Ein Mann bedient einen Taschenrechner. Unter diesem befindet sich ein Stapel von Rechnungen.
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Können wir die Nachzahlungen stemmen? Diese Frage stellen sich derzeit viele Menschen. Die Antwort hängt auch von staatlichen Hilfen ab.

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Gaspreisbremse und Co.: Welche Entlastungen wann kommen

Gaspreisbremse, Energiepauschale, 9-Euro-Ticket-Nachfolger: Man kann leicht den Überblick im Entlastungsdschungel verlieren. BR24 erklärt, welche Entlastungen schon umgesetzt wurden und welche auf dem Weg sind.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Anfang November haben sich Bund und Länder auf breite Entlastungen geeinigt. Damit ist jetzt bereits das dritte Entlastungspaket auf dem Weg. Dazu kommt ein Fonds mit 200 Milliarden Euro, der „Abwehrschirm“.

Die wichtigsten Entlastungsmaßnahmen im Überblick

Bei Gaspreisbremse und Co. wird noch an der Umsetzung gearbeitet. Andere Entlastungen aus früheren Paketen sind bereits ausgezahlt. Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick:

Gaspreisbremse: Wie soll sie entlasten?

Die Bremse soll den Gaspreis für Haushalte und kleinere Unternehmen auf 12 Cent pro Kilowattstunde senken. Fernwärmekunden sollen höchstens 9,5 Cent zahlen. Die gedeckelten Preise gelten aber nur für 80 Prozent des prognostizieren Verbrauchs. Für die restlichen 20 Prozent gilt der wohl teurere Vertragspreis.

Die Idee dahinter ist, Haushalte zum Gassparen zu motivieren: Wer mit 80 Prozent auskommt, kommt um die teureren 20 Prozent ganz herum. Die Bundesregierung arbeitet gerade an der Umsetzung der Gaspreisbremse und will die gesetzliche Grundlage bis Anfang Dezember durch den Bundestag bringen. Das Gesetz soll spätestens bis Weihnachten in Kraft treten. Die Differenz aus dem aktuellen Gaspreis und dem vergünstigten Preis von 12 Cent zahlt die Bundesregierung den Energieversorgern aus dem 200 Mrd. Euro Abwehrschirm

Nach einer ersten Berechnung des Vergleichsportals Check24 wird eine vierköpfige Familie (Jahresverbrauch 20.000 kWh) um rund 1.056 Euro entlastet, ein Single (Jahresverbrauch 5.000 kWh) um 264 Euro, wenn man den aktuellen Durchschnitts-Gaspreis von 18,6 Cent anlegt.

Wann kommt die Gaspreisbremse?

Der ursprüngliche Plan, die Gaspreisbremse erst ab März starten zu lassen, scheint widersinnig, wenn Dezember, Januar und Februar die Monate mit dem höchsten Heizbedarf sind. Die Gas-Kommission erklärte, man würde die Bremse gern schon früher einführen, die Energieversorger hätten aber klar gemacht, dass sie die Gaspreisbremse nicht früher umsetzen können. Deshalb ist zur Überbrückung eine Soforthilfe für Dezember geplant, indem die Gasabschlagszahlung übernommen wird. Das ist mehr als die monatliche Entlastung durch die Gaspreisbremse. Die Soforthilfe sei so konstruiert worden, dass direkt auch eine Entlastung im Januar und Februar miterzielt wird, sagt der stellv. Regierungssprecher Wolfgang Büchner.

Auf Druck der Bundesländer versucht die Bundesregierung nun zu regeln, dass die Gaspreisbremse "rückwirkend" auch für Februar greift. Als Datum der Einführung steht im Bund-Länder-Beschluss aber weiter der 1. März 2023.

Wie gerecht ist die Gaspreisbremse?

Wieder Prinzip Gießkanne, kritisieren Sozialverbände. Gemeint ist, dass Menschen, die höhere Gaspreise tragen können, genauso unterstützt werden wie die, die sehr darauf angewiesen sind.

