In einem Rückspiegel ist ein Stau auf einer Straße zu erkennen.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Symbolbild: Verzögerungen in Richtung Frankreich durch verstärkte Grenzkontrollen im Streit mit Italien.

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Flüchtlingsstreit mit Rom: Frankreich verstärkt Grenzkontrollen

Wegen eines Streit mit Italien um Flüchtlinge verstärkt Frankreich Kontrollen an der Grenze zu Italien. Um was es im Zwist zwischen Paris und Rom geht, wo und wer kontrolliert wird und wie sich das auf den Verkehr auswirkt.

Innerhalb der Europäischen Union ist es kein alltägliches Bild, das sich derzeit zwischen Italien und Frankreich zeigt: Als Reaktion auf einen diplomatischen Streit mit Rom hat die Regierung in Paris die Grenzkontrollen verstärkt. Schon in den vergangenen Tagen verzögerte sich der Verkehr von Italien in Richtung Frankreich.

Worum geht es bei dem Streit zwischen Frankreich und Italien?

Hintergrund des Streits ist die zögerliche Hilfe Roms für Seenotrettungsschiffe, die Geflüchtete und Migranten aus dem Mittelmeer an Bord nehmen. Die neue rechtsgerichtete Regierung Italiens hatte zuletzt nach langer Weigerung einigen privaten Rettungsschiffen gestattet, Häfen anzulaufen - nicht aber der "Ocean Viking", trotz wochenlanger Fahrt auf See. Daraufhin ließ Frankreich das Schiff der Organisation SOS Méditerranée mit 234 Migranten an Bord in Toulon einfahren - zeigte sich aber empört.

"Italien respektiert weder das internationale Recht noch das Schifffahrtsrecht", sagte Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna der Zeitung "Le Parisien". Das Schiff sei nur ausnahmsweise aufgenommen worden. "Es wird Konsequenzen haben, wenn Italien an dieser Auffassung festhält."

Italiens neue, ultrarechte Regierungschefin Giorgia Meloni machte ihrerseits erneut deutlich, sie habe einen Wählerauftrag, die Art und Weise zu ändern, wie in der EU mit Asylsuchenden umgegangen werde. Italien akzeptiere nicht länger, einer der Hauptanlandungspunkte für Asylsuchende zu sein, die über das Mittelmeer in die EU gelangen wollten. "Mich hat die aggressive Reaktion der französischen Regierung getroffen, die meiner Meinung nach unverständlich und ungerechtfertigt war", sagte sie mit Blick auf die Grenzkontrollen und weitere Ankündigungen Frankreichs.

  • Zum Artikel: "Streit um Seenotrettung in Italien: Welche Regeln gelten?"

Wie wirken sich die Grenzkontrollen aus?

An den nördlichen Grenzübergängen Italiens mit Frankreich bildeten sich am Sonntag Schlangen, berichtete die Nachrichtenagentur AP. Die Polizei habe in Zügen und an Straßen patrouillierte und hinderte Migranten an der Einreise. Dagegen floss der Verkehr von französischer Seite demnach störungsfrei in Richtung Italiens.

Am Grenzübergang zwischen Ventimiglia und Menton nahe Nizza überprüften Beamte der Gendarmerie seit Freitag aus Italien kommende Autos, wie auf TV-Bildern zu sehen war. Ein AP-Reporter beobachtete, wie französische Polizisten nahezu jedes Auto stoppten. Die Fahrer mussten ihre Kofferräume öffnen, große Fahrzeuge wie Wohnmobile wurden inspiziert.

Wer und was wird kontrolliert?

Frankreich hatte die Entsendung von 500 zusätzlichen Kräften zur Verstärkung der Grenzen verkündet. Laut der Polizei sollten sie seit Donnerstagabend mehr als zehn Übergänge überwachen. Es gehe außerdem darum, Bahnhöfe, Strecken in der Nähe von Menton, Sospel und Breil-sur-Roya, Autobahnstrecken - insbesondere die A8 - und Mautstellen zu kontrollieren, erklärte die nationalen Polizei französischen Medienberichten zufolge. So solle eine "24-Stunden-Sicherheit" garantiert werden. Außerdem würden sich die verstärkten Kontrollen auf mehrere Departements mit Berggebieten und die verschiedenen großen internationalen Achsen erstrecken, berichtete unter anderem die Zeitung "Le Figaro".

Auch der ADAC teilte auf BR24-Anfrage mit, dass es zumindest am Wochenende Staus gegeben habe. Vor allem Personen, die mit größeren Fahrzeugen unterwegs seien, also zum Beispiel mit Wohnmobilen, müssten sich wohl auf etwas längere Wartezeit einstellen. Dann seien die Kontrollen gründlicher, so eine Sprecherin. Über die Strecken von Italien nach Frankreich hinaus gebe es aufgrund der Maßnahmen aber keine weiteren Beeinträchtigungen.

Was sind weitere Folgen des Streits?

Darüber hinaus will Frankreich nun erstmal nicht wie geplant bis zum Sommer nächsten Jahres 3.500 Migranten aus Italien aufnehmen. Dies war eigentlich Teil einer Abmachung, die südeuropäische Mittelmeerstaaten wie Italien, Spanien und Griechenland mit anderen EU-Partnern getroffen hatten, um den Druck von sogenannten Frontstaaten auf den Migrationsrouten in die EU zu vermindern.

Wie geht es jetzt weiter?

Wie es mit den französischen Maßnahmen nun weitergeht, ist ungewiss. Denn am Montag betonten Frankreich und Italien "die hohe Bedeutung der Beziehungen" zwischen beiden Ländern. Es sei nötig, "die Bedingungen für eine volle Zusammenarbeit in allen Bereichen herzustellen", heißt es in einer fünf Zeilen langen Mitteilung der beiden Präsidenten, Emmanuel Macron und Sergio Mattarella. Dies gelte sowohl für die bilateralen Beziehungen als auch auf europäischer Ebene, heißt es dort.

Was passiert rund um die Migrationsfrage aktuell noch?

Während des Streits mit Italien unterzeichneten Frankreich und Großbritannien unterdessen in Paris eine Vereinbarung, die die Migration über den Ärmelkanal eindämmen soll. Die britische Regierung erklärte sich darin zur Zahlung von rund 72 Millionen Euro an die Regierung in Paris bereit, wenn Frankreich seine Sicherheitsmaßnahmen an der der Küste erhöht. Mit dem Geld sollen 350 weitere Polizisten finanziert werden, die Strände in Calais und Dunkerque überwachen. Zudem könnten unter anderem Drohnen eingesetzt werden, um Boote abzufangen.

Nach Angaben des britischen Innenministeriums haben seit Beginn des Jahres bereits mehr als 40.000 Migranten den Ärmelkanal überquert, dies ist ein neuer Höchststand. Der neue britische Premierminister Rishi Sunak, Enkel indischer Einwanderer, vertritt bei der Einwanderungspolitik eine harte Linie.

Mit Informationen von dpa, AP und AFP

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