Figuren einer Familie auf einem Münzstapel
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Symbolfoto Familiengeld

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#Faktenfuchs: Landet bayerisches Familiengeld auch im Ausland?

#Faktenfuchs: Landet bayerisches Familiengeld auch im Ausland?

Im TV-Duell empörte sich Söder über Kindergeldzahlungen ins Ausland, die bei Banden ankämen. Im BR-Fünfkampf behaupten die Freien Wähler: Das Familiengeld der CSU werde ebenso wie das Kindergeld auch ins Ausland überwiesen.

Im Sommer 2018 hatte ein Thema zu heftigen Debatten in Deutschland geführt. Es war bekannt geworden, dass die Kindergeldzahlungen aus Deutschland ins europäische Ausland deutlich zugenommen hatten. 2017 wurden 343 Millionen Euro auf Konten im Ausland überwiesen. Zwar sind unter den Empfängern im Ausland auch etwa 31.000 deutsche Staatsbürger, deren Zahl relativ konstant blieb. Angestiegen war aber zum Beispiel die Zahl der Bezieher aus Polen, Tschechien und Rumänien.

  • Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2018. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier

Mehrere Bürgermeister in Deutschland vermuteten, dass Menschen gerade aus Rumänien und Bulgarien einwanderten, um das Kindergeld zu bekommen. Ein möglicher Missbrauch der Sozialleistung erhitzte die Gemüter. Die Familienkasse betonte allerdings, dass es keinen flächendeckenden Betrug gebe. Stichproben hätten einzelne Missbrauchsfälle, vor allem in Nordrhein-Westfalen ergeben.

"Kindergeld an Banden, keine Kinder"

Im TV-Duell vom Mittwochabend ärgerte sich Ministerpräsident Markus Söder über den Streit um das Familiengeld mit dem Bund - auch wenn die SPD, die das zuständige Sozialministerium führt, gar nicht vertreten war bei dem Schlagabtausch zwischen ihm und dem Co-Spitzenkandidaten der Grünen, Ludwig Hartmann. Grund der Auseinandersetzung war, ob das Familiengeld bei Hartz IV angerechnet werden muss oder nicht. Schließlich landete Söder auch bei den Kindergeldzahlungen ins Ausland:

"Dass die SPD ernsthaft bei den Allerschwächsten jetzt ansetzt, dagegen zu sein, wundert mich. Gleichzeitig erleben wir, dass wir von SPD-Oberbürgermeistern angesprochen werden, dass Kindergeld, das in Deutschland ins Ausland transferiert wird, also nach Osteuropa zum Beispiel, dass es dort manchmal an Briefkästen ankommt, wo gar keine Kinder, sondern etwaige Banden sind. Also mein Vorschlag: Hartz IV auch auszubezahlen, Familiengeld für alle und diesen Transfer in Länder, in denen es gar keine Kinder gibt in Europa, endlich zu stoppen." Bayerischer Ministerpräsident Markus Söder

Rechtsverordnung zu Zahlungen ins EU-Ausland

Vor diesem Hintergrund griff der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, die Diskussion um die Kindergeldzahlungen erneut auf - allerdings bereits vor der Wahlsendung, am 22. September. Auf Twitter warf er der CSU vor: "Jetzt macht die CSU den selben Fehler nochmal: Das bayerische Familiengeld muss auch ins Ausland überwiesen werden!" Als Bild ist ein Ausschnitt aus einer Verordnung vom 1. August 2018 beigefügt.

Darin heißt es: "Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem der nachfolgend genannten Staaten, wird das bayerische Familiengeld abweichend von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Familiengeldgesetzes in der nachfolgend genannten Höhe gewährt." In der Tschechischen Republik zum Beispiel gibt es demnach 187,50 Euro für das erste oder zweite Kind, 225 Euro ab dem dritten. In Rumänien 125 Euro für ein erstes oder zweites Kind, 150 Euro ab dem dritten. Der Betrag ist niedriger als für in Bayern lebende Kinder. Grundsätzlich beträgt das Familiengeld, unabhängig vom Gehalt, 250 Euro. Ab dem dritten Kind sind es 300 Euro.