Auf diese Kritik hat die Bundesregierung reagiert und plant, dass die Bremse ab einem Jahreseinkommen von rund 75.000 Euro als geldwerter Vorteil versteuert werden soll. Es ist dieselbe Grenze, ab der auch der Solidaritätszuschlag fällig wird.

Soforthilfe: Wann finden die Auszahlungen statt?

Um die Zeit bis zur Gaspreisbremse zu überbrücken, bringt die Bundesregierung, wie oben beschrieben, gerade eine Soforthilfe auf den Weg. Und so funktioniert sie: die Soforthilfe ist im Grunde eine Einmalzahlung für Dezember an Haushalte, die Gas oder Fernwärme beziehen. In der Praxis funktioniert das dann gar nicht direkt als Auszahlung, sondern so, dass im Dezember die Abschlagszahlung fürs Gas wegfällt für alle, die direkt einen Vertrag beim Gasversorger haben. Entweder die Gasversorgungsunternehmen buchen den Abschlagsbetrag nicht vom Konto. Oder sie verrechnen die Soforthilfe als Gutschrift in der nächsten Abrechnung.

Viele Mieter und Hauseigentümergemeinschaften haben aber keinen direkten Vertrag. Sie zahlen das Gas über die Nebenkostenabrechnung und bekommen einmal im Jahr eine Abrechnung. Sie erhalten die Entlastung dann erst mit der Nebenkostenabrechnung für 2022, also viel später. Auf der anderen Seite müssen sich die Mieter dann zu dem Zeitpunkt weniger Sorgen um hohe Nachzahlungen bei den Nebenkosten machen, da das durch die Soforthilfe gedämpft wird.

Das Gesetz zu dieser Sonderzahlung hat der Bundestag jetzt beschlossen am Montag soll der Bundesrat darüber abstimmen. Die Zeit drängt, wenn Bürgerinnen und Unternehmen die Hilfe ab Dezember 2022 erhalten sollen.

Bekommen auch Unternehmen die Soforthilfe?

Auch kleinere Unternehmen, wie Handwerksbetriebe, bekommen die Soforthilfe, ihr Dezember-Abschlag wird übernommen. Große Industrieunternehmen hingegen nicht.

Unternehmen mit großem Gasverbrauch von mehr als 1,5 Mio. kWh werden nämlich voraussichtlich schon ab Januar mit einer eigenen Gaspreisbremse entlastet.

Härtefallfonds – gilt er auch für Öl und Holzpellets?

Für Mieter und Eigentümer einer selbstgenutzten Wohnung, die trotz Gaspreisbremse ihre Rechnungen nicht bezahlen können, will die Bundesregierung eine Härtefallregelung schaffen. Diesen Fonds sollen auch Haushalte nutzen können, die mit anderen Energieträgern wie Öl und Pellets heizen.

Der größte Teil des Härtefallfonds ist für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die gerade massiv mit gestiegenen Kosten zu kämpfen haben, gedacht. Nämlich acht Milliarde der insgesamt für den Fonds geplanten 12 Milliarden.

Streitpunkt: Härtefallfonds für Unternehmen?

Auch kleine und mittlere Unternehmen sollen Geld aus einem Härtefallfonds bekommen, wenn sie trotz Strom- und Gaspreisbremse die Energiekosten nicht stemmen können. Auf dem Bund-Länder-Treffen gab es Unmut unter den Bundesländern, weil der Bund sich die Kosten dafür halb-halb mit ihnen teilen wollte. Die Entscheidung wurde vertagt.

Wer vom Fonds profitiert und wie die Kosten verteilt werden, darüber beraten demnächst die zuständigen Minister von Bund und Ländern.

Strompreisbremse: Wie soll sie aussehen?

