Zerstörung nach dem Erdbeben in Kahramanmaras
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Zerstörung nach dem Erdbeben in Kahramanmaras

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Schwere Erdbeben in Türkei und Syrien: Was bisher bekannt ist

Nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien steigt die Zahl der Opfer immer weiter. Inzwischen wurden mehr als 4.200 Todesopfer gemeldet, mindestens 18.000 wurden verletzt. Viele Menschen werden noch vermisst. Was wir bisher wissen.

Bereits mehr als 4.200 Todesopfer, dazu mindestens 18.000 Verletzte und viele Vermisste: Die Folgen des Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind dramatisch. Und die Lage verschärft sich weiter – nach dem nächtlichen Erdbeben erschütterte am Mittag ein weiteres heftiges Beben mit der Stärke 7,5 die Region. Das Beben in der Nacht hatte demnach die Stärke 7,7. Es überraschte die Menschen im Schlaf. Was wir bisher über die Naturkatastrophe wissen – ein Überblick.

Zahl der Toten und Verletzten steigt ständig

Allein in der Türkei stieg die Zahl der Todesopfer auf mindestens 2.921, wie die Katastrophenschutzbehörde mitteilte. Rettungskräfte suchten bei eisiger Kälte die ganze Nacht hindurch und teils mit bloßen Händen nach möglichen Überlebenden.

In Syrien kamen mehr als 1.440 Menschen ums Leben, wie das Gesundheitsministerium sowie die Rettungsorganisation Weißhelme mitteilten. Mehr als 18.000 Menschen wurden nach bisherigen Informationen in der Türkei und in Syrien verletzt.

Unzählige Menschen sind auf beiden Seiten der Grenze noch verschüttet. Bilder aus beiden Ländern zeigen schwere Verwüstung. Noch ist die Lage in den Gebieten unübersichtlich. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Zahlen der Toten und Verletzten weiter steigen. Auch im Libanon, der an Syrien grenzt, war das Erdbeben zu spüren. In der Hauptstadt Beirut verließen Anwohner teils fluchtartig ihre Häuser.

Offenbar auch ein Krankenhaus eingestürzt

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan rief eine einwöchige Staatstrauer aus. Nach Angaben des türkischen Innenministers sind mehrere Provinzen betroffen. Mehr als 5.600 Gebäude seien eingestürzt. Rettungsteams aus dem ganzen Land würden zusammengezogen. Man habe zudem die Alarmstufe vier ausgerufen und damit auch um internationale Hilfe gebeten. Es sei zu insgesamt 22 teils starken Nachbeben gekommen. Auf beiden Seiten der Grenze stürzten Gebäude ein. Menschen versuchten in Panik, sich bei winterlichen Bedingungen ins Freie in Sicherheit zu bringen.

Unter den eingestürzten Gebäuden soll neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun sein. In der Stadt Gaziantep wurde laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu auch die Burg stark beschädigt. Sie ist ein Unesco-Weltkulturerbe.

Erdogan ordnet siebentägige Staatstrauer an

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ordnete angesichts der zahlreichen Erdbeben-Toten in seinem Land sieben Tage Staatstrauer an. Die türkischen Flaggen sollten nach den tödlichen Beben landesweit und an den diplomatischen Vertretungen der Türkei in aller Welt auf halbmast wehen.

Zahlreiche Nachbeben – Deutschland will helfen

Das Epizentrum des ersten schweren Bebens in der Nacht lag nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Es gab eine große Zahl von Nachbeben. Regen, Schnee und Kälte erschwerten die Rettungseinsätze.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu, Deutschland werde selbstverständlich Hilfe schicken. "Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen", erklärte auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Minustemperaturen im Erdbebengebiet – Aufruf zum Blutspenden

Die Menschen in der Türkei wurden derweil aufgerufen, wegen der Kommunikationsengpässe online zu telefonieren und nicht über das Handy-Netz, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können. Die Temperaturen in den betroffenen Gebieten liegen zurzeit oft im Minusbereich. An manchen Orten schneite es stark. Im Staatssender TRT war zu sehen, wie Menschen bei Schnee in der Stadt Iskenderun aus Trümmern befreit wurden.

Auch aus den Städten Gaziantep, Sanliurfa, Osmaniye, Diyarbakir und Adana wurden Bilder gezeigt, auf denen Menschen teilweise in Decken gehüllt abtransportiert wurden. Die Hilfsorganisation "Türkischer Roter Halbmond" rief die Bevölkerung zu Blutspenden auf. Hilfsorganisationen baten auch um Decken, Heizer, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.

ARD-Brennpunkt zur Erdbeben-Katastrophe

06.02.2023, Syrien, Harem: Zivilisten und Mitglieder des syrischen Zivilschutzes führen Such- und Rettungsmaßnahmesuchen in den Trümmern eines zerstörten Gebäudes durch. In der Türkei und in Syrien sind infolge der starken Erdbeben mindestens 2300 Menschen getötet worden. Foto: Anas Alkharboutli/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Anas Alkharboutli

Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien

Rettungsorganisation Weißhelme: "Die Lage ist sehr tragisch"

In Syrien stürzten demnach in zahlreichen Städten Gebäude ein. Fotos zeigten, wie Rettungsteams Menschen auf Tragen wegtrugen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums Raed Ahmed sagte laut der Nachrichtenagentur Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Der Verlust von Menschenleben und die Zerstörung infolge des Erdbebens breche einem das Herz, twitterte der UN-Syrien-Vermittler Geir Pedersen. Viele Menschen in der Region litten ohnehin schon enorm und zudem sehr lange.

Die Rettungsorganisation Weißhelme sprach ihrerseits am Vormittag von Dutzenden Toten. "Wir reagieren mit allem, was wir können, um diejenigen zu retten, die unter den Trümmern liegen", sagte der Leiter der Gruppe, Raed Al Saleh. "Die Lage ist sehr tragisch", sagte ein Mitglied der Gruppe.

Linken-Chefin Wissler übersteht Erdbeben unverletzt

Das schwere Erdbeben in der Türkei erlebte auch Linken-Chefin Janine Wissler vor Ort. Sie blieb unverletzt. Die Politikerin hielt sich in der Großstadt Diyarbakir im Osten der Türkei auf, wo sie mit Vertretern der pro-kurdischen HDP-Opposition zusammengetroffen war. "Ich bin aus dem Schlaf gerissen worden, es war ein sehr, sehr heftiges und langes Beben", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP telefonisch. Es seien "ganze Wohnblöcke zusammengestürzt". Immer noch seien Menschen unter den Trümmern eingeschlossen.

Wissler berichtete, dass auch die Einheimischen ein Beben einer solchen Stärke noch nie erlebt hätten. "Wir müssen raus", hätten ihre Begleiter ihr in der Nacht im Hotel zugerufen. Alle seien auf die Straße gerannt, "überall Menschen, teils nur in Sandalen, bei Minusgraden", erzählte sie. Auf der Straße hätten dann alle abgewartet, auch wegen der vielen Nachbeben, die den Ort danach noch erschütterten. Die Lage war nach Wisslers Worten am Morgen "chaotisch".

Immer wieder schwere Erdbeben in der Region

Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.

Mit Informationen von dpa und AFP

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Plattentektonik und seismische Aktivität in der Türkei

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