Ein Traktor fährt im Abendlicht über eine gemähte Wiese.
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Die EU-Staaten und das Europaparlament haben sich im Streit um die Reform der milliardenschweren europäischen Agrarpolitik geeinigt.

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EU-Parlament segnet milliardenschwere Agrarreform ab

Die Agrarpolitik in der EU soll gerechter, grüner und fairer werden. Doch wird sie das wirklich? Heute stimmte das EU-Parlament mehrheitlich einer Reform zu. Es geht um die Verteilung von rund 387 Milliarden Euro bis 2027.

Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) gibt es seit Jahrzehnten, doch was sie genau beinhaltet, ist den wenigsten Bürgerinnen und Bürgern bekannt. Kein Wunder, denn wie die Gelder an die Landwirtschaft verteilt werden, ist schon immer kompliziert und es wird in Zukunft noch komplizierter. Von Bürokratieabbau, den alle fordern, kann keine Rede sein.

Drei Jahre Diskussion und Streit

Bereits vor drei Jahren hat die EU-Kommission einen Entwurf für eine Reform der GAP vorgelegt, seitdem wird darüber diskutiert und gestritten: im EU-Parlament, im EU-Agrarministerrat und in den 27 Mitgliedsstaaten. Herausgekommen ist ein Kompromiss, den Noch-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) als "Meilenstein" bezeichnet, der aber von Grünen-Politikern und Umweltorganisationen wie dem Bund Naturschutz als viel zu lasch kritisiert wird.

Deutschland stehen jährlich insgesamt sechs Milliarden Euro aus dem EU-Landwirtschafts-Etat zu. Das EU-Parlament stimmte heute mehrheitlich der Agrarreform zu.

Flächenprämien bleiben

Seit 1992 bekommen die Landwirte Direktzahlungen bzw. Flächenprämien pro Hektar. Wer viele Hektar hat, bekommt viel Geld, wer wenig Hektar hat, bekommt wenig. Das soll grundsätzlich auch in Zukunft so bleiben. Derzeit erhalten die Landwirte in Deutschland im Durchschnitt 295 Euro pro Hektar, im Jahr 2023 werden es noch 285 sein. Wer allerdings in Zukunft den vollen Betrag von 285 Euro will, muss Umweltleistungen bzw. Ökoregelungen erfüllen, sogenannte Eco-Schemes.

Wird die EU-Agrarpolitik grüner?

Ob die Eco-Schemes die Landwirtschaft in der EU wirklich grüner und umweltfreundlicher machen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es gibt Geld für Blühstreifen, Altgrasstreifen und vielfältige Fruchtfolgen. Die Eco-Schemes sind zum größten Teil freiwillig, die Landwirte können sich aussuchen, ob und welche Ökoregelungen sie auf ihrem Betrieb durchführen. Erfüllen sie genügend Vorgaben, bekommen sie die volle Flächenprämie. Verzichten sie auf die Eco-Schemes, sinkt die Flächenprämie um 60 bis 65 Euro pro Hektar. Es wird also eine Rechenaufgabe für jeden einzelnen Landwirt werden, was sich finanziell lohnt und was er grundsätzlich für Natur- und Umweltschutz beitragen will.

Flächenstilllegung kommt wieder

Ein Muss für jeden Betrieb ist in Zukunft, vier Prozent der bisher bewirtschafteten Fläche stillzulegen. Auch dafür bekommen die Landwirte Geld aus dem Topf der Ökoregelungen. Eine Maßnahme, die es vor Jahrzehnten schon einmal gab, um die Getreide-Überschüsse in der EU zu reduzieren. Jetzt bezweckt man damit, dass aus intensiv genutzten Ackerflächen Biotope entstehen sollen. Aus Sicht des Naturschutzes eine gute Idee. Aber es könnte wieder der Vorwurf laut werden: Hier bekommen die Bauern Geld fürs Nichtstun.

Wird die EU-Agrarpolitik gerechter?

Die Landwirte brauchen die Direktzahlungen zur Einkommenssicherung. In Deutschland sind die Preise für Lebensmittel extrem niedrig, vom Verkauf von Getreide, Rindern, Schweinen, Geflügel oder Milch kann ein Landwirt kaum leben. Doch mittlerweile sind nicht nur bäuerliche Familienbetriebe Eigentümer und Bewirtschafter von Ackerland, sondern auch Versicherungsunternehmen, Immobilienkonzerne, Stiftungen, Lebensmittelkonzerne, Schlachtunternehmen oder Möbelhäuser. Auch sie bekommen Flächenprämien von der EU. Viele fragen: Ist das gerecht?

Was ist ein aktiver Landwirt?

Immer wieder kam deshalb in den letzten Jahren bei der Vorbereitung der Agrarreform die Forderung, EU-Gelder nur an "aktive Landwirte" zu zahlen. Doch eine Definition dieses Begriffs ist schwierig. Zumal es für eine gesicherte Lebensmittelerzeugung in Europa und aus Sicht des Umweltschutzes völlig egal ist, wer einen Acker nach guter fachlicher Praxis bewirtschaftet. In Deutschland hat man sich nun bei den Beschlüssen für die nationale Umsetzung der neuen EU-Agrarreform darauf geeinigt, dass jeder, der Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zahlt, als aktiver Landwirt gilt. Das heißt, auch in Zukunft bekommen alle, die Ackerland oder Grünland bewirtschaften, die EU- Flächenprämien - auch Großkonzerne.

EU-Gelder auch für Nebenerwerbslandwirte

Es gab auch den Alternativ-Vorschlag, die Definition "aktiver Landwirt" daran festzumachen, woher das Haupteinkommen auf einem Betrieb kommt. Bei Nebenerwerbslandwirten überwiegt allerdings oft das außerlandwirtschaftliche Einkommen. In Bayern werden rund 60 Prozent der Bauernhöfe im Nebenerwerb bewirtschaftet, viele hätten dann nach dieser Definition in Zukunft keine Flächenprämien mehr bekommen und profitieren insofern von der jetzigen Regelung.

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