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#Faktenfuchs: Wenig CO2, große Wirkung

Der CO2-Beitrag des Menschen in der Luft sei so klein, dass er das Klima nicht beeinflusse – diese Behauptung kursiert immer wieder. Doch der #Faktenfuchs zeigt: Das stimmt nicht.

Eine BR24-Nutzerin schreibt, der menschliche Beitrag zu CO2 in der Luft sei so klein, dass er keinen Einfluss auf das Klima haben könne. Sie zitiert eine Rechnung dazu, die angeblich ein sogenannter Robert Imberger aufstellte:

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Rechnung zu CO2

Die Rechnung suggeriert, dass das CO2, das der Mensch in die Atmosphäre entlässt, vernachlässigbar sei, und dass deswegen vom menschengemachten CO2 keine Klimaerwärmung ausgehen könne.

In der Rechnung stecken Fehler

„Wir haben 0,038% CO2 in der Luft. Davon produziert die Natur selbst etwa 96%. Den Rest, also 4%, der Mensch. Das sind 4% von 0,038%, also 0,00152%. Der Anteil von Deutschland ist hieran 3,1%. Somit beeinflusst Deutschland mit 0,0004712% das CO2 in der Luft.“ (die zitierte Rechnung)

Doch in dieser Rechnung stecken zwei Fehler:

1) Sie unterstellt grundsätzlich, dass von einer geringen Menge nur geringe Wirkung ausgeht. Das ist nicht der Fall.

2) Sie blendet aus, dass die Natur nicht nur CO2 produziert, sondern auch CO2 aufnimmt.

Die Schlussfolgerung, dass Deutschland zur Erderwärmung nur ein paar hundertstel Promille beitrage, ist deswegen falsch.

Kleine Menge, große Wirkung

CO2 ist ein sogenanntes Spurengas. Es macht tatsächlich nur einen sehr kleinen Anteil in unsere Atmosphäre aus, etwa 0,04 Prozent. Im Gegensatz zu Stickstoff (rund 78 Prozent) und Sauerstoff (rund 21 Prozent) ein verschwindend geringer Anteil. Das sagt allerdings noch nichts aus über seine Wirkung.

Denn es hat eine besondere Eigenschaft, die Stickstoff und Sauerstoff nicht haben: Die CO2-Moleküle bestehen aus drei Atomen – anders als molekularer Stickstoff und Sauerstoff, die aus jeweils zwei Atomen bestehen (N2 und O2). Die chemische Struktur macht CO2-Moleküle besonders empfänglich für Wärmestrahlung. Sie nehmen Wärme auf und geben sie auch in Richtung Erdoberfläche wieder ab. Das ist der Treibhauseffekt. Und schon ein geringer Anteil von CO2 genügt, um die Atmosphäre zu erwärmen. Gäbe es gar kein CO2 in der Atmosphäre, wäre es auf der Erde bitterkalt. Das Klimasystem reagiert schon auf geringe Mengen des Treibhausgases sehr sensibel, deswegen ist in Sachen Erderwärmung vor allem interessant, wie sich die CO2-Konzentration verändert.

Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt stetig

Den CO2-Anteil in der Atmosphäre kann man in der Vergangenheit an Eisbohrkernen nachvollziehen, seit 1958 durch direkte Messungen am Observatorium auf dem Mauna Loa in Hawaii und anderen Messstationen. Bis zum Beginn der Industrialisierung lag der Wert über Jahrtausende bei knapp 280 ppm (parts per million), das heißt auf 1 Million Gasteilchen in der Atmosphäre kamen 280 CO2-Teilchen. Seitdem ist der Wert auf mehr als 400 ppm gestiegen, zuletzt laut "World Meteorological Organisation" auf 405 ppm. Diese Werte kann man direkt messen.

Der menschliche Anteil an steigenden CO2-Konzentrationen

Die zitierte Rechnung suggeriert, der Mensch habe fast keinen Einfluss auf den CO2-Anteil in der Atmosphäre. Das ist falsch.

Zwar ist richtig, dass die Natur große Mengen CO2 produziert, durch Verwesungsprozesse, Ausgasungen und andere Vorgänge. Aber sie nimmt auch große Mengen CO2 aus der Atmosphäre auf, durch Photosynthese, Verwitterung oder andere Prozesse in Böden und Ozeanen. Man spricht deswegen von einem globalen Kohlenstoffkreislauf.

Wenn dieser Kreislauf im Gleichgewicht ist, das heißt alles CO2, das in die Atmosphäre kommt, auch wieder aufgenommen wird, bleibt die CO2-Konzentration stabil. Es gibt trotz des großen Umsatzes an CO2 keinen Zugewinn des Treibhausgases. Doch der Kreislauf hat Schlagseite bekommen, der CO2-Anteil steigt.

Wenn man herausfinden will, wie viel der Mensch im Vergleich zur Natur dazu beiträgt, muss man den gesamten Kohlenstoff-Kreislauf betrachten – und an dieser Stelle beginnt ein entscheidender Fehler der Rechnung: Sie vermischt Umsatz und Gewinn.

