Ein eisiger Wind pfeift um das Camp "Lipa" oder um das, was vom Camp übriggeblieben ist. Es schneit bei vier Grad unter Null. Hamza aus Pakistan friert und hungert: "Seit drei Tagen gibt es hier nichts. Keine Decken, keinen guten Ort zum Schlafen. Wissen sie, das Camp ist voller Schnee und wenn es weiter schneit wird es viele Probleme geben und ich denke, wir werden sterben.“
Obdachlos in der Kälte
Hamza gehört zu schätzungsweise 1.000 Menschen, die rund um Camp Lipa nach wie vor obdachlos sind – mitten in der Einöde, 25 Kilometer von der nordwestbosnischen Stadt Bihac entfernt. Ein Teil der Menschen bezog das fast völlig ausgebrannte Camp wieder, sie werden darin notdürftig versorgt. Das Lokale Rote Kreuz und die Hilfsorganisation SOS-Bihac wechseln sich bei der Versorgung tageweise ab. Sie bringen den Menschen Kleidung und einmal am Tag etwas zu essen. Meist nur ein Viertel Brot, eine Fischdose und eine Flasche Wasser pro Person - mehr nicht.
"Wir haben hier eine humanitäre Katastrophe. Die UN-Organisationen haben sich zurückgezogen und ich appelliere an sie, so schnell wie möglich zurückzukehren.“ Zlatan Kovacevic von SOS-Bihac
Gezerre um Zuständigkeiten
Ein Appel der verhallt. Denn die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat einen Tag vor Weihnachten das Camp Lipa geschlossen. Rund 1.300 Migranten und Flüchtlinge waren damit auf einen Schlag obdachlos. Die IOM hatte zuvor bereits gedroht, das Camp sich selbst zu überlassen, wenn es nicht winterfest gemacht wird: Es ist nur über Feldwege zu erreichen und weder an das Wasser, noch an das Stromnetz angeschlossen. Dafür zuständig sind allerdings die bosnischen Behörden, und diese konnte sich bis zuletzt keine winterfeste Lösung für die Menschen in Lipa abringen. IOM entschied dann am vergangenen Mittwoch, das Camp endgültig zu räumen.
Feuer im Camp
Kurz vor der Räumung brach ein großes Feuer im Camp aus und zerstörte es bis auf einige große, weiße Zelte fast vollständig. Nach Angaben von IOM-Mitarbeitern habe eine kleine Gruppe von wütenden Migranten und Flüchtlingen das Feuer gelegt – die Ermittlungen der bosnischen Polizei laufen aber noch. Zum Zeitpunkt des Brandes ist Petar Rosandic am Ort des Geschehens. Der Wiener arbeitet für die Hilfsorganisation SOS-Balkanroute. Er wird Augenzeuge, wie die Menschen aus Lipa das Camp verlassen müssen: "Viele wollen nach Bihac gehen, die Regierung dort weigert sich. Gestern wurde auch dort protestiert. Wir haben auch mit den Menschen hier geredet, sie sind fertig, müde, elendig“, so der Helfer.
Flüchtlinge werden von der Polizei gestoppt
Die nur 25 Kilometer entfernte Stadt Bihac ist für die Menschen aus Lipa praktisch unerreichbar. Auf dem Weg dorthin werden sie von der Polizei gestoppt und zurückgeschickt. Die Stadt Bihac und der Kanton Una Sana sind seit 2017 mit der Anwesenheit Tausender Migranten und Flüchtlinge überfordert und fühlen sich von der Zentralregierung in Sarajevo allein gelassen. Diese machte folgenden Vorschlag: IOM solle die Menschen aus Lipa in einer leerstehenden Flüchtlingeseinrichtung in der Stadt Bihac unterbringen. Doch das lehnen die Behörden in Bihac vehement ab.
"Selbst Tiere leben besser als wir"
Die Folge: Im eiskalten bosnischen Winter sind jetzt auch noch die Menschen aus Lipa obdachlos und damit insgesamt 3.000 Flüchtlinge und Migranten in der Region. Hilfsorganisationen warnen davor, dass Menschen unter diesen Umständen nicht überleben können. Kazim aus Pakistan sendet diese Hilferuf aus dem zerstörten Camp Lipa:
"Selbst Tiere leben besser als wir. Ich bitte die Vereinten Nationen, IOM und alle Hilfsorganisationen, uns zu helfen. Sonst werden wir sterben. Also bitte helft uns.” Flüchtling Kazim
Bildrechte: BR
In Bosnien herrschen zur Zeit Minusgrade und es fällt Schnee. Etwa 1.000 Migranten und Flüchtlinge kampieren rund um das Camp Lipa oder das, was von dem Camp übrig ist. Unklar ist, wer für die obdachlosen Flüchtlinge zuständig ist.
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