Ab Januar sollen Haushalte und kleinere Unternehmen beim Strompreis entlastet werden. Sie sollen für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs höchstens einen Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Die EU hatte Ende September den Weg frei gemacht für eine Strompreisbremse, Deutschland arbeitet gerade an der Umsetzung. Neben dem subventionierten Strompreis will die Bundesregierung die Übertragungsnetzentgelte niedrig halten. Dafür zahlt sie den Netzbetreibern einen Zuschuss. Das soll die Strompreisrechnung zusätzlich senken.

Auch bei Industriekunden mit hohem Verbrauch wird der Strompreis gedeckelt. Auf 13 Cent pro Kilowattstunde für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs.

Finanzierung der Strompreisbremse: Wie sollen Zufallsgewinne abgeschöpft werden?

Einen Teil der Kosten für die Strompreisbremse wird aus dem 200 Milliarden Euro Fonds, dem „Abwehrschirm“, gezahlt. Für den Rest der Kosten will der Bund übermäßige Gewinne der Stromanbieter abschöpfen. Der hohe Strompreis liegt vor allem daran, dass die Kosten für Gaskraftwerke stark gestiegen sind und diese Kraftwerke de facto den Börsenpreis für Strom bestimmen. Davon profitieren andere Stromanbieter, zum Beispiel Kohlekraftwerke oder Windkraftbetreiber, die ihren Strom günstig produzieren können und trotzdem die hohen Preise am Strommarkt bekommen.

Die Bundesregierung will Obergrenzen festlegen, wie viel Ökostromanbieter, Atomkraftwerke oder Braunkohlekraftwerke für ihren Strom bekommen sollen. Alles, was über diese Summe hinausgeht, müssen die Stromanbieter an den Staat abgeben. Zu 90 Prozent. Die restlichen zehn Prozent zusätzlicher Gewinne können sie behalten. Diese Gewinnabschöpfung soll rückwirkend greifen ab dem 1. September 2022.

  • Zum Artikel: "Bremst Habecks Strompreisbremse die Erneuerbaren aus?"

Was meint der Bundeskanzler mit "Doppel-Wumms"?

Als die Bundesregierung feststellte, dass die bisherigen drei Entlastungspakete offenbar nicht ausreichen, präsentierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Ende September einen 200 Milliarden Euro schweren "Abwehrschirm". Weil Scholz die staatlichen Hilfen in der Corona-Krise als "Wumms" bezeichnet hatte, nannte er das neuerliche Paket wegen seiner Größenordnung einen "Doppel-Wumms". Er kommt zusätzlich zu den bereits beschlossenen Entlastungspakten.

Aus dem Abwehrschirm werden unter anderem die Gaspreisbremse und Teile der Strompreisbremse finanziert, ebenso der Härtefallfonds. Das Angebot an Energie soll deutlich ausgeweitet werden, etwa indem Flüssiggasterminals aufgebaut werden und Firmen der Umstieg auf andere Energieträger ermöglicht wird.

Technisch ist der Abwehrschirm eine Neuauflage des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, aus dem in der Pandemie Corona-Hilfen finanziert wurden. Der Fonds wird reaktiviert, neuausgerichtet und auf 200 Milliarden Euro aufgestockt. Der Bundestag hat dem bereits zugestimmt.

Entlastungspakete: Was hat die Bundesregierung zusammengeschnürt?

Vor dem 200 Mrd. Euro "Abwehrschirm" hatte die Bundesregierung bereits drei Entlastungspakete geschnürt, die die Bundesregierung auf ein Gesamtvolumen von 95 Milliarden Euro beziffert. Die ersten beiden Pakete sind umgesetzt.

Beim dritten Paket sind einige Maßnahmen auf dem Weg, wie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent oder die Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Studenten, und ein zweiter Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger, Azubis und Bafög-Empfänger. Bei anderen Maßnahmen wie dem 9-Euro-Ticket-Nachfolger oder dem Wohngeld hatte es noch gehakt, den Streit habe Bund und Länder aber nun beigelegt.

9-Euro-Ticket: Wie sieht der Nachfolger aus?

