(Symbolbild) Freiheitsdienst und Co: "Pflicht" im politischen Trend
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Freiheitsdienst und Co: "Pflicht" im politischen Trend

Freiheitsdienst und Co: "Pflicht" im politischen Trend

Sozialer Pflichtdienst oder verpflichtender Freiheitsdienst. Es gibt gerade viele Vorschläge für Dienste an der Gemeinschaft. So wünschenswert sie sein mögen - Hilfswerke haben auch Einwände.

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Die bayerischen Träger sozialer Einrichtungen wie Caritas, Rotes Kreuz oder der Malteser Hilfsdienst haben in diesem Jahr ein Problem. Die Umstellung von G8 auf G9 (Abitur nach neun Jahren) hinterlässt Lücken. Ein ganzer Jahrgang an Gymnasiasten steht nicht für Freiwilligendienste zur Verfügung. Sie stellen immerhin 40 Prozent der Freiwilligendienstler pro Jahrgang.

Das bayerische Sozialministerium spricht deshalb gerade mit den Trägern der freien Wohlfahrt. Es geht dabei auch um eine mögliche Unterstützung. Das zeigt, wie wichtig die Freiwilligen mittlerweile sind. Wie sehr Organisationen wie Caritas & Co auch wegen des Fachkräftemangels auf sie angewiesen sind. Allein beim Bayerischen Roten Kreuz beispielsweise sind jedes Jahr 1.400 Freiwillige aktiv – im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) oder des Bundesfreiwilligendienstes (BFD). Sie unterstützen unter anderem beim Krankentransport, in Krankenhäusern oder in Kitas.

Rückwärtsrolle zum Zivildienst?

Das Problem, dass es nicht genügend Bewerber für Freiwilligendienste gibt, könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Es mehren sich die Stimmen, die hier gern wieder mehr auf die "Pflicht" setzen würden. Da ist nicht zuletzt die Union, die darüber gerade mit der SPD in den Koalitionsverhandlungen spricht.

Angeschoben hat diese Debatte der Bundespräsident. Frank-Walter Steinmeier hat bereits vor drei Jahren einen sozialen Pflichtdienst angeregt. Eine Wehrpflicht hatte er nicht im Sinn. Die Zeiten haben sich aber verändert und CDU und CSU würden deshalb die Aussetzung der Wehrpflicht gern wieder zurücknehmen. Der Union schwebt ein verpflichtendes Dienstjahr für alle vor – Männer und Frauen. Wer nicht zur Bundeswehr möchte, muss sein "Gesellschaftsjahr" bei sozialen, kulturellen oder ökologischen Einrichtungen ableisten – entsprechend dem früheren Zivildienst.

"Was kannst du für dein Land tun?"

Wie weit die Debatte seit Steinmeiers Anregung vorangeschritten ist, zeigt die Position der bayerischen Grünen. Auch die setzen auf die Pflicht – genauer auf einen verpflichtenden "Freiheitsdienst". Alle zwischen 18 und 67 Jahren sollen in irgendeiner Form dem Land dienen. Das kann bei der Bundeswehr sein, bei einer Hilfsorganisation oder der Feuerwehr. Das Argument der Grünen: Es braucht alle, damit wir als Gesellschaft robuster werden, unsere Freiheit verteidigen und das Miteinander stärken.

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Högl, kann sich ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr ebenfalls vorstellen, allerdings nur für jüngere Menschen. Ihre Partei, die SPD, ist da weniger forsch. Die Sozialdemokraten setzen weiter auf die Freiwilligkeit. Dienste wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder den Bundesfreiwilligendienst (BFD) wollen sie ausbauen und finanziell stärken.

Was sagen Bayerisches Rotes Kreuz, Caritas & Co?

Armin Petermann begrüßt, dass sich die Politik darüber Gedanken macht, wie mehr gesellschaftliches Engagement erreicht werden kann. Der stellvertretende Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes bemängelt allerdings, dass in dieser wiederkehrenden Debatte zentrale Fragen nicht beantwortet werden.

Wie soll solch ein Gesellschaftsdienst umgesetzt und finanziert werden? Woher soll das Personal für die Verwaltung kommen? "Wir sind überzeugt, dass es bereits heute genügend Menschen gibt, die bereit wären, sich für die Gesellschaft einzubringen", sagt Petermann. Er setzt sich deshalb dafür ein, dass bereits vorhandene Strukturen – wie die des Bundesfreiwilligendienstes – gestärkt werden und mehr Stellen durch den Staat finanziert werden.

Neue Töne in der Debatte schlägt die Caritas an. Die Präsidentin des katholischen Sozialverbands plädiert für eine verbindliche, also verpflichtende, Beratung zu Angeboten wie Wehr- oder Freiwilligendienst. Sie erhofft sich, dass die Zahl der Dienstleistenden dadurch deutlich erhöht werden kann. Das hat sie in einem Brief an Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul geschrieben. Der CDU-Politiker leitet die Arbeitsgruppe in den Koalitionsverhandlungen, die für Verteidigung zuständig ist.

Freiwilligendienste: Wie alles anfing

Die Geschichte der Freiwilligendienste, so wie wir sie heute kennen, begann in den 50er-Jahren auf Initiative der beiden christlichen Kirchen. Die haben damals jungen Frauen ein Angebot gemacht, sich karitativ zu engagieren. Andere Verbände zogen nach, sodass 1964 ein gesetzlicher Rahmen für ein Freiwilligen Soziales Jahr (FSJ) geschaffen wurde. 1993 folgte das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ).

Als 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt und der Zivildienst abgeschafft wurde, ist dann der Bundesfreiwilligendienst eingeführt worden. Der richtet sich an Menschen, die älter als 27 Jahre sind. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das bereits seit 50 Jahren Erfahrungen mit einem gesetzlich geregelten Freiwilligendienst machen konnte. Andere Länder in Europa haben erst in den späten 90er-Jahren nachgezogen.

Im Video (aus dem Archiv): Duo Informale - Was sind wir Deutschland schuldig?

Sebastian Meinberg und Ariane Alter vor einem Soldaten in Bundeswehr Camouflage.
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