Insofern stimmt die Behauptung: Unter bestimmten Bedingungen wird das Familiengeld ins Ausland überwiesen. "Es muss sich um das EU-Ausland handeln. Außerdem muss geprüft werden, ob Bayern vorrangig oder nachrangig zuständig für die Zahlung der Familienleistung ist. Die Anspruchsvoraussetzungen für das Familiengeld müssen erfüllt sein (Art. 2 BayFamGG)", erklärt Marion Gehlert, stellvertretende Pressesprecherin im bayerischen Familienministerium.

Hauptwohnung oder gewöhnlicher Aufenthalt muss in Bayern sein

Anspruchsberechtigt ist nach dem genannten Gesetz, wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Bayern hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt und dieses Kind selbst erzieht. Dabei bedeutet "selbst erziehen" nicht, dass der- oder diejenige das Kind ständig selbst betreut.

Ausländer müssen, um das Familiengeld beziehen zu dürfen, in Bayern arbeiten oder nach den EU-Regeln freizügigkeitsberechtigt sein. Freizügigkeit heißt in diesem Fall, dass EU-Bürger sich in Deutschland Arbeit suchen dürfen, ohne dass eine Arbeitserlaubnis notwendig ist, und dass sie, wenn sie zum Beispiel ihre Arbeit wieder verlieren, Sozialleistungen erhalten.

EU-Verordnung begründet Zahlungen ins Ausland

Das Familiengeld muss also unter Umständen ins europäische Ausland überwiesen werden, aber das als "Fehler" zu bezeichnen, ist eine Wertung. Denn es ist von der EU so vorgeschrieben – wie beim Kindergeld auch. Eine EU-Verordnung von 2004 über soziale Sicherheit besagt das (VO 883/2004).

"Diese Verordnung dient der Koordinierung von Sozialleistungen, zu denen auch Familienleistungen wie das Familiengeld zählen. Dementsprechend muss das Familiengeld auch für Kinder gezahlt werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in EU-Mitgliedstaaten oder in Staaten haben, die auf Grund Unionsrechts oder völkerrechtlicher Vereinbarung gleich zu behandeln sind", sagt Gehlert.

Familiengeld ist Lebensverhältnissen angepasst

Die Staatsregierung habe beim Familiengeld aber umgesetzt, was sie auch beim Kindergeld fordert, erläutert die Pressesprecherin, "nämlich eine nach den Lebensverhältnissen am Wohnort des Kindes angepasste Leistungshöhe".

Was das Kindergeld betrifft, möchte Deutschland eine solche Indexierung zwar seit Jahren erreichen. Doch nach Ansicht der EU-Kommission widerspricht das dem Diskriminierungsverbot. Bayern sieht es hingegen so, dass gerade mit der Anpassung an die Lebensverhältnisse die europarechtlich geforderte Gleichstellung erreicht werde. Denn: "Ohne die Anpassung an die Kaufkraft würden Eltern in niedrigpreisigeren Ländern überproportional gefördert", so die Pressesprecherin im Familienministerium.

Die Freien Wähler kritisieren, dass mit dem Familiengeld bayerisches Steuergeld ins EU-Ausland abfließt oder abfließen würde. "Die Tweets kritisieren daher, dass das CSU-Familiengeld unserem System wichtige Finanzmittel entnimmt, die wir für den Ausbau und die Verbesserung der Kinderbetreuung in Bayern dringend bräuchten", schreiben sie. Die Freien Wähler setzen stattdessen auf eine kostenlose Kinderbetreuung, damit das eingesetzte Geld gewissermaßen ganz im eigenen Land bleibt. "Damit gibt es keine Kollision mit dem Diskriminierungsverbot im Europarecht, es erfolgen keinerlei Zahlungen ins Ausland und eine qualitativ hochwertige Betreuungsleistung und damit auch Integrationsleistung kommt direkt all den Kindern und Familien zugute, die tatsächlich auch in Bayern leben", sagt Johannes Lindinger aus der Landesgeschäftsstelle.