An den Erfolg des 9-Euro-Tickets wollte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit einem Nachfolger anknüpfen. Nun ist klar: das neue Ticket wird „Deutschlandticket“ heißen, 49 Euro im Abo kosten, jeden Monat kündbar und digital sein. Kommen soll es „schnellstmöglich“, heißt es im Bund-Länder-Beschluss. Ob der ursprünglich angestrebte Termin vom 1. Januar 2023 eingehalten werden kann, ist fraglich. Der Verband der Verkehrsunternehmen hält eine Einführung schon ab Januar nicht für machbar. Außerdem reichen aus Sicht des Verbandes die zugesagten Gelder nicht aus.

Lange hatten Bund und Länder um die Finanzierung gerungen. Jetzt wollen sowohl Bund wie auch Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro für das Ticket bereitstellen. Zusätzlich gibt der Bund den Ländern pro Jahr einen Milliarde Euro mehr für den öffentlichen Nahverkehr, an so genannten Regionalisierungsmitteln.

  • Zum Artikel: "Das 49-Euro-Ticket: Wichtige Fragen und Antworten"

Wohngeld: Wer hat Anspruch?

Haushalte mit geringem Einkommen leiden nicht nur unter den hohen Heizkosten, sondern auch unter explodierenden Preisen und gestiegenen Mieten. Die Bundesregierung hat deshalb den Anspruch auf Wohngeld ausgeweitet: Ab 1. Januar sollen rund zwei Millionen Haushalte Wohngeld bekommen können. Derzeit erhalten es 640.000 Haushalte.

Außerdem wird das Wohngeld verdoppelt, auf im Schnitt 370 Euro. Der Bundestag hat diese Maßnahmen bereits beschlossen, sie muss jetzt noch durch den Bundesrat.

Entlastungspaket III: Was steckt noch drin?

Außerdem wird mit dem dritten Entlastungspaket, das Kurzarbeitergeld verlängert, ebenso die Absenkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie auf sieben Prozent. Außerdem hat der Bundestag im Rahmen des dritten Pakets beschlossen, das Kindergeld anzuheben: ab Januar bekommen Familien für jedes Kind einheitlich 250 Euro.

Auch die Einführung des Bürgergelds, über das noch zwischen Bund und Länder gestritten wird, zählt die Bundesregierung zum Entlastungspaket III. Genauso wie die Anpassung der Einkommenssteuertarife, um die Folgen der kalten Progression auszugleichen. Das Bürgergeld stand aber schon im Koalitionsvertrag und die Eckwerte der Steuertarife wurden auch schon in den letzten Jahren immer wieder angepasst.

Entlastungspaket II: Was ist schon umgesetzt?

Als sich Inflation und der Anstieg der Energiepreise im März nach Kriegsbeginn zuspitzten, präsentierte die Koalition ein zweites Entlastungspaket.

Die zentralen Maßnahmen: eine Energiepreispauschale von 300 Euro für Erwerbstätige. Menschen in Grundsicherung bekamen 100 Euro und Familien für jedes Kind einen Bonus von 100 Euro. Für Juni bis August gab es ein 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr. Ebenfalls für drei Monate galt ein Tankrabatt.

Entlastungspaket I: Welche Entlastungen gab es?

Bereits im Februar vor Kriegsausbruch hatte sich die Ampel-Koalition auf ein erstes Entlastungspaket geeinigt.

Die Streichung der EEG-Umlage wurde vorgezogen auf den 1. Juli, was den Strompreis dämpfen sollte. Außerdem wurde die Pendlerpauschale auf 38 Cent ab dem 21. Kilometer angehoben und Arbeitnehmerpauschbetrag und Steuerfreibetrag erhöht. Für arme Kinder wurde ein Sofortzuschlag von 20 Euro pro Monat eingeführt. Menschen in Grundsicherung bekamen eine erste Einmalzahlung von 100 Euro. Für Menschen, die Wohngeld bekommen und für Auszubildende gab es einen ersten Heizkostenzuschuss.

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