft tun könne: "Ich glaube, dass politisches Agieren auch heißen kann, dass wir nach Vermittlungswegen, nach Drittem suchen", sagte die Pfarrerin, die bekannt aus dem "Wort zum Sonntag" in der ARD ist. Als Beispiel nannte Stefanie Schardien die Themen Klimaaktivismus und Lützerath. Hier habe es auch in der evangelischen Kirche nur zwei Positionen gegeben: "Die Einen waren dafür und die Anderen dagegen." Das Vermitteln dazwischen betreffe auch andere Fragen wie die Haltung zu Waffenlieferungen oder Corona. "Da hätte mehr passieren können", so Stefanie Schardien.
Heribert Prantl sieht Kirche in der Pflicht als Seelsorgerin
Aber immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Erstmals sind dieses Jahr weniger als 50 Prozent der Deutschen Mitglied in der katholischen oder evangelischen Kirche. "Die Missbrauchsskandale sind sicherlich der Grund, weil die Menschen zutiefst erschüttert sind auch über die Heftigkeit", sagte der SZ-Kolumnist Heribert Prantl in der Münchner Runde. Prantl glaubt als Katholik allerdings, dass es die Kirchen weiterhin brauche. Dafür müsse sie allerdings daran arbeiten, die jetzt entstandene Distanz zu den Menschen wieder abzubauen. "Die Menschen finden den Trost nicht und sie finden manchmal auch die Lebensfreude nicht mehr in diesen Kirchengemeinden", so Prantl.
Trennung von Kirche und Staat?
Assunta Tammelleo vom Bund für Geistesfreiheit München sieht das anders. Sie betrachte die hohen Austrittszahlen gerade durchaus mit Wohlwollen. Anders als die christlichen Vertreter schlug Tammelleo vor, dass die Kirche sich nicht stärker, sondern weniger in politische Angelegenheiten einmischen sollte. Tammelleos Forderung: "Wir wollen die Trennung von Staat und Kirche in einem größeren Ausmaß, als wir sie gerade verwirklicht sehen."
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