Wolodymyr Selenskyj steht an einem Rednerpult, im Hintergrund hängt eine Ukraine-Flagge.
Bildrechte: Presidential Office of Ukraine/dpa

Wolodymyr Selenskyj besuchte auf seiner Reise zunächst den britischen Premierminister Rishi Sunak. Am Donnerstag folgt der EU-Gipfel.

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EU-Gipfel mit Selenskyj in Brüssel: Das steht auf der Agenda

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs und -chefinnen wenden eingehender als bei früheren Gipfeln den Blick nach außen – auf ankommende Migranten, Europas Industrie im weltweiten Wettbewerb und auf den Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Der ukrainische Präsident war bei allen EU-Gipfeln seit Beginn des russischen Angriffskrieges vor einem knappen Jahr dabei – per Videoschalte. Am Vormittag wird Wolodymyr Selenskyj persönlich in Brüssel erwartet – ein Besuch von großer Symbolkraft: Die 27 Staats- und Regierungschefs werden ihre Hilfsversprechen bekräftigen – ähnlich wie es der Gipfelgastgeber, EU-Ratschef Charles Michel, vor einer Woche in Kiew getan hat: "Die EU steht heute an Ihrer Seite und wird das auch künftig tun, so lange wie nötig."

EU-Beitritt der Ukraine: Selenskyj braucht Geduld

Auf konkrete Zusagen zum EU-Beitritt seines Landes kann Selenksyj allerdings nicht hoffen, erst Recht nicht darauf, dass Verhandlungen darüber schon in diesem Jahr beginnen, wie er es verlangt. Die Gipfel-Abschlusserklärung verweist laut einem Entwurf auf die Bedingungen, die das Land erfüllen muss. Kein Beitritt auf der Überholspur, darauf dringen mehrere EU-Staaten, obwohl die Ukraine im Rekordtempo Kandidatenstatus erlangt hat.

Genug Hilfe für EU-Staaten an Außengrenzen?

Die EU hat vier Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Manche Gipfelteilnehmer sehen mit Sorge, dass auch die Zahl der irregulären Grenzübertritte drastisch gestiegen ist: 330.000 waren es im vergangenen Jahr, dreimal soviel wie im Vorjahr. Der Gipfel sagt Mitgliedsstaaten an den Außengrenzen laut dem Entwurf der Abschlusserklärung Hilfe zu. Das reicht einigen aber nicht.

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer fordert, dass Brüssel auch Grenzzäune mitbezahlt: "Die EU-Kommission gibt dafür die Finanzierung nicht frei. Aus unserer Sicht ist es notwendig, dass durch die Finanzierung sichergestellt ist, dass Länder wie Bulgarien in die Lage versetzt werden, auch damit ihre Polizistinnen und Polizisten im Grenzeinsatz zu schützen."

EU will Migranten ohne Bleiberecht schnell abschieben

Zäune wirken, sagt auch die griechische Regierung. Berlin sieht das anders. Einig sind sich die 27 darin, dass Migranten ohne Bleiberecht schnell in ihre Herkunftsländer zurückkehren sollen. Diese Staaten weigern sich allerdings oft, Bürgerinnen und Bürger wieder aufzunehmen. Der Gipfel fordert deshalb laut einem Entwurf der Abschlusserklärung, mehr Druck zu machen im Handel oder in der Visapolitik. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt: "Wer kein Anrecht hat, bei uns zu bleiben, muss natürlich in das Herkunftsland zurückkehren und auch zurückkehren können. Darüber werden wir Vereinbarungen mit den Herkunftsländern treffen müssen. Im Gegenzug muss es legale Wege geben, um in die Europäische Union einzuwandern."

  • Zum Artikel: "EU-Innenminister wollen mehr Migranten abschieben"

EU will Industrie gegen Wettbewerber China und USA stärken

Der EU-Gipfel diskutiert außerdem über Wege, die europäische Industrie zu stärken im Wettbewerb mit China und den USA. Es geht um Hersteller von Windturbinen, Batterien, Wärmepumpen oder grünem Wasserstoff, die entscheidend sind, damit Europa seine Klimaziele erreicht. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat dafür Vorschläge gemacht: "Diesen Schlüsselindustrien müssen wir Alternativen geben zu den Angeboten von anderswo. Wir wollen, dass sie hier bleiben und gedeihen."

Warnung vor Ungleichgewicht im Binnenmarkt

Der Bau neuer Industrieanlagen soll schneller gehen – das ist Konsens. Uneinig sind sich die EU-Staaten, wie weit sie die Beihilferegeln noch lockern sollen. Das könnte Ungleichgewichte im Binnenmarkt verstärken, denn nicht alle Mitgliedsländer haben die gleiche Finanzkraft, um Firmen zu fördern. Kleinere Länder wie Österreich, Finnland und Dänemark warnen vor dauerhaften und übermäßigen Subventionen. Von den wegen der Energiepreiskrise angemeldeten Beihilfen entfielen 80 Prozent auf Deutschland und Frankreich, auf Italien nur sieben Prozent.

Regierungschefin Giorgia Meloni mahnt zur Vorsicht: "Wir müssen weiter für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen, für ein Niveau, bei dem alle mithalten können. Für uns ist eine mögliche Lösung, die in den vergangenen Jahren zugewiesenen Mittel flexibel einzusetzen. Die Staaten können das schon tun, um sie für die Bewältigung der großen Herausforderungen zu verwenden, die vor uns liegen."

Grüner Umbau nicht auf der Gipfel-Agenda

Dafür soll ungenutztes Geld aus dem Corona-Hilfsfonds umgewidmet werden. Laut EU-Kommission könnten so rasch bis zu 350 Milliarden Euro mobilisiert werden. Von neuen gemeinsamen Schulden für den grünen Umbau steht im Abschlusstextentwurf kein Wort. Die hatten unter anderem Italien und Frankreich verlangt. Deutschland und die Niederlande lehnen sie ab. Die Diskussion darüber dürfte weitergehen – auch nach dem Gipfel.

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