Der globale Kohlenstoffkreislauf

Die Rechnung benennt erst den CO2-Anteil der Atmosphäre mit 0,038 Prozent. Das entspricht nicht exakt den aktuellen Zahlen, allgemein wird der CO2-Anteil mit etwa 0,04 Prozent angegeben. Dann fährt sie fort mit der Aussage, die Natur produziere 96 Prozent des CO2, der Mensch nur 4 Prozent. Wenn man sich nur anschaut, wie viel CO2 jedes Jahr in die Atmosphäre abgegeben wird, dann stimmt auch das grob mit den Berechnungen des Weltklimarates überein:

Vereinfacht verursacht die jährliche CO2-Produktion: 120 Gigatonnen Kohlenstoff durch die Natur (60 Gigatonnen aus Böden + 60 Gigatonnen aus Landpflanzen, aus Böden und Landökosystemen) + 7 Gigatonnen aus fossilen, also menschengemachten Emissionen = 127 Gigatonnen Kohlenstoff

7 von 127 macht ca. 5,5 Prozent. So hoch ist dann auch am jährlichen CO2-Umsatz der menschliche Anteil. Das ist nicht allzu weit entfernt von den 4 Prozent aus der von der Nutzerin zitierten Rechnung.

Entscheidend ist aber, wieviel CO2 bzw. Kohlenstoff jährlich wieder aus der Atmosphäre aufgenommen wird. Diese Seite des Kohlenstoffkreislaufs blendet die Rechnung aus.

Tatsächlich werden durch die Natur an Land jährlich 122 Gigatonnen Kohlenstoff wiederaufgenommen, dazu noch 2 Gigatonnen durch die Ozeane. Das macht 124 Gigatonnen.

Das heißt: Die Natur nimmt sogar mehr CO2 auf als sie produziert! Sie trägt also nicht zum Anstieg des CO2-Anteils bei. Ganz anders der Mensch: Er holt fossilen Kohlenstoff aus den Tiefen der Erdkruste an die Oberfläche, verbrennt ihn und schickt das dabei entstehende CO2 in die Atmosphäre. Deswegen reichert sich immer mehr CO2 in der Atmosphäre an. Das ist der Zugewinn, seit Beginn der Industrialisierung beträgt er 44 Prozent.

Taschenspielertrick mit verwirrend viel Nullen

Wenn man herausfinden will, wie viel der Mensch im Vergleich zur Natur zum Zugewinn an CO2 beiträgt, ist es also völlig irreführend und falsch, den Anteil am jährlichen CO2-Umsatz mit dem CO2-Gesamtgehalt zu verrechnen. Das tut die von der Nutzerin zitierte Rechnung, und kommt zum Ergebnis, die Menschheit sei zu 0,00152 Prozent beteiligt am steigenden CO2-Gehalt. Diese Zahl beeindruckt mit ihren vielen Nullen hinterm Komma, hat aber keine Aussagekraft.

Woher kommt die irreführende Rechnung des Robert I.?

Die Rechnung ist Teil eines Textes, der unter anderem auf Facebook immer wieder geteilt wird. Er schildert die Begegnung zwischen einem Autor namens Robert I. und einem Klimaschützer auf einem Wochenmarkt und erweckt damit den Eindruck authentisch, direkt aus dem Leben gegriffen zu sein. Das stimmt in dieser Form nicht. Die Schilderung inklusive der Rechnung kursiert seit vielen Jahren in verschiedenen Varianten, sie nahm ihren Anfang offenbar als Leserbrief im Jahr 2010, als Autor tauchte ein sogenannter Urban Cleve auf. Später wurde die Rechnung dann auf Facebook als Erlebnis eines Robert I. wieder aufgegriffen, der zuerst an der FH Ulm studiert haben soll, dann an der TU Aachen (eine TU Aachen gibt und gab es übrigens nicht, die Universität hieß früher RWTH Aachen, international inzwischen RWTH Aachen University). Der Text ist zu einer Art Kettenbrief geworden, mit dem Klimawandelleugner Zweifel säen. Der Faktenchecker-Verein Mimikama veröffentlichte bereits einen Text, der den Weg dieses Textes detailliert nachvollzieht.

Übrigens erkennt man schon an den bloßen Zahlen, dass die Rechnung alt ist: Deutschlands Anteil an den weltweiten Emissionen liegt aktuell bei rund 2 Prozent, nicht mehr bei 3,1 Prozent (vor allem weil der Anteil von Ländern wie China gewachsen ist). Auch der zitierte CO2-Anteil von 0,038 Prozent in der Atmosphäre lässt vermuten, dass die Rechnung schon vor einigen Jahren entstanden ist, er entspricht dem CO2-Gehalt um das Jahr 2005 herum.

Fazit

Die Behauptung, der menschliche CO2-Beitrag sei zu gering, um das Klima zu beeinflussen, ist falsch. Die zitierte Rechnung, mit der die Behauptung gestützt werden soll, blendet wichtige Fakten aus. Das Klimasystem reagiert schon auf geringe Mengen des Treibhausgases sehr sensibel. Die Natur aber trägt nicht zum Anstieg des CO2-Anteils bei. Der Mensch hingegen schon. Der Zugewinn seit Beginn der Industrialisierung beträgt 44 Prozent.

+++ Änderung am 23.7.19, 11.45 Uhr: In einer früheren Version des Artikels verwechselten wir in einem Absatz CO2 mit C (Kohlenstoff). Dies ist geändert.

Video: Klimaneutral leben?!

 Eine engagierte Gruppe im Chiemgauer Inzell hat ihren CO2-Ausstoß drastisch gesenkt.
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Eine engagierte Gruppe im Chiemgauer Inzell hat ihren CO2-Ausstoß drastisch gesenkt.