Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Entscheidung über Dieselfahrverbote fällt

Heute verhandelt das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich über Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten. Die strittige Frage: Dürfen und müssen Landesregierungen solche Fahrverbote verhängen, auch ohne bundesgesetzliche Grundlage?

Das Gericht entscheidet in der Revisionsverhandlung beispielhaft über die Städte Stuttgart und Düsseldorf. Dort haben die Verwaltungsgerichte bereits Fahrverbote angeordnet. Die Frage ist, ob diese überhaupt möglich sind, so lange es keine bundesgesetzliche Grundlage dafür gibt. Einfach gesagt: Dürfen die Städte in Eigenregie Zusatzschilder anbringen, die so nicht in der Straßenverkehrsordnung vorgesehen sind?

Fahrverbot für die ganze Innenstadt oder einzelne Straßen

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte angeordnet, die Stuttgarter Umweltzone, also die gesamte Innenstadt, für Diesel mit Schadstoffklasse schlechter als Euro 6 zu sperren. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf will besonders belastete Straßen für alle Dieselfahrzeuge sperren. Letzteres hält die Stadtverwaltung in München für praktisch unmöglich: Schließlich überschreitet hier ein Viertel aller Straßen den Stickoxid-Grenzwert, um sie alle einzeln zu sperren, bräuchte es laut Umweltreferat 130.000 neue Schilder.

Luft in München am dreckigsten

In Bayern konzentriert sich die Fahrverbots-Diskussion auf die Landeshauptstadt. Zwar ist auch in Nürnberg, Augsburg und Regensburg die Luft schmutziger als erlaubt. Und die Deutsche Umwelthilfe hat angekündigt, gegebenenfalls auch in Nürnberg und Augsburg auf Fahrverbote zu klagen. Vor allem geht es jedoch um die Landeshauptstadt, wo die Überschreitung mit fast dem Doppelten des Stickoxid-Grenzwerts besonders markant ist. Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch:

"Es geht um die saubere Luft in München. Es geht darum, dass die Menschen einen Anspruch haben, von diesen gefährlichen Dieselabgasen behütet zu werden. Die Autoindustrie macht Menschen- und Affenversuche. Die Politik macht das gleiche mit einer ganzen Stadt." Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe

Freistaat ignoriert bisher Urteile

Bayerische Verwaltungsgerichte haben den Freistaat bereits rechtskräftig verurteilt, ein Dieselfahrverbot für die Landeshauptstadt vorzubereiten. Der Freistaat ignoriert die Urteile jedoch bisher. Unter anderem mit dem Argument:

"Wir müssen abwarten, was Leipzig jetzt in diesem Urteil sprechen wird." Ulrike Scharf (CSU), Umweltministerin Bayern

Nach dem höchstrichterlichen Spruch aus Leipzig will der Freistaat die Situation neu bewerten. Nachdem die unteren Verwaltungsgerichts-Instanzen pro Fahrverbote entschieden haben, erscheint es durchaus möglich, dass auch das Bundesgericht Diesel-Fahrverbote in Deutschland anordnet.

Ohne Blaue Plakette kaum zu kontrollieren

Solange es keine Blaue Plakette gibt, mit der saubere PKW auch von außen erkennbar wären, ist ein Diesel-Fahrverbot allerdings nur schwer zu kontrollieren. Polizisten müssten die Autos einzeln anhalten und in den Kfz-Schein schauen. Da schaffen wir höchstens Stichproben, heißt es von den Polizeigewerkschaften.

Münchens SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter fordert deshalb (wie auch der Städtetag) bereits seit Langem, eine Blaue Plakette einzuführen. Ein Fahrverbot käme aber notfalls auch ohne sie, stellt Reiter klar:

"Ich werde Gerichtsurteile vollziehen. Das ist mein Anspruch an den Rechtsstaat. Das heißt, wenn es bis dahin keine Blaue Plakette gibt, dann muss die Konsequenz sein, dass alle Fahrzeuge ausgesperrt werden." Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister München

Wenn auch mit Ausnahmen für Blaulichtfahrzeuge, Taxen und den Wirtschaftsverkehr.

"Niemand kann das wollen. Und ich appelliere und hoffe doch stark, dass da die Vernunft dann auch Einzug hält bei denjenigen, die das zu entscheiden haben. dass die blaue Plakette doch nicht das Problem ist. Das Problem sind doch die Dieselfahrzeuge. Und wenn die nicht mehr rein dürfen, dann muss man doch regeln können, dass Benzinfahrzeuge, neuere Diesel oder Elektrofahrzeuge weiter in Zukunft reinfahren dürfen." Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister München

Zuständig für die Blaue Plakette ist der Bund, und die CSU-Bundesverkehrsminister haben sie bisher stets abgelehnt. Auch der Vertrag für eine Große Koalition, über den die SPD-Mitglieder jetzt abstimmen sollen, sieht wieder keine Blaue Plakette vor.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht diese Woche für Fahrverbote entscheidet, erwartet der Münchner Oberbürgermeister jedoch neue Bewegung in dieser Diskussion.